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Keimendes Schisma in der Tschechoslowakei?

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Aus einem Begrüßungstelegramm an Staatspräsident Gottwald, das vom Tschechoslowakischen Preßbüro veröffentlicht wird, erfährt die Öffentlichkeit von einem neuen, vom Prager Kirchenministeriurn inszenierten Kurio-sum: zu einer „gesamtstaatlichen Arbeitstagung“ versammelten sich die Kapitel- und Generalvikare aller römisch-katholischen Diözesen der Tschechoslowakei.

.Wir wollen nach Kräften unserer Kirche dienen und ihr treue Diener sein, gleichzeitig aber wollen wir als aufrichtige und ehrliche Christen und Patrioten mit dem Volk gehen, seine Interessen wahren und ihm dienen“, heißt es in dem Begrüßungstelegramm an Gottwald, und weiter lesen wir darin: „Wir setzen uns voll und ganz für ein positives Verhältnis der Kirohe zu unserer volksdemokratischen Republik ein, wir wollen konsequent ihre Gesetze respektieren und mit allen Kräften beitragen zur Aufrichtung einer besseren und gerechteren Sozialordnung.“

Noch ist allen deutlich in Erinnerung, welche Mittel das Prager Kirchenministerium daransetzte, die Bischofskonferenzen unmöglich zu machen und die Fühlungnahme der Bischöfe untereinander zu unterbinden. Heute ist den katholischen Bischöfen in der Tschechoslowakei jede Betätigung unmöglich gemacht — der Bischofstuhl von N e u s o h 1 ist seit über einem Jahr verwaist, der Zipser Bischof wurde erst kürzlich zu 24 Jahren Kerkerhaft verurteilt, die übrigen Bischöfe sind, sofern sie nicht verschleppt und unbekannten Aufenthaltes sind, in ihren eigenen Residenzen interniert und von der Außenwelt hermetisch abgeschlossen. Gibt man sich mit diesem Erfolg zufrieden und steht man jetzt einem Zusammentreffen der Generalvikare und Kapitelvikare wohlwollender gegenüber?

Die ausgegebene Meldung hat die Namen der entsandten Vertreter der einzelnen Diözesen verschwiegen. Es wäre eine Namensliste gewesen, die trotz aller Desorientierung und Un-informiertheit, wie sie heute angesichts des Fehlens aller kirchlichen Nachrichtenquellen herrscht, Bestürzung darüber hervorgerufen hätte, wie weit es das kommunistische Regime mit seinem Bestreben bereits gebracht hat, die Stellung der katholischen Kirche in der Tschechoslowakei auszuhöhlen und ihre Organisation mit staatlichen Funktionären zu durchsetzen, die ihre kirchlichen Titel zu Unrecht führen, i h r e K i r chen-ämter entgegen allen Vorschriften des kanonischen Rechts aus üben.

Als am 9. Jänner 1950 der Bischof von Neusohl, Andreas Skrabik, gestorben war, erkannte das Staatsamt für kirchliche Angelegenheiten die ordnungsmäßige kirchliche Wahl Dr. Daniel Brie-dons zum Kapitelvikar nicht an, da die nach dem neuen Kirchengesetz erforderliche staatliche Genehmigung nicht rechtzeitig eingeholt worden sei, und ernannte den Dechanfen Jan D e c h e t zum Administrator der Diözese. Die Installation des inzwischen von Rom Exkommunizierten fand am 19. März 1950 im Dom zu Neusohl statt und wurde mit einer Friedenskundgebung verbunden, zu der der Klerus der Diözese mit dem Bemerken eingeladen wurde, daß ein Fernbleiben als Protest gegen den Frieden und als Kriegshetze aufgefaßt würde. Da der Domchor sich weigerte, bei diesem gotteslästerlichen Schauspiel mitzuwirken, mußte der slowakische Lehrerchor, der zu 80 Prozent aus. Protestanten besteht, die Lücke füllen. Da die Gläubigen gleichfalls fernblieben, mußte der Dom durch Betriebsmiliz gefüllt werden. Anfang dieses Jahres erfolgte die Bestellung Dechets zum „Kapitelvikar“ und am 9. Jänner* fand abermals eine feierliche Installation statt.

Die nächste günstige Gelegenheit, ein hohes Kirchenamt zu besetzen, ergab sich für das Kirchenministerium, als am 2 0. April 1950 der Generalvikar der Budweiser Diözese, Msgr. Jin Cais, starb. Schon die Schwierigkeiten, die von staatlicher Seite beim Begräbnis bereitet wurden, ließen nichts Gutes ahnen: dem Bischof der Diözese wurde die Teilnahme an den Trauerfeierlichkeiten für seinen eigenen Generalvikar verboten, der Klerus wurde von der Polizei verständigt, daß das Begräbnis auf unbestimmte Zeit verschoben sei. Als schließlich doch bekannt wurde, daß es am 24. April stattfindet, ließ der Kirchenreferent des Kreisnationalausschusses die Leiche durch die Polizei wegführen, so daß die Zeremonien im Dom — die unter Teilnahme von 140 Priestern und zahlreichen Gläubigen stattfanden — in Abwesenheit de Leichnams vorgenommen werden mußten. Zum neuen „Generalvikar“ ernannte das Staatsamt für Kirchenfragen den Pfarrer Josef ß u c h t a, einen Geistlichen aus dem Hultschiner Ländchen, der 1945 den Einmarsch der Roten Armee überschwenglich gefeiert hatte.

In der Königgrätzer Diözese machte man nicht mehr so viel Aufsehens mit der Bestellung des neuen „Generalvikars“, des bisherigen Pfarrers von Cerekvice, Konsistorialrat Ladislav Hronek. Wenn auch der Vertreter des Kirchenministeriums erklärte, daß er .kirchlich ernannt“ worden sei, so ist darunter die Ernennung durch diese staatliche Stelle für Kirchenwesen zu verstehen. Wenn bei dieser großzügigen Personalpolitik des Kirchenministeriums überhaupt noch etwas Verwunderung hervorrufen kann, dann vielleicht die Tatsache, daß Pfarrer Hronek anläßlich seiner Installation laut amtlicher Prager Meldung ein „Pontifikalamt“ zelebrierte. Hat sich das Prager Kirchenministerium auch das Recht angemaßt, ihn zum infu-lierten Prälaten zu ernennen?

Auf ähnliche Weise wurde Andrej Scheffer zum „ General vikar“ der Z i p s e r Diözese bestellt und am 5. November 1950 installiert, zur selben Zeit, als die Vorbereitungen für den Hochverratsprozeß gegen den Zipser D i ö z e-sanbischof VojtaiÄk getroffen wurden. Der Generalvikar der Leitmerit-zer Diözese, Msgr. V 1 c e k, wurde im November 1950 aus Leitmeritz ausgewiesen und dem Bischof fünf „patriotische“ Priester als Nachfolger vorgeschlagen, die jedoch durchwegs von Bischof Trochta abgelehnt wurden. Im Dezember 1950 wurde Jan T u 1 e j a von der staatlichen Behörde zum „Generalvikar“ der Diözese Kaschau bestellt, eine neue kirchliche Funktion hat dieses Amt in der Gestalt eines „Ver treters des Generalvikars“ geschaffen, und zwar für die Diözese Neutra; diese Funktion wurde dem Kanonikus Michal Ü r a d n i k übertragen, der in den letzten Tagen des Vorjahres gemeinsam mit einigen neuernannten Domherren den staatlichen Eid ablegte.

Nicht anders als bei den „General- und Kapitelvikaren“ verhält es sich bei den Vertretern der „beiden theologischen Fakultäten“, die gleichfalls an dieser Konferenz teilnahmen. Dekan der „Cyrill-und Method-Fakultät“ in Prag, wie die einstige katholische theologische Fakultät jetzt zum Unterschied von der Brünner „Hus-Fakultät“ und der Preßburger „Comenius-Fakultät“ heißt, ist der exkommunizierte Professor Dr. Vaclavanda.

Dessen erste Tat war die Verleihung des Ehrendoktorats der Theologie an die beiden exkommunizierten Priester, Gesundheitsminister Plojhar und den slowakischen Beauftragten Dr. Horak. Plojhar als Ehrendoktor der Theologie — da hat das ganze Land gelacht.

An der zweiten „katholischen“ Fakultät beziehungsweise dem Seminar in Preßburg sind folgende Namen feststellbar: Dekan ist der einstige Professor Dr. Mikulaä Visno'sky; von den Professoren sind ferner im Amt verblieben: Dr. Simalcik, Dr. Funczik, Dr. Faith, Dr. Spesz. Neu ernannt wurden: Dr. Cyril Duda, der exkommunizierte Dr. Jozef Straka, der exkommunizierte Dr. h. c. Alexander Horak; zu außerordentlichen Professoren wurden Dr. Michal Krovina und der Pfarrer von Budec, Gröbl, ernannt. Für die Stelle eines Spirituals des nunmehrigen Seminars war schwer ein dem Regime passender Mann zu finden; schließlich wurde die Stelle mit Professor Rysavy besetzt. Präfekt des Seminars ist der Priester der Rosenauer Diözese Longauer.

Obwohl von der obersten kirchlichen Stelle nicht nur das Studium, sondern auch das Vortragen an diesen staatlichen theologischen Fakultäten ausdrücklich verboten wurde, verblieben also zahl- . reiche alte Theologieprofessoren auch nach der Umwandlung ihrer Anstalt in staatliche Fakultäten an ihren Plätzen. Sie verblieben, obwohl es sichtbar ist, daß die Machthaber ein staatliches Monopol für die Formung des künftigen Klerus erstreben, über dessen Inhalt und Wirkung kann es keine Täuschung geben. Viel tapfereralsdieTrägeraka-demischer und ansehnlicher kirchlicher Würden ist die junge Generation der Theologiestudierenden: während es im Studienjahre 1949/50 in allen slowakischen Diözesen zusammen über 450 Theologiestudenten gab, haben sich im Schuljahr 1950/51 nur 37 in das staatliche Seminar gemeldet, darunter aber nicht wenige, die ihre M i 11e1schu1ausbiI dung noch gar nicht abge schlössen haben.

Als am 16. Juli 1950 die bischöflichen P r i e s t e r s e m i n a r e in derganzenTschechoslowakei aufgehoben wurden, beabsichtigte man zunächst, die Theologiestudenten zu politischen Schulungskursen zu sammeln. Der schriftlichen Aufforderung an die bisherigen Theologiestudenten, in die nun verstaatlichten Seminare zurückzukehren und hier an den Pflichtlehrgängen teilzunehmen, kam jedoch niemand nach. Diese Abstinenz erfolgte trotz der Ankündigung, daß die Teilnahme die Voraussetzung für das weitere Studium sei. Einer neuer liehen Einberufung folgten nuT zwei Studenten. Die meisten wenden sich einem Zivilberuf zu. Anfang September, erhielten darauf die gewesenen Zöglinge der Priesterseminare die Weisung, zum Militärdienst einzurücken. Im slowakischen Volk wird die mutige Haltung der Theologiestudierenden gepriesen. Freilich kann die seelische Bedrückung den Menschen niemand nehmen, die wahrnehmen, daß sich die Lage von Monat zu Monat verschlechtert.

Es ist so weit, daß ernstzunehmende Beobachter, tief beeindruckt von schmerzlichen Tatsachen, schon glauben die Befürchtung aussprechen zu müssen, daß die gegenwärtige Lage in der Tschechoslowakei den Keim des Schismas enthalte. Das ist zu düster gesehen, aber es ist schlimm genug. Mit dämonischer Methodik ist der Versucher am Werke.

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