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Gespräche mit Untergrundpriestern, darunter der Chauffeur von Geheimbischof Peliks Davidek

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600 Geheimpriester sollten in der ehemaligen CSSR den Kommunismus unterwandern. Dafür wurden sie von der Kirche gebraucht. Heute sind sie eine Last. Rom untersucht die Fälle.

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600 Geheimpriester sollten in der ehemaligen CSSR den Kommunismus unterwandern. Dafür wurden sie von der Kirche gebraucht. Heute sind sie eine Last. Rom untersucht die Fälle.

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„Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte wurden bei uns 600 geheime Priester geweiht", erzählt der Brünner Professor Frantisek Provaznik, selber Geheimpriester, jetzt am wiedererrichteten Bischöflichen Gymnasium in der mährischen Hauptstadt tätig. Provaznik, der vom Geheimbischof Feliks Davidek seinerzeit geweiht wurde, ist mittlerweile kirchlich „anerkannt". Er bestätigt die von der FURCHE im Frühjahr genannten Zahlen (FURCHE 19 und 32/1990).

Unter diesen geheim geweihten Geistlichen gibt es auch eine große Anzahl von Geheimbischöfen. Einige von ihnen haben nach den Worten Provazniks ihre Weihe aus den Händen des damaligen Krakauer Erzbischofs und jetzigen Papstes Karol Wojtyla erhalten. „Neben Feliks Davidek", so der Professor, „gab es hier in Brünn noch andere Untergrundbischöfe, deren Namen ich aber nicht nennen will." Zumindest zwei Namen von ihnen konnte die FURCHE dennoch eruieren: Jan Blaha, der jetzt als Arbeiter in Brünn tätig ist und ein Mitarbeiter des im Vorjahr verstorbenen Davidek war (vielleicht ist er auch einer der „Nachfolger" Davideks als Oberhaupt der Untergrundkirche); und Stanislaw Krat-ky, der wie Provaznik am Bischöflichen Gymnasium unterrichtet.

Dieses Haus in Brünn erweist sich als Sammelbecken ehemaliger „Geheimer". Sie arbeiten hier mit früher von den kommunistischen Behörden anerkannten Geistlichen zusammen. Zwischen beiden Gruppen herrscht noch Mißtrauen. Zu tief sitzt in den „Geheimen" die Überzeugung, in Jahren der Verfolgung nicht kollaboriert und damit die wahre, kämpferische Kirche, die treu zum Papst stand, repräsentiert zu haben und noch immer zu repräsentieren.

Die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Weihen der Untergrundpriester - so Provaznik zur FURCHE - sei mittlerweile nach einer ersten Untersuchungsphase seit September dieses Jahres auch von Rom „gelöst". Provaznik selbst begründet sie mit dem Hinweis auf die rechtmäßig geweihten geheimen Weihebischöfe. Momentan beschäftigt sich der Vatikan nach seinen Worten mit dem Problem, wie man die Geheimen in den normalen kirchlichen Dienst übernehmen könnte. Das Problem ist dabei die große Anzahl von verheirateten Geheimpriestern.

Wie der Sekretär des Brünner Ordinarius Vojtech Cikrle, der junge Frantiäek Blaha, der FURCHE bestätigt, hält sein Bischof Kontakt zu den Geheimen: „Er ruft sie auch öfter zusammen und spricht mit ihnen. Ihre genaue Zahl kennt nur der Bischof. Mir selbst sind unter den geheim geweihten Priestern zwei Geheimbischöfe bekannt." Namen nennt Frantiäek Blaha hingegen nicht. Offiziell steht zur Zeit „kein verheirateter Priester in diözesanen Diensten".

Provaznik - um auf unseren Gesprächspartner im Bischöflichen Gymnasium zurückzukommen -betont, daß während der Kommunistenzeit manche Bischöfe die „spezielle Erlaubnis" gehabt hätten, verheiratete Priester für den griechisch-katholischen Ritus zu weihen. Die Behauptung mancher, sie seien für den römisch-katholischen Ritus geweiht worden, weist der Professor als „falsch" zurück. Die griechisch-unierten Gläubigen der Ostslowakei hätten diese verheirateten Priester gebraucht.

Tatsache ist aber, daß die geweihten Ehemänner nie in die Ostslowakei versetzt wurden, sondern massiert in der römisch-katholischen Brünner Gegend leben. Provaznik weicht aus: Ursprünglich, sagt er, habe man sie mit dem Ziel, sie in der Ostslowakei einzusetzen, geweiht. Einige hätten dann katechetische Gruppen in Brünn geleitet, seien auch „manchmal als Helfer der katholischen Kirche herangezogen worden". Der Professor ist sichtlich bemüht darzustellen, daß diese verheirateten Männer ihr Priestertum „nicht gehalten", sondern wie normale Arbeiter in Fabriken gearbeitet haben. Aber das gilt für die nicht verheirateten Geheimen genauso wie für jene Priester, denen die staatliche Berufszulassung entzogen worden war. Daß es auch zu Priestern oder Diakonissinnen geweihte Frauen in Brünn gebe, bestreitet Provaznik.

Ein deutlich anderes Bild von der Untergrundkirche zeichnet Vladimir Vitek. Er ist zur Zeit Spiritual am Brünner Bischöflichen Gymnasium, wirkt sehr introvertiert, und wurde ebenfalls von Davidek geheim geweiht. Im Verlaufe des Gesprächs stellt sich heraus, daß Vitek, er ist Mitglied der mährischen Eucharistiner-Kongregation, als Sanitätsfahrer (ab 1969 in der Brünner Psychiatrischen Klinik) mit Geheimbischof Davidek, der bis 1975 als Sterilisateur in der Kinderklinik arbeitete, „sehr gut bevon mehr als 25 Geheimpriestern gesammelt und nach Rom weitergeleitet - darunter ein verheirateter Geheimbischof.

Wie kommt man als früherer Geheimer wieder in den kirchlichen Dienst? Für ihn als geheimen Ordensmann, so Vitek weiter, sei es nicht so schwer gewesen, wieder übernommen zu werden. Für die „normalen Priester, die Weltpriester" sei es hingegen ein großes Problem, kirchlich anerkannt zu werden und eine entsprechende Aufgabe zu bekommen.

Was sagt Vitek zu den verheirateten Priestern? Anders als Provaznik gibt er folgende Interpretation, die wahrscheinlich die Intentionen Davideks für diese Weihen eher wiedergibt: „Es wurden in Brünn und Prag einige Ehemänner zu Priestern geweiht für den Fall, daß sich die Lage der Kirche unter den Kommunisten noch verschlechtern sollte. Aber für diese Priester sollte jetzt bald eine Lösung gefunden werden." Es werde auch darüber geredet, daß Bischof Davidek -dessen rechtmäßige Bischofsweihe im Gefängnis (angeblich durch den 1969 verstorbenen Olmützer Weihfreundet", ja als dessen „Chauffeur bei seinen Fahrten durch die Republik" sein engster Vertrauter war.

Vitek äußert sich sehr vorsichtig über die Geheimkirche. Die Sorge um seine verheirateten Amtsbrüder ist ihm anzusehen. Seinen Aussagen ist zu entnehmen, daß sich Davidek als eine Art Oberhaupt der tschecho-slowakischen Geheimkirche fühlte und von der Idee einer Unterwanderung des kommunistischen Systems auf vielerlei Art beseelt war - unter anderem durch Gründung einer panslawischen katholischen Universität im mährischen Heiligtum Velehrad; die Vorlesungen hatte Davidek im Gefängnis mit Gleichgesinnten auf Klopapier geschrieben, wie Davideks Zellengenosse, der Königgrät-zer Bischof Karel Otöenasek, vor nicht allzu langer Zeit der FURCHE erzählte. In der Diözese Kö-niggrätz hat Otcenasek die Namen bischof Zela) niemand von den Gesprächspartnern ernstlich bezweifelt - auch Frauen zu Priesterinnen geweiht habe, bestätigt Vitek. Er selbst habe dergleichen jedoch „nicht erlebt". Für Vitek, wie für die anderen ehemaligen Geheimpriester, war Davidek „ein sehr progressiver Mensch, der manches vielleicht ein bißchen zu weit getrieben hat". Jedenfalls sei Davidek ein höchst intelligenter Mensch, ein Studiermensch gewesen, der sich - körperlich klein, mit einem Sprachfehler - mit Theologie, Philosophie und Medizin in gleicher Weise beschäftigt habe. „Er war ein überzeugter Priester, der treu zum Papst stand. In jeder freien Minute hat er den Rosenkranz gebetet", ergänzt der Assistent des Spirituals, Frantisek Vrana, - auch ein ehemaliger Geheimer.

Zum gegenwärtigen Problem der Kirche mit den noch nicht anerkannten - darunter verheirateten -Geheimpriestern erklärt Vrana -völlig anders als Provaznik: „Für das vergangene Zeitalter des Kommunismus waren die geheimen Priester im Ehestand der beste Weg, ihren wahren Beruf geheimzuhalten*. Sie lebten in einer Ehe, die Kommunisten glaubten, daß in der katholischen Kirche nur Zölibatä-re Priester sein könnten. Heute haben wir damit natürlich enorm viele Probleme." Das letzte Wort habe Rom, betont Vrana gleichzeitig. „Aber die Aufgabe der geheim geweihten Ehemänner ist eigentlich erfüllt. Sie müssen jetzt auf andere Wege in der Kirche warten", erklärt der Assistenz-Spiritual ehrlich. Momentan arbeiteten manche von ihnen wieder in der Kirche mit, die Messe dürften sie allerdings nur im kleinen Kreis in ihren Wohnungen zelebrieren.

Zugeknöpft gibt sich Vrana auf die Frage nach noch lebenden Geheimbischöfen. Er wisse ihre Zahl nicht, beteuert er. Spiritual Vitek hingegen: „Es soll bei uns mehr Geheimbischöfe als normale Bischöfe geben."

Die Frage nach Weihen, bei denen Bischof Davidek „zu weit gegangen" ist, den Frauenordinatio-nen, beantworten die Brünner Gesprächspartner äußerst zurückhaltend. Der vom Leitmeritzer Bischof Kardinal Stefan Trochta geheim geweihte SalesianerpaterPetr Baran hingegen hat folgendes erlebt, als er 1974 nach Brünn kam: „Es gab hier einen Zirkel von Frauen, die sich auf das Priestertum vorbereiteten. Wahrscheinlich hat sich ein Geheimbischof dieser Sache angenommen, der nicht wahrnehmen wollte, daß eine Frauenordi-nation unmöglich ist. Ich weiß, daß ein Geheimpriester die Frauen theologisch und spirituell auf die Weihe vorbereitet hat. Ich kenne diesen Priester. Aus persönlichen Gründen will ich aber nichts weiter dazu sagen, auch keine Namen nennen."

Ist es schon schwierig, das Problem der verheirateten Priester theologisch und kirchenrechtlich, aber auch human zu lösen, erweisen sich die Frauenweihen als eine Nuß, die man nicht knacken kann.

Eines wird Rom wohl bedenken müssen: Jahrzehntelang haben die Geheimpriester unter schwierigsten Bedingungen die Stellung gehalten, haben in ständiger Angst vor Enttarnung und damit verbundener sofortiger Verhaftung ihre kirchliche Aufgabe erfüllt. Und jetzt sollen oder müssen sie erneut ein Opfer bringen: Beiseitestehen nach der politischen und gesellschaftlichen Umwälzung in der CSFR, um ein kirchliches Prinzip und Gesetz, den priesterlichen Zölibat, nicht in Frage zu stellen. Die geweihten Ehemänner samt Familien in die Ostslowakei zu den Griechisch-Unierten zu schicken, kann doch nicht die Antwort der Kirche auf ein menschliches Problem sein.

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