Femizide: Vernetzung und Geld statt Opfer-Täter-Umkehr
Gewalt gegen Frauen kommt überall vor. Aber Migrantinnen haben weniger Chancen, sich aus einer Gewaltbeziehung zu befreien. Umso nötiger wären Nachbarschaftsprojekte. Ein Gastkommentar.
Gewalt gegen Frauen kommt überall vor. Aber Migrantinnen haben weniger Chancen, sich aus einer Gewaltbeziehung zu befreien. Umso nötiger wären Nachbarschaftsprojekte. Ein Gastkommentar.
Häusliche Gewalt ist kein neues, aber immer noch ein sehr unsichtbares Problem. Sie kommt in allen sozialen Schichten, Communities und Religionen vor. Und das Ausmaß dieser Gewalt ist in Österreich – trotz guter Gesetzesmaßnahmen und zahlreicher Opferschutzeinrichtungen – erschreckend hoch: Jede fünfte Frau erlebt ab ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt, meist durch den (Ex-)Partner oder Familienmitglieder. Jedes Jahr müssen mehr als 3000 Frauen und Kinder in Österreich vor ihren Misshandlern in eines der Frauenhäuser flüchten.
Österreich war lange Zeit europäisches Vorbild im Gewalt- und Opferschutz, aber das hat sich leider geändert. Im Vergleich mit anderen EU-Ländern werden hierzulande mehr Frauen als Männer im sozialen Nahraum ermordet. Schwere Gewalt und Morde an Frauen nehmen stetig zu, sie haben sich seit 2014 mehr als verdoppelt. 2018 gab es einen Höchststand von 41 Frauenmorden, 2020 waren es 31 Femizide. Dieses Jahr wurden bereits 21 Frauen von Männerhand ermordet und 37 Frauen waren einem Mordversuch ausgesetzt und wurden schwer verletzt. Teils vor den Augen ihrer Kinder.
Schmerzhafte Demütigung
Tötungsdelikte durch den eigenen Partner passieren freilich nicht aus heiterem Himmel, meist gibt es zahlreiche Warnsignale. Diese werden jedoch von Polizei und Justiz nicht erkannt und ernst genommen, obwohl sich viele Frauen Hilfe holen oder Anzeigen erstatten. Acht von zehn Anzeigen bei häuslicher Gewalt werden von der Staatsanwaltschaft eingestellt – häufig mit Begründungen wie „die Suppe ist zu dünn“, „die Beweise sind nicht ausreichend“ oder weil „Aussage gegen Aussage“ steht. Umfassende Gefährlichkeitsprognosen fehlen – eine schmerzhafte Demütigung für gewaltbetroffene Frauen. Auch die Verurteilungsrate ist sehr gering: Nur zwölf Prozent der angezeigten Gefährder werden verurteilt. Viele werden freigesprochen und nur wenige kommen überhaupt in U-Haft. Immer mehr Frauen bringen zwar den Mut auf, Anzeige gegen ihre Misshandler zu erstatten: Für die Gewaltausübenden bleibt das aber oft ohne Konsequenz.
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