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REGIONEN WERDEN PARTNER IN BRÜSSEL

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Laut Umfrage wächst die Skepsis der Österreicher gegenüber einem EG-Beitritt. Die Gründe für die Ablehnung lassen sich in einer Handvoll von Schlagworten zusammenfassen: Landwirtschaft, Transit, Ausverkauf, Umwelt und Ausländerproblem. Doch diese Ablehnung besteht nicht in einer rationalen Abwägung von Vor-und Nachteilen, sondern in Angst. Die Furcht liegt darin, daß die EG für die meisten Bürger etwas Unbekanntes und Unbestimmtes ist. Und diese abstrakte EG äußert sich dann für die meisten eben nur anhand von konkreten, leicht verständlichen Nachteilen.

Doch je näher der Zeitpunkt einer Volksabstimmung rückt, desto größer wird der Wunsch nach objektiver, unparteiischer Information. Diesem Wunsch zu entsprechen, über Chancen, Vorteile aber auch über Probleme bei einem EG-Beitritt aufzuklären, soll eine meiner Hauptaufgaben als im September in Oberösterreich eingesetzten Europabeauftragten sein.

Dabei genügt nicht, die oberösterreichische Bevölkerung mit „EG-Informations-Broschüren" zu überschütten, denn die werden meist nur gelesen, wenn bereits Interesse besteht, nicht aber, wenn erst Interesse geweckt werden soll, oder mit verschiedenen Vortragenden „EG-Infor-mationsveranstaltungen" abzuhalten.

Was nötig ist, sind nicht (nur) diverse, für die Bevölkerung oft anonyme und unbekannte Vortragende, sondern eine ganz bestimmte Person, die von den Bürgern als Ansprechpartner für Europafragen identifiziert werden kann, die jederzeit angerufen werden kann und die das Land direkt mit Brüssel verbindet. Die Ängste vor einem ausufernden Zentralismus, einer Ohnmacht des einzelnen und einer Gleichschaltung der Regionen zu einem Einheitsbrei, können nur dadurch verringert werden, daß das einzelne Bundesland durch den Europabeauftragten auch in Brüssel präsent ist, und diese Informationen rasch und unbürokratisch besorgt und Anliegen - beispielsweise zur Teilnahme an Forschungs- und Bildungsprojekten der EG - weitergibt. Jemand, der auch die Verantwortung für die Beantwortung der Anfragen übernimmt, ansonsten besteht die Gefahr, daß diese im fortwährenden Weiterleiten von einer unzuständigen Person zur nächsten am Ende irgendwo untergehen.

Die Aufgabe, Brüssel näher an Oberösterreich zu bringen, soll durch eine forcierte Mitarbeit Oberösterreichs an EG-Projekten und Kooperationen und durch eine Aufbereitung des jeweils relevanten EG-Programms für die dadurch betroffenen Zielgruppen erfolgen. So sollen beispielsweise Schüler und Lehrer auch über notwendige Änderungen des Schulsystems bei einem Beitritt, über die Schul- und Jugendpolitik der EG und über diesbezügliche zukünftige EG-Entwicklungen informiert werden. Wenn die Oberösterreicher wahrscheinlich 1994 abstimmen, sollen sie ganz genau wissen, für welche Zukunft als Student, Konsument, Pensionist oder Frau sie sich entscheiden. Und sie sollen erfahren haben, wie die Verbindung von Oberösterreich zu den EG-Organen funktioniert und wie gut oder schlecht eine Mitwirkung an den EG-Entschei-dungsprozessen nach einem Beitritt abzuschätzen ist.

Eine weitere Funktion des Europabeauftragten fürOberösterreich liegt in einem Bekenntnis des Landes Oberösterreich zu den Prinzipien des Föderalismus und der Subsidiarität in einem Europa der Regionen. Der Regionalismus ist der Bewahrer insbesondere der kulturellen Individualität Europas angesichts eines sich politisch und wirtschaftlich formierenden supranationalen Gebildes EG.

In einem Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Mitwirkung der Regionen und kommunalen Körperschaften am europäischen Aufbauwerk zu ermöglichen. Darin heißt es unter anderem, „daß in der Erwägung, daß die Regionen und kommunalen Körperschaften einen besonders geeigneten Rahmen für die Mitwirkung der Bürger bilden und daß diese Mitwirkung einen der Eckpfeiler der demokratischen Ordnung darstellt, daß die Vielfalt der Regionen der Gemeinschaft, insbesondere der historisch und kulturell gepflegten, zu den Reichtümern Europas zählt und deshalb bewahrt und gestärkt werden muß, daß die Regionen und kommunalen Körperschaften der Gemeinschaft dem europäischen Aufbauwerk wachsendes Interesse entgegenbringen und wiederholt ihren Willen bekundet haben, aus ihrer spezifischen Eigenart heraus daran mitzuwirken, das Europäische Parlament die Schaffung eines Ausschusses der Regionen befürwortet. Weiters fordert das Parlament die Kommission auf, „Aufgaben im Bereich der Umsetzung und der Anwendung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften an die Regionen zu delegieren und daß diese Möglichkeit in der künftigen Verfassung der Europäischen Union vorgesehen wird". Schließlich soll der zu schaffende Ausschuß der Regionen bei Verletzung des Grundsatzes der Subsidiarität ein Klagerecht beim Gerichtshof erhalten. Gerade diese Forderungen zur Gestaltung einer zukünftigen politischen Union wird von Oberösterreich begrüßt. Oberösterreich will durch den Europabeauftragten schon jetzt sein Interesse an einem Platz im geplanten Beirat der Regionen bekunden.

Die Identität des Landes Oberösterreich und seine regionale Eigenständigkeit müssen besonders jetzt bei den im Rahmen eines Beitritts anfallenden Änderungen eingefordert werden. Denn nicht wenige Kompetenzen der Länder im Bereich der Gesetzgebung und Verwaltung wandern bei einem Beitritt nach Brüssel ab. Darauf müssen sich die Länder natürlich rechtzeitig vorbereiten, in Oberösterreich beispielsweise durch eine Änderung des Grundverkehrsrechts. Daneben werden die EG-Bestimmungen zum öffentlichen Auftragswesen und zur Förderung die Länderinteressen stark berühren. Schließlich wird aber auch der Erfolg von EG-Beschlüssen von ihrer Durchführung im regionalen Bereich abhängig sein. Daher müssen sich die Landesstellen in Vorbereitung auf den Beitritt das Wissen um das Gemeinschaftsrecht und seine Anwendung in ihrem Bereich aneignen.

Alle diese Eingriffe in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder durch die EG bedürfen natürlich einer Interessenvertretung der Länder in Brüssel, die bei allen geplanten Aktionen der EG die Landesinteressen rechtzeitig einbringt, sie bedürfen aber auch in Österreich eines Partners gegenüber dem Bund, der den Beitritt als Herausforderung für Wiederbelebung des Föderalismus in Österreich sieht und seinen diesbezüglichen Verhandlungsspielraum mit dem Bund genau auszuloten weiß.

Auch in bezug darauf, daß die Regionalpolitik der EG, insbesondere ihre Programme zur regionalen Entwicklung und Verringerung der regionalen Disparitäten, deren wichtigste Nutznießer die Regionen sind, in Zukunft an Wichtigkeit zunehmen wird, sind die EG-Organe an Informationen über die wirtschaftliche Lage der Regionen interessiert. Die Programme des EG-Strukturfonds zur Bekämpfung von Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit, zur Förderung von Projekten in ländlichen Gebieten und zur Modernisierung der 'Strukturen im Bereich der Landwirtschaft bedürfen des lokalen Know-hows sowie des Einsatzes der Regionalbehörden, um eine effektive Verwendung der EG-Finanzmittel zu gewährleisten.

All das sind jedoch noch Zukunftspläne, die natürlich von einer Zustimmung der Bevölkerung zu einem EG-Beitritt abhängen.

Die Autorin ist Oberösterreichs EG-Beauftragte in Brüssel.

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