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Grund zur Besorgnis

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Große Schwierigkeiten türmen sich vor der Wirtschaft der Welt auf und betreffen so gut wie jeden ihrer Sektoren. Ich möchte im folgenden gewisse Elemente einer umfassenden Analyse hervorheben, die meiner Auffassung nach im besonderen zur Besorgnis Anlaß geben.

• Vor allem einmal ist es nicht gelungen, in den erdölimportierenden Ländern eine Wachstumsrate der Wirtschaft zu sichern, die den Erfordernissen der Wirtschaftsentwicklung entsprochen hätte. Dieses Wachstum verringert sich durch die Rezession in der internationalen Marktwirtschaft und durch die zunehmende Welle des Protektionismus in diesen Staaten.

Die davon betroffenen Entwicklungsländer bekommen außerdem die negativen Auswirkungen einer Verschlechterung der Handelsbedingungen zu spüren, die wieder eine Folge der erhöhten Kosten ihrer Importe von Energie und Industrieerzeugnissen sind.

So wächst ihr Handelsbilanzdefizit immer steiler, während, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, die Fähigkeit zur Anpassung an destabilisierende äußere Faktoren begrenzt bleibt. In den kommenden Jahren ist daher der ganze Prozeß ihrer Entwicklung gefährdet.

• Zum zweiten ist unter solchen Umständen die Heimsuchung der Länder mit unterdurchschnittlichen Einkommensraten besonders alarmierend.

Viele von ihnen sehen sich jetzt schon mit einer Stagnation ihrer Erzeugung konfrontiert, was einen Rückgang ihrer Produktion pro Kopf der Bevölkerung bedeutet. Diese Länder sind daher auf einen Ressourcen-Transfer, der den Erfordernissen offizieller Entwicklungshilfe entspricht, angewiesen.

In diesem Zusammenhang möchteich mit Nachdruck hervorheben, wie ernst die Tatsache zu bewerten ist, daß das Durchschnittsniveau offizieller Entwicklungshilfe seit Jahren stagniert und noch immer weniger als die Hälfte der von der internationalen Staatengemeinschaft vor mehr als zehn Jahren vereinbarten Richtzahl ausmacht.

• Zum dritten sehen sich auch die erdölexportierenden Länder mit ernsten Schwierigkeiten konfrontiert. Ihre Bemühungen um Diversifizierung ihrer Wirtschaften und Schaffung der Voraussetzungen für eine selbständige Entwicklung stoßen wie im Fall anderer Entwicklungsländer auf die Schwierigkeit, Zugang zu den Märkten und den Technologien der entwickelten Industriestaaten zu finden.

Die prekäre Natur der ihnen verfügbaren finanziellen Mittel macht es für sie immer weniger vorteilhaft, die Erdölproduktion auf dem bisherigen oder gar auf einem erhöhten Niveau aufrechtzuerhalten, das ohnehin bereits höher liegt, als es den unmittelbaren Erfordernissen der Finanzierung der eigenen Entwicklung entspräche.

• Viertens ist das Wachstum der Staaten mit Planwirtschaft wegen der strukturellen Schwierigkeiten ihrer Wirtschaften und 1979 auch wegen der

Auswirkungen ungünstiger Klimafaktoren im Agrarbereich gleichfalls zurückgegangen.

Ihre Wirtschaftsleistung wird auch, insbesondere im Fall osteuropäischer Staaten, durch Zahlungsbilanzprobleme beeinflußt, die wieder mit der Verschlechterung ihrer Handelsbedingungen und dem Wachstumsrückgang in den industrialisierten Marktwirtschaften zusammenhängen.

• Fünftens befinden sich die Wirtschaften der entwickelten Länder derzeit im Würgegriff einer Rezession, die schwerer als ursprünglich angenommen zu sein scheint. Gleichzeitig hat sich die Spirale der Inflation, in den letzen Jahren schon hoch genug, neuerlich zu drehen begonnen.

Diese Situation, die zur Arbeitslosigkeit führt, leistet auch protektionisti-schen Tendenzen Vorschub.

• Sechstens vollzieht sich der Ubergang von einer Periode, in der öl die Hauptquelle billiger, im Uberfluß vorhandener Energie war, in eine Periode unterschiedlicher und kostspieliger Energiequellen unter schwierigen Bedingungen.

Bei der Energieersparnis ist in den entwickelten Ländern ein kleiner Fortschritt erzielt worden - aber ein geringerer, als er erzielbar gewesen wäre, hätte man sich zu einer energischeren Politik entschlossen.

Außerdem ist es zu keiner ins Gewicht fallenden Erhöhung von Investitionen zum Zweck der Entwicklung sowohl von herkömmlicher wie auch erneuerbarer Energiequellen gekommen.

Schließlich haben labile, prekäre Energiemärkte zu einem äußerst vorsichtigen Verhalten wie auch zu kostspieliger Spekulation auf Seiten aller Partner der Weltwirtschaft geführt.

In allen Entwürfen für eine internationale Entwicklungsstrategie scheinen daher gewisse Prioritäten für internationales Handeln auf.

Priorität Nummer eins ist eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums in den Entwicklungsländern. Extreme Armut, die Hunderte Millionen Menschen betrifft, ist so groß, daß die anzustrebenden globalen und sektoralen Wachstumsraten auch entsprechend groß sein müssen.

Um diese Ziele zu erreichen, werden auch auf Seiten der Entwicklungsländer selbst größere Anstrengungen notwendig sein, um ihre menschlichen, natürlichen und finanziellen Ressourcen durch eine entschlossene nationale Politik zu mobilisieren und die Beteiligung der gesamten Bevölkerung am Prozeß wie auch an den Ergebnissen der Entwicklung sicherzustellen.

Freilich müssen die Bemühungen der Entwicklungsländer und deren Zusammenarbeit untereinander durch die Unterstützung einer viel förderungsfreudigeren internationalen Umwelt ergänzt werden.

Die Neuordnung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, also die Errichtung einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung, sollte völlig zu Recht zu den Hauptzielen der neuen Strategie gehören. Um diese Ziele zu erreichen, werden schwierige, aber dessenungeachtet unerläßliche Reformen nötig sein.

(Auszug aus der international vielbeachteten Rede, die der UN-Generalsekretär zur Eröffnung der noch bis 25. Juli dauernden Genfer Tagung des UN-Wirtschafts- und Sozialrates hielt.)

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