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Ein Rückblick aus Anlaß des Rücktritts

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Leben und Werk führender Männer in Welt und Kirche wertet der Historiker in der Regel aus dem respektvollen Abstand von Jahrzehnten. Der Zeitgenosse kann nur Mosaiksteinchen zusammentragen, die erst später zu einem Gesamtbild geformt werden können.

Dr. Franz Zauner wurde im Juni 1949 als Bischofkoadjutor mit dem Recht der Nachfolge für den nach einem Schlaganfall schwer behinderten Bischof Josephus Cal. Fließer ernannt. 1951 wurden ihm die Rechte eines Resi-dentialbischofs übertragen, und nach dem Rücktritt Bischofs Fließer übernahm er mit 1. Jänner 1956 als Diöze-sanbischof die Leitung der Diözese. Mit 13. August 1980 hat Papst Johannes Paul das im Vorjahr eingereichte Rücktrittsgesuch angenommen. Als Apostolischer Administrator führt Bischof Zauner noch die Diözesange-schäfte, bis er sie seinem Nachfolger übergeben kann.

Mehr als 31 Jahre macht die Gesamtzeit seines bischöflichen Wirkens aus. In dieser Zeit gab es im weltlichen und im kirchlichen Bereich entscheidende Ereignisse und bedeutende Ver-

Das Land Oberösterreich, mit dem sich das Gebiet der Diözese fast vollständig deckt, war bis 1955 nördlich der Donau (Mühlviertel) von den Russen, südlich der Donau von den Amerikanern besetzt. Mit dem Fortschritt der Industrialisierung nahm die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten immer mehr ab. In den industriereichen Ballungsräumen siedelten sich immer mehr Menschen an, zahlreiche andere suchten als Pendler dort Verdienstmöglichkeit. Dazu kam das Problem der Gastarbeiter. Steigender Wohlstand ließ auch weithin eine materialistische Einstellung wachsen.

Im kirchlichen Bereich fallen in diese drei Jahrzehnte das II. Vatikanische Konzil (1962-1965); die Linzer Diöze-sansynode (1970-1972) und der gesamtösterreichische „Synodale Vorgang" (1973/1974); der Aufbruch verschiedener Erneuerungsbewegungen, aber auch das gutgemeinte, aber starrköpfige Festhalten gewisser Gruppen an altgewohnten Formen und eine intensive Sektentätigkeit. Mit diesen wenigen Sätzen mag das Arbeitsfeld skizziert sein.

Von der Tätigkeit des Bischofs in den drei Jahrzehnten mögen zunächst einige Zahlen eine Ahnung geben: Ansprachen, Predigten und Vorträge, mit denen er das Lehramt ausübte, überstiegen in manchem Jahr die Zahl 500. Die Pfarrvisitationen, die er durchgeführt hat und bei denen er sich eingehend mit dem Stand und den Problemen der einzelnen Pfarren vertraut gemacht hat, waren rund 1350, die Firmungen, die er gespendet hat, 329.000. Die Priesterweihen 579, und zwar 345 Weltpriester und 234 Ordenspriester.

36 Pfarren oder Pfarrexposituren und neun Kooperatorexposituren wurden in den letzten 30 Jahren neu gegründet. 36 Pfarrkirchen, gegen 30 Filialkirchen und Kapellen wurden gebaut, 26 Kirchenerweiterungen durchgeführt, von denen manche fast einem Neubau gleichkamen. Mehr als 200 Pfarrheime wurden errichtet; zahlreiche Pfarrhöfe neu gebaut oder saniert.

Dazu kommen noch die diözesanen Bauten: Ausbau des Petrinums, des Priesterseminars, Adaptierung und Erweiterung des Schlosses Puchberg als diözesanes Bildungshaus, ein Hochschülerheim als Zentrum der Katholischen Hochschulgemeinde, die Pädagogische Akademie der Diözese und das Diözesanhaus, das heuer von der Caritas, vom Pastoralamt und von der Katholischen Aktion bezogen werden konnte. In der 200jährigen Geschichte der Diözese hat es noch nie eine so intensive Bauperiode gegeben wie unter Bischof Zauner.

Wichtiger als die Bauten aus Stein und Beton sind aber die geistigen Aufbauleistungen. Hier ist Bischof Zauner der Titel „Baumeister der Katholischen Aktion" zuzuerkennen. 1950 wurde der Auf- und Ausbau der Katholischen Aktion proklamiert und Bischof Zauner hat mit großem persönlichem Einsatz an diesem Aufbau - besonders der Männerbewegung - gearbeitet. Er hat den Gliederungen der KA fähige Seelsorger zur Verfügung gestellt und deren Arbeit in jeder Weise gefördert und gestützt.

Daß heute die Männerbewegung in der Diözese Linz gegen 24.000 Mitglieder zählt, die Frauenbewegung über 52.000 Mitglieder hat, daß ein Oberösterreicher Präsident der KA Österreichs ist und die Katholische Frauenbewegung Österreichs eine Oberösterreicherin zur Vorsitzenden gewählt hat, sind Tatsachen, die den scheidenden Bischof mit Genugtuung erfüllen dürfen.

Mit besonderem Nachdruck förderte Bischof Zauner das Katholische Bildungswerk, das allmählich in fast allen Pfarren wirksam wurde. Halbe Nächte ließ er es sich kosten, um selber zu Bildungswerkvorträgen hinauszufahren.

Baumeister wurde Bischof Zauner auch für die verschiedenen Räte und Gremien, die vom Konzil oder von der Diözesansynode gefordert oder empfohlen wurden: Priesterrat, Pastoralrat mit gewählten Mitgliedern stehen dem Bischof beratend zur Seite, und die Pfarrgemeinderäte haben für die Laien die Möglichkeit der Mitsprache in den Pfarrgemeinden gebracht.

Die aktive Mitarbeit der Laien wurde besonders eingeleitet in der Vorbereitungsphase auf die Diözesansynode. In über 130.000 Briefen haben die Gläubigen ihre Vorstellungen von der Synode und ihre Wünsche an sie bekanntgegeben. Die Synodenvorlagen wurden nicht nur von Kommissionen behandelt, sondern von Synodenräten in allen Pfarren.

Bischof Zauner hat den Gremien viel Mitspracherecht eingeräumt. Im Konsistorium behandelte er 14täglich nicht nur die Fragen, die er auf Grund des Kirchenrechtes dem Domkapitel vorlegen muß, sondern alle wichtigeren Ereignisse und Vorkommnisse in der Diözese.

Mindestens zweimal im Jahr hat er die Dechanten zu einer Konferenz eingeladen, im Herbst zwei Tage zur Behandlung des Arbeitsprogramms für das neue Arbeitsjahr und zur Kontakt-nahme mit den diözesanen Ämtern, im Frühjahr einen Tag zur Besprechung aktueller Probleme. Den Priesterrat hat er zwei- bis dreimal im Jahr, den Pastoralrat in der Regel zweimal um sich versammelt. Auch den Amtsträgern, die den diözesanen Zentralen vorstanden, ließ er einen bedeutenden Freiheitsraum und war alles eher als ein Diktator.

Außer der Tätigkeit in der eigenen Diözese ist noch seine Tätigkeit in der österreichischen Bischofskonferenz zu erwähnen. Dort war er jahrelang Liturgiereferent, dann Schulreferent in der Zeit, in der entscheidende Verhandlungen für die Rechte und die Existenzmöglichkeit der katholischen Privatschulen geführt wurden, und in den letzten Jahren für Finanzfragen. Auch für die österreichische MIVA war er Sprecher in der Bischofskonferenz.

Uber Österreich hinaus wurde Bischof Dr. Zauner wirksam als Teilnehmer am II. Vatikanischen Konzil, wo er bei der Wahl in die Komissionen die höchste Stimmenanzahl für die Litur-

giekommission erhielt. Bemerkenswert sind seine Aktivitäten für die Weltmission. Die Diözese Linz hat als erste Diözese der Welt eine Anregung des Konzils verwirklicht und jährlich ein Prozent der Kirchenbeiträge für die Weltmission zur Verfügung gestellt. Die Sammlungen der „Sternsinger", für „Bruder in Not" und „Familienfasttag", für Missionsprojekte und Entwicklungshilfe waren in der Diözese Linz stets beispielhaft. Dabei überließ der Bischof die Auswahl der Projekte, für die das Geld verwendet werden sollte, den KA-Gliederungen, die vorzüglich für die Aufbringung der Gelder tätig waren.

Bei aller Arbeit für das Reich Gottes und für seine Diözese hat er an sich selbst am wenigsten gedacht. Das Wort Urlaub ist ihm all die Jahre ein Fremdwort geblieben. Wenn im Sommer einige Wochen stiller waren, vergönnte er sich höchstens eine halb- oder ganztägige Fahrt mit seinem Motorrad, die ihn zu kranken Priestern oder zu Wallfahrtsorten (Maria Taferl, Mariazell, Altötting) führten. Das Motorrad und die Elektrotechnik, in der er daheim war, daß erfahrene Fachleute staunten, waren das einzige Hobby, das er kannte.

Bischof Franz Joseph Rudigier hat" vor 100 Jahren die Diözese Linz entscheidend geprägt. Die Regierungszeit von Bischof Zauner dürfte in ähnlicher Weise nachhaltige Wirkungen für die Diözese haben.

(Der Autor war lange Zeit Generaldechant und Leiter des Seelsorgeamtes der Diözese Linz.)

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