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Generalprobe für den Beran-Prozeß

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pk. Prag, Ende November Im Repräsentationshaus der Stadt Prag versammelten sich in den letzten Novembertagen zahlreiche „katholische1' Priester zu einer Friedenskonferenz, richtiger gesagt zur Entgegennahme eines Berichts über den Warschauer Friedenskongreß, den Gesundheitsminister Plojhar erstattete. Man sah unter den Versammelten den Direktor der „katholischen“ Caritas, P. Mära, den slowakischen Beauftragten für das Postwesen, Prof. Honik, erschienen war der erst vor wenigen Wochen vom Prager Kirchenminister zum Generalvikar der Königgrätzer Diözese ernannte P. Hro-nek sowie der neuernannte Dekan der theologischen Cyrill- und Method-Fakul-tät, Prof. Sanda, der eine Ehrenstellung innerhalb dieser Gesellschaft bekleidet, da seine Exkommunikation nicht erst jüngsten Datums ist, sondern schon fast zwei Jahrzehnte zurückliegt.

Drei Tage später: Wieder füllt sich ein Saal in Prag mit zahlreichen katholischen Geistlichen; der große Schwurgerichtssaal des Pankrazer Gerichts. Priester sitzen nicht nur im Zuschauerraum — man hatte sie aus allen Teilen des Landes hiehergebracht — neun Priester nehmen auch auf der Anklagebank Platz. Ein ähnliches Schauspiel, wie es sich heuer schon einmal, in der Karwoche, hier abspielte, wird wiederholt.

Waren es beim ersten Schauprozeß ausschließlich Ordenspriester, so überwiegt bei diesem Prozeß, der am 27. November seinen Anfang nahm — und beim Erscheinen dieses Berichts schon abgeschlossen 6ein dürfte — der Weltklerus: an der Spitze der Weihbischof und Generalvikar der Erzdiözese Obnütz, Stanislaus Z e 1 a, die Domherren des Metropolitankapitels zu St. Veit in Prag, Dr. theol. S v e c, Doktor theol. C i h £ k und Dr. theol. K u 1 a i, der erzbischöfliche Sekretär Dr. theol. B o u k a 1 und der Sekretär der Katholischen Aktion der Prager Erzdiözese Doktor theol. Mandl. Aber auch diesmal sind die Orden durch zwei prominent Persönlichkeiten vertreten, den Abt des Prämonstratenserstiftes Strahov in Prag, Jarolimek, den Abt des Benediktinerklosters Bfevnov (St. Margaret) in Prag, O p a s e k, und der Salesianerpater Vaclav Mrtvy, gewesener Dolmetsch in der päpstlichen Nunziatur.

Zielbewußt gehen die Prager Machthaber ihren Weg weiter und liquidieren — anders als in Jugoslawien oder Ungarn, wo man zu einem einzigen Schlag gegen den Primas des Landes ausholte — die „zweite Garnitur“ der katholischen Kirche. Im Prozeß wurde dies nur zu deutlich, wenn zum Beispiel Prälat C i h £ k die Frage vorgelegt wurde, ob ihn Erzbischof Beran auf Grund päpstlicher Vollmachten zu seinem bevollmächtigten Vertreter für den Fall ernannt habe, daß er selbst zur Leitung der Diözese nicht in der Lage sei; und ähnlich hatte Weihbischof Zela die Frage zu beantworten, ob er als einer der drei Vertreter des Olmützer Erzbischofs der geheimen, unterirdischen Hierarchie angehöre.

Vielfach sind es lächerliche, an den Haaren herbeigezogene Anschuldigungen, die den Prälaten zur Last gelegt wurden, oder selbstverständliche Pflichten jedes Priesters, wie die Verbreitung und Verlesung der Hirtenbriefe, ihre Korrespondenz mit den Ordensoberen, ja selbst Besuche in der Nuntiatur oder — was fast bei allen Angeklagten der Fall ist — die Tatsache, daß sie ihre theologische Ausbildung in Rom genossen haben. Angeklagt wird in Wahrheit die katholische Kirche, die einzelnen tschechischen Bischöfe und die Bischofskonferenz der Tschechoslowakei, die Nuntiatur, der vatikanische Rundfunk, das Nepomuce-num in Rom, ja selbst angebliche Aussprüche Pius' XII. wurden in der Anklage

Der Prozeß fand am 2. Dezember sein Ende mit einem jener terroristischen S e r i e n u r t e i 1 e, die berechnet sind, außerhalb des Gerichtssaales zu wirken und ein widerstrebendes Volk einzuschüchtern. Abt Opasek wurde zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt, die geringste Strafe lautete auf zehn Jahre für Prälat Dr. Cihak. Die verhängten Gefängnisstrafen für die übrigen Angeklagten lauten auf so lange Dauer, daß keiner der schon im vorgerückten Alter stehenden Verurteilen sie überleben dürfte. zitiert. .Die hohe kirchliche Hierarchie mißbraucht die Kirchen und Kanzeln zu einer zersetzenden Tätigkeit, versucht Mißtrauen zu den neuen Gesetzen, zur Regierung und zur volksdemokratischen Einrichtung zu säen“, heißt es in der Anklageschrift, und im Verlauf der Verhandlungen interessiert sich der Staatsanwalt für den Standpunkt, den der Vatikan zum Münchner Abkommen, der verstorbene Olmützer Erzbischof zur Errichtung des Protektorats einnahm, oder befaßt sich mit dem deutschen Konkordat.

Die Anklageschrift, volle 1700 Druckzeilen lang, schöpfte ausgiebig aus den verschiedenen Pamphleten gegen den Vatikan, die im Laufe dieses Jahres in Prag in reicher Zahl herausgegeben wurden, der Wortschatz ist dementsprechend: „Gestapokonfident“, „Nazispitzel“, „erprobter Spion des Vatikans“ waren in diesem Akt geläufige Bezeichnungen für hohe kirchliche Würdenträger, die Hirtenbriefe wurden als illegale Flugschriften, die Seelsorgeämter der einzelnen Diözesen als Spionagezentren bezeichnet, die Klöster als Stützpunkte feindlicher Spione und Terroristen. Dabei mußte die Anklageschrift recht entlegene und ziemlich weit zurückliegende Argumente hervorsuchen: die hohe kirchliche Hierarchie sei immer „eine Säule der österreichischen Habsburgermonarchie, dieses jahrhundertealten Kerkers des tschechischen und slowakischen Volkes“ gewesen, heißt es gleich einleitend in der Anklageschrift. Dann mußte ein Hirtenbrief aus dem Jahre 1925 herhalten, der die Mitgliedschaft bei kommunistischen Organisationen untersagte. Die zersetzende Tätigkeit der H e n 1 e i n-Leute habe beim Vatikan volle Unterstützung gefunden; die Ernennung des „Kriegsverbrechers“ Tiso zum päpstlichen Kämmerer, die unterbliebene An-gleichung der Diözesangrenzen an die Staatsgrenzen der 1918 errichteten Tschechoslowakei, der 1934 erfolgte Tausch des berühmten Dürer-Bildes „Das Rosenkranzfest“ gegen Waldbesitz — all das wird als Beweis dafür herangezogen, „daß die hohe römisch-katholische Hierarchie immer auf der Seite der unterdrückenden Regime und ausbeutenden Klassen stand, mit denen das tschechische und slowakische Volk im Kampf um seine nationale und soziale Befreiung lag“. Dieses Hervorsuchen alter und keineswegs unbekannter Geschehnisse zeigt deutlicher als alles andere, daß es an tatsächlich belastendem Material völlig mangelt.

Gefangene zweier Diktaturen

Als nach dem Heydrich-Attentat vier von den zwölf Mitgliedern des „allzeit getreuen“ Domkapitels der St.-Veit-Kathedrale verhaftet wurden, von denen ein Deutscher und ein Tscheche, Kanonikus Gebert und Kanonikus Graf Boizek-Dohalsky, in einem Konzentrationslager starben und Prälat S t a-novsky, der einstige Erzieher der Kinder des Thronfolgers Ferdinand von Este, an den Folgen seiner Kerkerhaft verschied, kehrte nach dreijähriger Haft in Mauthausen und Dachau Kanonikus Svec als einziger heil und gesund auf seinen Posten zurück. Wer hätte damals voraussehen können, daß kaum fünf Jahre später wiederum drei Domherren von St. Veit eingekerkert würden, unter ihnen wiederum Kanonikus Svec.

Als der erzbischöfliche Sekretär von Olmütz, Dr. Zela — damals noch nicht Weihbischof —, als einer der ersten Priester Mährens von der deutschen Gestapo ins Konzentrationslager gesteckt wurde, wer hätte da voraussehen können, daß er von seinen eigenen Landsleuten ausgerechnet als Gestapokonfident angeklagt würde und man gegen ihn den Vorwurf der engsten und freundschaftlichsten Zusammenarbeit mit der Gestapo erheben würde?

Als in den „Cahiers du Monde Nou-veau“ 1946 die Leiden des tschechischen Klerus während der deutschen Besatzungszeit und die patriotische Haltung der tschechischen Priester eine eingehende Würdigung fanden — und zwar aus der Feder des jetzt wieder angeklagten Kanonikus Svec —, da wurde unter jenen nationalen Priestern, die Partisanen und Fallschirmabspringer unterstützten, ihre Pfarrhäuser in Waffendepots verwandelten und ihre Kirche als Versammlungsstätten für geheime Zusammenkünfte zur Verfügung stellten, namentlich der Abt von Strahov, Jarolim, hervorgehoben, der sich an die Spitze einer Kampfgruppe gestellt habe. Wer hätte damals voraussehen können, daß heute von den gleichen Priestern erklärt wird: „Unter den verschiedenen Charakterzügen und Eigenschaften dieser Verbrecher tritt deutlich eine hervor, ihre geradezu wesenhafte, verstockte, konsequente Volksfeindlichkeit... Sie haben mit dem tschechischen Volk nur eines gemeinsam, den Geburts- und den Wohnort. Das einzige, was sie fühlen, ist der Haß gegen das eigene Volk...“

Und noch etwas fällt in diesem Prager Prozeß, in der Anklageschrift und bei der Einvernahme der Zeugen auf, daß nämlich der Name des Primas von Böhmen, Erzbischof Beran, kaum erwähnt wurde. Zweifellos hält man alles Material zurück, das in einem Prozeß gegen den höchsten kirchlichen Würdenträger des Landes irgendwie verwertbar erscheint. Man wird in dem gegenwärtigen Prozeß nicht viel anderes als eine Generalprobe sehen dürfen für den letzten, heftigsten Schlag, den man sich in Prag wohl noch aufgehoben hat.

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