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Von vierzehn Diözesen sind nur zwei besetzt

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Das Prager Regime scheint Wert darauf zu legen, daß die CSSR als zweiter „gottloser Staat” - der erste ist bekanntlich Albanien - in die Geschichte eingehe. Jedenfalls ist die Situation der katholischen Kirche in Osteuropa nirgends so schlecht und so hoffnungslos wie in der Tschechoslowakei: In diesem Land ist es unmöglich, einen Hirtenbrief ohne Zensur zu veröffentliche^. In diesem Land wird der höhere Klerus von den Gläubigen isoliert und ihnen entfremdet. In diesem Land besteht ein Berufsverbot für mehr als 500 katholische Priester. In diesem Land gibt es nur zwei residierende Bischöfe (beide in der Slowakei). Apostolische Administratoren leiten zwei Erzbistümer sowie eine Diözese, und vier Bischöfe werden an der Ausübung ihrer Tätigkeit mit Gewalt gehindert.

Die Entwicklung in der CSSR wird vom Vatikan mit größter Sorge beobachtet: Die meisten Diözesen sind verwaist und ohne Führung. Rom besteht auf dem Recht, Bischöfe zu ernennen, das Prager Regime lehnt jedoch alle Kandidaten konsequent ab. Vatikantreue Bischöfe könnten die atheistische Kampagne und die kommunistische Politik im Land stören.

Seit 1949 konnte die Kirche ihre Angelegenheiten nicht mehr ungehindert erledigen. Die Einmischung der Regierung war in den tschechischen Landen stärker als in der Slowakei, wo von den sechs katholischen Diözesen nur zwei (Banska Bystrica und Nitra) zur Zeit von Bischöfen geleitet werden. Die zwei tschechischen Erzbistümer und vier Bistümer sind ohne ordentliche Führung. Das Prager Regime hat die Kirche und ihre Repräsentanten in eine Art von Illegalität manövriert. Die Folge: In der CSSR ist ein moderner Katakomben-Katholi- zismus entstanden. •

Die Schikanen des Prager Regimes haben viele Varianten:

• Die degradierten kirchlichen Würdenträger dürfen Besucher nur mit Genehmigung des staatlichen Kirchensekretariats empfangen.

• Vonden3500PriesterninderCSSR dürfen mehr als 500 keine seelsorgerische Tätigkeit ausüben. Zahlreiche Priester müssen als ungelernte Arbeiter ihr Brot auf der Straße verdienen und so mancher andere wurde frühzeitig in den Ruhestand versetzt.

• An den theologischen Seminaren wurden der Numerus clausus einge - führt. Während es in der früheren Jahren zwischen 24 und 30 Seminaristen waren, die inskribieren konnten, wurden im Schuljahr 1975/76 nur noch 16 zugelassen.

• Dazu kommt eine unbekannte Zahl von kirchlichen Würdeträgern, die im Kerker ein klägliches Dasein fristen.

Priester, die gutgläubig und naiv auf die Beschlüsse der Helsinkikonferenz bezüglich der Religionsfreiheit hin- gewiesen haben, bekamen es mit der Geheimpolizei zu tun. Tn Kreuzvęrho- ren wurde ihnen klargemacht, daß die Beschlüsse von Helsinki an der Religionspolitik des Staates absolut nichts geändert hätten. Besonders in der Slowakei wurde der Klerus diesbezüglich scharf verwarnt.

Parallel dazu kommt es immer wieder vor, daß die Behörden jene Eltern schikanieren, die ihre Kinder für den Religionsunterricht angemeldet haben.

Wie sieht es gegenwärtig in den 14 Diözesen der Tschechoslowakei aus? Im Erzbistum Prag wurde schon im Juni 1949 Erzbischof Josef Beran verhaftet und in seinem eigenen Palais interniert. Zwei Jahre später wurde er kurzerhand abgesetzt. Auch seine Ernennung zum Kardinal half nichts. Er mußte nach Rom emigrieren, wo er 1969 verstarb. Zur Zeit leitet der regimetreue „Friedenspriester” Antonin Stehlik” die Diözese.

Im Erzbistum Olmütz wurde der Metropolit Dr. Joėef Karel Matocha 1950 interniert. Matocha starb 1961 in der Verbannung. Seit 1950 ist sein Sitz vakant. Mehrere Kapitelvikare lösten einander ab. Die Leitung der Erzdiözese hat der umstrittene Apostolische

Administrator Josef Vrana 1973 übernommen. Umstritten darum, weil Vrana in den fünfziger Jahren, als Massenprozesse gegen Priester an der Tagesordnung waren, als Zeuge der Anklage gegen andere Geistliche ausgesagt hat. In den vergangenen drei Jahren vertiefte sich die Kluft zwischen dem Klerus und Bischof Vrana, da dieser immer offener als Parteigänger der Hušak-Regierung auftrat

Die Diözese Budweis ist seit dem Tod von Bischof Jošef Hlouch ohne Führung. Dasselbe gilt für die Diözese Brünn: sie ist vakant seit dem Tode des Bischofs Dr. Karei Skoupy im Februar 1972. Ebenfalls führerlos ist die Diözese Tyrnau seit dem Tode des Bischofs Dr. Ambroz Lazik im April 1969. Hier wurde 1973 der Apostolische Administrator Dr. Julius Gabris als Bischof konsekriert Gabris meidet, wie der residierende Bischof von Neutra, der Ungar Dr. Josef Päsztor, jede politische Äußerung.

Auch in der Diözese von Rosenau konnte seit dem Tode von Bischof Dr. Robert Pobozny im Juni 1972 kein Nachfolger ernannt werden. Ein Nachfolger fehlt auch in der Diözese Kaschau: Der letzte Bischof, Dr. Josef Cavsky, verstarb im März 1962.

In der Diözese Leitmeritz besuchte im April 1974 derRegionalsekretärdes staatlichen Kirchenamtes den Kardinal Stefan Trochta und verwickelte ihn in ein Streitgespräch. In der folgenden Nacht erlitt der Kardinal einen Herz- anfall und starb. Trochta hatte 1950 geheim den Bischof Ladislav Hlad konsekriert. Hlad wurde 1960 verhaftet und zu neun Jahren Kerker verurteilt Er ist Invalidoaind konnte nur im katholischen Caritas-Haus arbeiten.

1973 wurde ihm jede weitere aktive kirchliche Tätigkeit von den Behörden untersagt.

In der Diözese Königgrätz starb im November 1956 Bischof Moric Picha. Seither ist der Bischofssitz leer. Von Picha war mit vatikanischer Bewilligung Dr. Karei Otcenasek als Nachfolger designiert worden. Von den Behörden wurde dies niemals anerkannt. Otcenasek arbeitet derzeit in der Grenzregion als Dorfpfarrer.

Seit dem Tode des Bischofs Jän Voj- tassak im August 1956 hat die Diözese Zips keinen Nachfolger. Tatsächlich ist der Bischofssitz seit 1951 imbesetzt, weü Bischof Vojtassak wegen „Widerstandes” zu 24 Jahren Gefängnis verurteilt worden war.

Ein waschechter Friedenspriester residiert in der Diözese von Bansky Bystrica seit 1973, Bischof Josef Fera- nec. In der Zeitschrift „Katolickė No- viny” unterstützt Feranec die Regierungspolitik mit engagierten Artikeln.

Im Zuchthaus verstarb 1960 Bischof Pavel Gojdič, der 1951 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden war. Das griechisch-katholische Bistum Presov ist seither ohne Oberhirten. Der Hilfsbischof Dr. Vasil Hopko starb im Juni 1976.

Für die Altkatholiken gibt es seit 1972 keinen Oberhirten mehr. Damals wurde Bischof Augustin Podolak die staatliche Bewilligung zur Ausübung der pastoralen Tätigkeit entzogen. Podolak war sowohl während des Zweiten Weltkrieges als auch in den fünfziger Jahren eingekerkert und wurde in der Haft zum Krüppel.

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