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Marginalien über den Sinn des Lebens

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Beinahe erscheint es mir vermessen, über den Sinn des Lebens meine Bemerkungen zu machen. Denn: Es gibt keine Antwort darauf, die zu jedem Menschen paßt, die Antwort nach dem Sinn des Lebens läßt sich nicht verallgemeinern.

Aber: Keiner von uns kommt um den Versuch der Beantwortung der Frage nach dem Sinn seines Lebens herum. Schon die Kinder fragen: „Wozu bin ich da?“ und Gnade den Erwachsenen, die dann keine Antwort wissen. Später allerdings gelingt es uns meist, diese Frage erfolgreich zu verdrängen. Da wird die Frage Ehrgeiz: Wieviel muß ich arbeiten, um mein berufliches Ziel zu erreichen? Wie erhalte ich meine Familie standesgemäß? Wie kann ich besser sein als die anderen, wie muß ich auch besser sein, um von einem Kollegen nicht überflügelt zu werden? Die ehrliche, unschuldige, unbelastete, neugierige Frage der Kinder haben wir schon vergessen, weggeschoben. Dennoch trifft es uns irgendwann einmal - die große Frage, der wir uns als denkende, fühlende und Christus verbundene Menschen stellen müssen: Wozu lebe ich?

Die Beantwortung dieser existentiellen Frage wird leichter, wenn wir uns - und vielleicht sogar einander -etwas bewußt machen: um Sinn zu finden, muß erst einmal ein Wille zum Sinn vorhanden sein. Dieser Wille zum Sinn, zum Sinn des eigenen, einmaligen Lebens, ohne Beschönigung, ohne Alltagstheater: der muß da sein; die Sehnsucht nach der Quelle des Lebens. Viktor Frankl, der Begründer der Logotherapie, zitiert Maslow, der den Willen zum Sinn sogar als „primäre Motivation des Menschen“ bezeichnet. Alles Äußerliche - Karriere, Auto, Ferienhaus, was immer, wird so zweitrangig, wenn es gilt, diese „primäre Motivation“ lebendig zu machen.

Prof. Frankl spricht in seinem Buch „Der Mensch auf der Suche nach dem Sinn“ über die Selbsttranszendenz menschlicher Existenz. Er sagt: „Was ich damit umschreiben will, ist die Tatsache, daß Menschsein allemal über sich selbst hinausweist auf etwas, das nicht wieder es selbst ist, und auf etwas, oder auf jemanden: auf einen Sinn, den es zu erfüllen gilt oder auf anderes menschliches Sein, dem wir da hebend begegnen. Im Dienst an einer Sache oder in der Liebe zu einer Person erfüllt der Mensch sich selbst. Je mehr er aufgeht in seiner Aufgabe, je mehr er hingegeben ist an seinen Partner, um so mehr ist er Mensch, um so mehr wird er er selbst. Sich selbst verwirklichen kann er also eigentlich nur in dem Maße, in dem er sich selbst vergißt, indem er sich selbst übersieht.“

In dieser Art der Betrachtung spricht Prof. Frankl einen Teil unseres christlichen Lebensprogramms aus: Selbstwerdung, Sinnfindung in der Liebe zum Nächsten. An uns Christen ist aber auch noch der Anspruch gestellt, Gott zu lieben. Einen Gott zu lieben, der uns Vater ist, der uns Geborgenheit und Sicherheit schenkt; der aber auch ein strenger und gerechter Vater ist, den wir manchmal nicht verstehen können.

In Tagen der Verzweiflung, der Trauer und der Krankheit fällt es Christen genauso schwer, den Sinn des Lebens zu erfassen wie einem, der nicht gläubig ist. Und doch: Im bewußten Leben'nach dem Evangelium, in der jeden Tag neu begonnenen Nachfolge Christi, haben wir schon ein entschiedenes Ja zum Sinn des Lebens gesagt. In unseren Versuchen, so gering und unscheinbar und erfolglos sie ' auch scheinen mögen, Gottes Liebe weiterzugeben, liegt die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens. Leben ist Sinn, und keiner von uns Menschen maße sich an, über ein menschliches Leben zu urteilen oder auch nur zu werten. Unsere Wertmaßstäbe sind nicht die Maßstäbe Gottes. Leben ist Sinn, denn jedes menschliche Dasein ist von Gott gewolltes, durch Christus bezeugtes und vom Geist getragenes Leben.

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