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Die kleiner werdende Schar

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In einer Zeit fortdauernder Spannungen zwischen Staat und Kirche begingen im Juli dieses Jahres drei bekannte Persönlichkeiten des ungarischen Katholizismus hohe Jubiläen. Es waren dies der Rangälteste unter den ungarischen Bischöfen, Vorsitzender des Bischofskollegiums und Erzbischof von Kalocsa, Msgr. Jözsef Grösz, ferner der Diözesanbischof von Szekesfehervär (Stuhlweißenburg), Msgr. Lajos Shvoy, und der Pia- ristenprovinzial von Ungarn und frühere Universitätsprofessor, Sandor S i k. Die goldenen Priesterjubiläen von Erzbischof Grösz und Professor Sik sowie das „diamantene“ von Bischof Shovy wurden von Feierlichkeiten im kirchlichen Raum umgeben, bei denen auch die Vertreter des Staates in Erscheinung traten, indem sie in Gratulationsreden erklärten, die Jubilate hätten sich „Verdienste um die Verbesserung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche erworben“. Neben solchen höchst unverbindlichen Redewendungen ist allerdings bei diesen Feierlichkeiten nichts gesagt worden. was zur Erhellung der wirklichen Lage der Kirche in Ungarn wesentlich beigetragen hätte. Und es ist demnach auch nicht zu erwarten, daß sich in naher Zukunft etwas an dieser Lage ändern sollte. Trotzdem sind da und dort auch Worte gefallen, die des Aufzeichnens wert sind. Bei der Schilderung der persönlichen Verdienste der drei Jubilare wurden nämlich gewisse Hintergründe sichtbar, die nicht nur der Katholik des Auslandes, sondern auch die Jugend des Landes kaum kennt, die jedoch noch immer die Haltung der Kirche in Ungarn in manchem mitbestimmen.

„Ein kluger, praktisch denkender Mensch“

Die im heutigen Ungarn sonst nur ein Schattendasein führende Katholische Aktion hat zum Anlaß des 50jährigen Priesterjubiläums von Erz- bischoLĮįįsiĮĮe ĘgięjvgriyĮsaltet, deren'kwchlicher Teil am 20. Juli in der, udapeterUnįyęrsitatąkiręhę, einer der schönsten Barockkirchen der Stadt, vor großer Menschenmenge stattfand. Bei der darauf folgenden Feierstunde würdigte der Bischof von Csanäd, Msgr. Endre H a m v a s, die Verdienste des 74jährigen Erzbischofs, der vor 50 Jahren im Wiener Paz- maneum zum Priester geweiht wurde. Der Redner — ebenfalls ein früherer „Pazmanit“ — erinnerte daran, daß damals die Alumnen des Pazmaneums — eines durch den ungarischen Kardinal-Erzbischof Päzmäny im 17. Jahrhundert gegründeten Seminars für ungarische Theologiestudenten — durch den Wiener Volksmund nicht zu Unrecht als die „künftigen ungarischen Bischöfe“ genannt wurden.

Der aus dem heutigen Burgenland stammende Jozsef Grösz wurde in den folgenden Jahren und Jahrzehnten nach und nach in die höhere Administration der westungarischen Diözesen eingeweiht. Sein erster Vorgesetzer sagte von ihm. er habe ihn liebgewonnen, denn er sei ein. „kluger und praktisch denkender Mensch“. Mit kluger Umsicht und einem Schuß gesunden Pragmatismus habe Grösz dann auch die an ihn herankommenden Aufgaben gelöst. 1943 wurde er, der damals schon Bischof von Szombathely (Steinamanger) war, von Papst Pius XII. zum Erzbischof von Kalocsa ernannt. Zwei Jahre später, als der päpstliche Nuntius, Angelo R o 11 a, bei Kriegsende Lingam verlassen mußte, hat der, infolge des plötzlichen Todes von Kardinalprimas Ser ė di rangältester Bischof des Landes gewordene Erzbischof Grösz alle jene Vollmachten erhalten, die der Heilige Stuhl in solchen Fällen zu vergeben hat.

Zum zweitenmal übernahm Erzbischof Grösz die Leitung der Bischofskonferenz, als am 26. Dezember 1946 Kardinal Mindszenty eingekerkert wurde. Er konnte die Verschärfung des Kirchenkampfes, die Auflösung der Mehrzahl der Orden, die Einkerkerungen und Internierungen von Priestern und Laien nicht verhindern. Am 15. Mai 1951 wurde er selbst verhaftet, wegen „Verschwörung gegen die demokratische Staatsordnung“ mit einer Reihe von kirchlichen Personen zusammen unter Anklage gestellt und zu 15 Jahren Kerker verurteilt. Wie es damals der „Sitte“ entsprach, wurden er und seine Mitangeklagten von kommunistischen Rednern — darunter auch von dem später in anderem Zusammenhang bekannt gewordenen Imre Nagy — bei sogenannten „Protestversammlungen“ als „Mörderbande“ tituliert…

Es war derselbe Imre Nagy, der, als er 1953 im Zuge der „Schneeschmelze“ Ministerpräsident wurde, sowohl Kardinal Mindszenty als auch Erzbischof Grösz Hafterleichterungen gewährte. Nach dem Tod des Erzbischofs von Eger (Erlau), Msgr. Gyula C z a p i k, wurde Erzbischof Grösz freigelassen. Man zeigte ihm zuerst die sozialistische Stadt „Sztalinvaros“ und andere „Errungenschaften des Sozialismus“, dann ließ man ihn in seine Erzdiözese zurückkehren. Er übernahm die Führung des Bischofskollegiums zum drittenmal.

Erzbischof Grösz, der Mann, der „den Kampf nicht,„unn.Qjigy.eise sucht“, sondern für friedliche Lösungen eintritt, „ohne die Wahrheit und seine Prinzipien aufzugeben“, der den Gläubigen die Richtung weist und Entscheidungen trifft, „ohne dabei das Vertrauen des Heiligen Stuhls und des Staates zu verlieren“, wurde anläßlich seines Jubiläums denn auch vom Vertreter des Staates beglückwünscht. Der Vorsitzende des staatlichen Amtes für Kirchenfragen, Kä- roly O 11, sprach von der „positiven Entwicklung im Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Ungarn“, von „Verständnis und gegenseitiger Hochachtung“, die, seiner Darstellung nach, zu den besten Hoffnungen berechtigten … Der Erzbischof erwiderte, das Evangelium hindere niemanden, die Geheimnisse der Natur zu erforschen und ein besseres Leben für die Menschen zu verwirklichen: „Ich bin weder Physiker noch Chemiker, Mathematiker oder Techniker, sondern einfach der Diener Gottes und der Menschen. Ich will nicht die Welt oder das Weltall erobern, aber ich unterstütze jeden, der ein besseres Leben auf Erden anstrebt. Der Erlöser hat jedoch dem Versucher geantwortet: ,Der Mensch lebt nicht von Brot allein1".

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