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Kraftwerksdiskussion -rettungslos verfahren

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T~p^ einem Jahr wird das erste Kernkraftwerk fertig. Aber darüber, ob es in Betrieb genommen werden soll, wird vorerst sehr hitzig diskutiert. Die „Informationskampagne Kernenergie“ der Bundesregierung hatte kaum begonnen, da war sie auch schon (hast du nicht gesehn), zu einer Informationskampagne der Kraftwerk sgegner umfunktioniert.

Wo die Chance besteht, aus These und Antithese eine Sj;n-these zu entwickeln, hat so ein harter Aufeinamderprall gegensätzlicher Meinungen schon seine Meriten, In der Diskussion über das. Für und Wider der Kernkraft bestand diese Chance bisher leider noch nie. Jede Veranstaltung über dieses Thema wird nner-halb kürzester Zeit zur Konfrontation unversöhnlicher Standpunkte.

Hie die „Maoher“, denen man angesichts der Dummheit vieler Argumente gegen die Kernkraft verzeihen muß, daß sie über die ärgsten Ungereimtheiten nur noch lachen und sich denken: „Redet nur, entscheiden tun ohnehin wir.“ Auf der anderen Seite die Kernkraftgegner, die selbst der vorsichtigste Versuch, ihnen auch nur das geringste Zugeständnis zu entlocken, nur immer tiefer in ihre Extremposition treibt: Eine vernünftige Anwendung der Kernkraft kann es nicht geben und darf es nicht geben, Kernenergie ist des Teufels. Wie immer man ihn nennt.

Der Fanatismus der Kernkraftgegner, ihr absolutes und anscheinend unwiderrufliches Nein, hat jedes öffentliche sachliche Gespräch darüber, wie Kernkraft angewendet, noch vorhandene Sichertieitsrisken und Umweltbelastungen aber verringert werden könnten, unmöglich gemacht. Niemand, der die Anwendung der Kernenergie vorsichtig, zurückhaltend, mit Einschränkungen, aber im Prinzip eben doch befürwortet, kann es sich heute noch leisten, öffentlich auch nur die kleinste konkrete Andeutung über noch vorhandene Probleme der Kernkraftnutzung zu machen, ahne daß ihm sofort das bekannte vielstimmige „Da haben wir es ja“ entgegengebrüllt oder aber er dem Lager der Atomkraftgegner zugeschlagen würde.

Die Infoimationskampagne der Bundesregierung hat leider nicht zur Ent-, sondern zur Verschärfung beigetragen. Denn die Wortführer der Kernkraftgegner sind längst nicht mehr jene Spintisierer, die noch vor wenigen Jahren das Lager der Kraftwerksgegner anführten. Heute kann es dem Vernehmen nach durchaus vorkommen, daß etwa ein kompromißloser Kernkraftgegner nicht nur in einem wissenschaftlichen Institut tätig ist, sondern sich auch gleich als Verfasser eines offiziellen Fragenkataloges über das Für und Wider der Kernkraftnutzung betätigt, eines Fragenkatalogs, der dann auch danach aussieht. Heute ist es auch durchaus möglich, daß der Vorsitzende einer von den Kernkraftgegnern veranstalteten Pressekonferenz zwar einerseits einen unbequemen Frager als Mitarbeiter einer Elektrizitätsgesellschaft „entlarvt“, auf Befragen selbst aber ohne weiteres zugibt, daß sein Kampf gegen die Kernkraftwerke auch Vehikel einer Gesell-sclhaftspolitik ist.

Heute ist es so: Wer mit der österreichischen Energiewirtschaft zu tun hat und für die Kernkraft ist, wird nicht ernst-genomimen, weil er ja „an der Kernkraft verdient“. Wer aber gegen die Kernkraft ist, weil hier ein Reservoir verängstigter und fanatisierter Leute nach Führern giert, hat den Anspruch, absolut ernstgenommen zu werden.

Heute ist es so: Eine Frage, die objektiver Diskussion wahrlich bedürfte, ist der Regierung entglitten, wird aber von der Opposition gar nicht erst angepackt,denn wer dieses Thema aufgreift, ohne sieh sofort und bedingungslos auf die Seite der Kernkraftgegner zu stellen, hilft der Regierung beim Bergen ihrer heißen Kastanien und verbrennt sich daibei selbst die Finger.

Die Regierung aber, der es sicher ferne liegt, ein Kernkraftwerk zu bauen und dann nicht in Betrieb zu nehmen, sieht sich plötzlich einer äußerst wortgewaltigen Opposition aus den Reihen ihrer eigenen Linken gegenüber.

Neuester, hochinteressanter, aber unerfreulicher Stand: Die Debatte hat mit dem Pro und Kontra der Kernkraftwerke nichts mehr zu tun. Sie wurde zum Kristallisationskern einerseits einer innerparteilichen Opposition, die auf eine solche Chance wohl gewartet hat. Zum anderen aber wurde diese Diskussion zum Ausgangspunkt neuer gesellschaftspolitischer Konzepte.

Nichts gegen Sparkonzepte. Das Traurige an der Sache ist, daß viele gesellschaftspolitischen Vorstellungen der neuen Kraftwerksgegner gar nicht so dumm sind. Daß aber möglicherweise manche vernünftige Vorstellung von dieser Seite mit Kernkraft leichter verwirklicht werden könnte als ohne.

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