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Schlag auf Schlag

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Sonja S. (*) hat Glück gehabt. Sie liegt mit Rippenbrüchen und Blutergüssen im Spital. SiÄ kann wenigstens beweisen, daß sie sich gegen die Vergewaltigung gewehrt hat.

Heiß umstritten sind der”zeit die Paragraphen 201 bis 204 des Strafgesetzbuches, die sich mit Notzucht und Nötigung zum Beischlaf beziehungsweise zu anderen sexuellen Handlungen befassen. SPÖ-Justizsprecher Josef Rieder und Staatssekretärin Johanna Dohnal stießen durch ihren Gesetzesentwurf zur Novellierung der oben genannten Strafbestimmungen, der im Herbst ins ' Parlament kommt, bei Justizminister Egmont Foregger auf heftige Kritik.

Zunächst, einmal soll die jetzt gültige Uberschrift zu den Paragraphen von „Strafbare Handlungen gegen die Sittlichkeit” in „Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Freiheit der Person” umgewandelt werden. Das würde das Recht des Individuums stärken.

Zankapfel ist jedoch in erster Linie die Frage, ob man Notzucht — wie bisher — nur für den außerehelichen Bereich, oder auch für die eheliche Lebensgemeinschaft gelten läßt. Denn bis jetzt konnten Ehemänner nur wegen Nötigung und nur bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt werden, während bei einer Vergewaltigung der Strafrahmen bis zu zehn Jahren reicht.

„Ich glaube nicht, daß mit Strafen das Übel an der Wurzel gepackt wird”, wehrt sich Johanna Dohnal gegen den Vorwurf, unbedingt eine Strafverschärfung zu wollen, „aber auch wenn die Frau verheiratet ist, ist sie kein Eigentum des Ehemannes, über das er verfügen kann, wann immer er will”.

Josef Rieder geht es ebenfalls mehr um eine „Signalwirkung”. Er hat dabei die Unterstützung der Frauenvertreterinnen aller Lager. Ein besonderer Dorn im Auge des Justizministers ist der Wegfall des Tatbestandsmerkmals der Widerstandsunfähigkeit. Das heißt, daß die Frau erst beweisen muß, daß sie sich nicht mehr wehren konnte. Josef Rieder kann sich durchaus „Beweise nach äußeren Merkmalen” vorstellen, da es sich doch um eine „schwere Mißhandlung” dreht.

Die Scheidungsanwälte sehen sich bei einer diesbezüglichen Gesetzesänderung von einer Prozeßlawine bedroht, da Frauen durch Anzeige einer Vergewaltigung

Wie brisant die Frage der Vergewaltigung in der Ehe ist, zeigt eine Umfrage in der Bundesrepublik, nach der jede fünfte verheiratete Frau von ihrem Ehemann schon einmal zum Beischlaf gezwungen wurde.

Die Justiz-Realität sieht jedoch anders aus. Offiziell scheinen keine Zahlen über vergewaltigte Ehefrauen in Osterreich auf. „Viele der Frauen, die bei uns Zuflucht suchen, sind mißhandelt und von ihren Ehemännern vergewaltigt worden”, schildert eine Mitarbeiterin im Wiener Frauenhaus, „aber ich kann mich an keinen Fall erinnern, wo sie eine Anzeige deswegen erstattet hätten.”

Vielfach liegt der Grund darin, daß die Opfer Angst haben, sich genieren, oder sich den Canossa-Gang vor den Kadi ersparen wollen. Deshalb sieht der Gesetzesentwurf eine Verfahrensänderung vor: Das Opfer soll schon bei der Einvernahme von einer Vertrauensperson begleitet werden dürfen. Die Öffentlichkeit soll auf Wunsch des Opfers ausgeschlossen werden, und es soll ein Recht auf Aussageverweigerung bei einzelnen Fragen, etwa das sexuelle Vorleben betreffend, eingeräumt bekommen.

Im Justizministerium befürchtet man hingegen, daß durch eine Deliktgleichstellung von ehelicher und außerehelicher Tat eine Abwertung der Notzucht im jetzigen Sinne entsteht.

Johanna Dohnal glaubt hinter der abwehrenden Phalanx Angst zu sehen: „Die Leute wehren sich so dagegen, weil die Frage an den Nerv des Patriarchats geht.” Aber ein Gesetz allein genügt nicht, sondern es kommt auf die Art der Handhabung an:

Martha R. (*) mußte sich in einem Scheidungsprozeß vom Richter vorwerfen lassen, sie habe dem stundenlangen Gefesselt-Liegen auf dem Bett zugesprochen, weil sie sich nicht gewehrt habe. Martha R.s Ehemann ist wegen Gattenmißhandlung vorbestraft. In seinen weiteren Ausführungen bezeichnete der Richter diese Mißhandlungen zynischerweise als „Auffassungsunterschiede in der Gestaltung des Sexuallebens”.

Vielfach entsteht der falsche Eindruck, daß der perverse Triebtäter, der im Park mit dem Knüppel wartet, der Regelfall ist. Laut Institut für Kriminalsoziologie kennen 66 Prozent der Opfer den Vergewaltiger. In 56 Prozent der Fälle ereignet sich die Tat in der Wohnung des Opfers oder Täters. Mit ein Grund, weshalb die Dunkelziffer rund zehnmal so hoch liegt wie die jährlich rund 400 angezeigten Notzuchtverbrechen.

Noch immer gilt eine Vergewaltigung im Bekanntenkreis als Kavaliersdelikt, und über 60 Prozent der Frauen, die sich in eines der Frauenhäuser geflüchtet haben, kehren zu ihrem Mann zurück.

Um eine Anzeige zu erleichtern, steht schon jetzt eine Kriminalbeamtin zur Verfügung. Durch eine Strafgesetzesreform soll „ein wirksamer Schutz für das Opfer erreicht werden”, so Josef Rieder.

Zum Argument, daß der Staatsanwalt nicht unter das Ehebett gehört, meint Johanna Dohnal, „daß das Strafrecht nicht vor den Schlafzimmern Halt machen darf. Andere Delikte, die in die Intimsphäre greifen, werden auch geahndet ...”

Noch immer wird dem Opfer der Vorwurf gemacht, es ohnehin gewollt zu haben, nach dem Motto: Wenn eine Frau nein sagt, dann meint sie ja. Robert G. (*), Chefredakteur einer Prostituiertenzeitschrift, wird da schon konkreter: „Es gibt kein besseres, das heißt effektiveres Mittel, eine Frau zu demütigen, als sie zu vergewaltigen. Man bricht sie hiermit nicht nur physisch, sondern zerstört auch ihr Selbstbewußtsein als Frau. Sie wird zum Objekt, das man benützt und wie ein Papiertaschentuch beschmutzt liegenläßt.”

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