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Lokalaugenschein in Saudi-Arabien

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Vergangene Woche befand sich EDU-Chef Alois Mock auf einer Kontakt-Reise in Saudi-Arabien. ÖVP-Bundessprecher Herbert Vytiska begleitete ihn. Hier seine Eindrücke.

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Vergangene Woche befand sich EDU-Chef Alois Mock auf einer Kontakt-Reise in Saudi-Arabien. ÖVP-Bundessprecher Herbert Vytiska begleitete ihn. Hier seine Eindrücke.

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Saudi-Arabien erscheint dem Besucher heute als eines der politisch konsolidiertesten Länder in der arabischen Welt. Es ist eines der strenggläubigsten in der Welt des Islam. Es ist eines der technisch aufgeschlossensten Länder, die zwischen den Industriestaaten und der 3. Welt stehen. Es ist eines der trockensten und doch reichsten Länder auf dieser Erde.

Saudi-Arabien, ein Land der Gegensätze. Aber auch:

Ein Land im Aufbruch. Die ganze Dramatik dieses Aufbruchs zeigt sich in AI Jubail, einem Flek-ken Erde am persischen Golf. Noch in den siebziger Jahren war hier nichts anderes als Wüste, die fast nahtlos ins Meer überging. Und ein kleines Fischerdorf.

Seit drei Jahren wächst hier förmlich aus dem Wüstensand eine moderne Stadt und ein ganzes Industriezentrum. Die VOEST ist hier neben vielen anderen westlichen Firmen tätig. Sie errichtet um 4,2 Milliarden Schilling ein Kompaktstahlwerk, das Saudi-Arabien ab 1983 mit Stahl versorgen wird.

Auf der Nachbarbaustelle errichtet „Mannesmann" ein Stahlwalzwerk und in weiterer Nachbarschaft wird ein petrochemi-sches Werk mit westlichem Know-how gebaut. Jenseits dieses Industriekomplexes wächst eine neue Stadt aus dem Boden; auf dem Reißbrett von Amerikanern geplant.

Die Bewohner werden hier modernste Häuser mit allen nur erdenklichen infrastrukturellen Einrichtungen vorfinden, vom Kindergarten bis zum Spital. Und auch für die Wasserversorgung hat man gesorgt.

Das Wasser wird aus dem Meer gewonnen und in einem mühsamen technologischen Prozeß entsalzen und trinkbar gemacht. Fazit: Ein Liter Wasser kostet zehn Schilling.

Das Geld für alle diese Projekte sprudelt nicht weit von AI Jubail ohne Unterlaß aus dem Boden: öl. Ein Liter Benzin kostet in Saudi-Arabien bei den Zapfsäulen neunzig Groschen.

Die Saudis freilich kennen die Grenzen ihres Reichtums. Sie sind sich bewußt, daß das öl nicht ewig aus der Erde fließen wird. Daher ist man schon heute bemüht, vorzusorgen.

Zum einen versucht man sich durch die Industrialisierung des Landes etwas unabhängiger zu machen. Das reicht von der Schwerindustrie bis hin zur agrarischen Aufschließung des Wüstenbodens. Zum zweiten sucht man im Boden nicht nur nach neuen Ölquellen, sondern vor allem nach Mineralien und

Erzen und hat dabei bereits Erfolge zu verzeichnen.

Zum dritten ist man überzeugt, daß es eigentlich schade ist, das wertvolle öl nur der Verbrennung und damit der Energiegewinnung zuzuführen. Saudi-Arabien mit mehr als 300 Sonnentagen gesegnet, beginnt daher der Energieproduktion über sogenannte Sonnenkraftwerke verstärktes Augenmerk zuzuwenden.

Trotz der unzähligen Investitionen im ganzen Land gehört der saudische Finanzminister wohl zu den glücklichsten der Welt. Er hat soviel Einnahmen, daß er bis zu 40 Milliarden Schilling im Monat im Budget nicht unterbringen kann...

Wer freilich glaubt, für westliche Geschäftemacher liege in Saudi-Arabien das Geld nur so auf der Straße, der irrt. Wer mit der Regierung in Riad ins Geschäft kommen will, braucht erstens viel Geduld. Und zweitens muß der Preis, muß die Qualität des Produkts und muß das Management bei der Durchführung stimmen. Wobei unter den erfolgreichen Managern allgemeiner Tenor ist, daß meistens der erste Auftrag kein Geschäft ist. Erst die Folgeaufträge rentieren sich.

Ohne Zweifel ist Saudi-Arabien auch für die österreichische Wirtschaft ein Hoffnungsgebiet. Stutzig macht einem da nur die Statistik: Die Schweiz exportiert nach Saudi-Arabien jährlich Waren im Wert von neun Milliarden Schilling. Österreich nur im Wert von zwei Milliarden ...

Die Gegensätze, Wüste auf der einen, pulsierende Städte auf der anderen Seite, modernste Technologie, die das Land erschließt, und alte Tradition mit schwarz verschleierten Frauen, und Männern, die noch immer an ihrem jahrhundertealten weißen Gewand festhalten, schaffen eine Spannung, die derzeit wohl nur das strenge islamische Ritual überbrückt.

Anders ist es nicht denkbar, daß die vielen jungen Saudis, die für fünf, sechs Jahre in den Westen studieren gehen, dort mit westlicher Kultur leben, sich nach ihrer Heimkehr so friktionslos wieder in ihre Familie mit dem traditionellen Zeremoniell eingliedern.

Ein Österreicher, der seit 16 Jahren in dieser Welt lebt, meinte allerdings, dies ginge heute nur deshalb so problemlos, weil im Lande genug Geld sei, um die Heimkehrer aus der westlichen Zivilisation finanziell bestens zu versorgen.

Kritisch könnte es werden, wenn dies einmal nicht mehr möglich ist, wenn es einen breiten intellektuellen Mittelstand gibt, wenn sich die Frauen — die mittlerweile in einem wachsenden Ausmaß zum Studium drängen -mit ihrer verschleierten Rolle nicht mehr zufrieden geben.

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