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Verarmt die Kunst ohne die Kirche?
Bei der Studientagung „Kultur und Glaube", mit der die Diözese Graz vom 4. bis 6. März den Katholikentag vorbereitet, ist Günter Rombold einer der Hauptreferenten.
Bei der Studientagung „Kultur und Glaube", mit der die Diözese Graz vom 4. bis 6. März den Katholikentag vorbereitet, ist Günter Rombold einer der Hauptreferenten.
Ich möchte anknüpfen bei der Rede des gegenwärtigen Papstes in München im Dezember 1980, die einiges Aufsehen erregt hat und die auch dieser Diskussion das Thema gegeben hat: „Die Kirche braucht die Kunst, braucht die Kunst die Kirche?" Diese Rede hat großes Aufsehen erregt, weil man sagen muß, daß bislang im 20. Jahrhundert noch nie ein Papst sich so positiv zur Problematik der Kunst, auch der modernen Kunst, geäußert hat.
Der Papst lädt zum Dialog ein, der spricht von einer grundsätzlich neuen Beziehung von Kirche und Welt, von Kirche und moderner Kultur und damit auch von Kirche und Kunst, die durch das 2. Vatikanische Konzil geschaffen wurde - und zwar eine Beziehung zwischen gleichberechtigten Partnern. Die Kunst ist nicht eine ancilla, eine Magd der Theologie und der Kirche. Sie hat auch nicht nur die Aufgabe, sozusagen katechetisch zu verdeutlichen, was die Kirche lehrt - das ist eine arge Herabsetzung der Kunst, wenn man sie nur so sieht —, sondern sie hat ihre eigene Aufgabe. Die Welt ist eine eigenständige Wirklichkeit.
Was Kirche und Kunst verbinden kann, so sagt der Papst, ist ein gemeinsames Thema, nämlich der Mensch, das Bild vom Menschen, die Wahrheit vom Menschen, das „ecce homo", wozu seine Geschichte, seine Welt und Umwelt gehören. Dazu gehört die ganze Wirklichkeit, und der Papst sagt: „Nicht nur das Positive, nicht nur das Schöne hat hier Platz, sondern die unverkürzte Wirklichkeit, auch die Realität des Bösen hat ihr Recht, und dagegen hat die Kirche nichts einzuwenden. Allerdings", sagt er, „die innere Logik der Kunst will, daß das Furchtbare als furchtbar aufgezeigt wird, daß die Kunst erschüttert. Sie zielt also nicht darauf, daß es beim Bösen bleibt, vielmehr darauf, daß es nicht schlimmer, sondern anders, besser wird".
Daraus zieht der Papst den Schluß, daß die Kirche die Kunst braucht, sie braucht sie zur Vermittlung ihrer Botschaft. Nun stellt er die Frage, ob auch die Kunst die Kirche brauche. „Wenn die Verbindung von Religion, von Kirche und Kunst zu eng ist, vor allem im Blick auf den Menschen, dann ist die Frage erlaubt: verarmt nicht die Kunst, bringt sie sich nicht um’>entscheidende Gehalte, um Motive, wenn sie auf die Wirklichkeit verzichtet, die durch die Kirche repräsentiert wird."
Hier beginnen allerdings die Probleme: Emil Steffann, der richtungsweisende Kirchen-bauarchitekt, über den wir in diesen Tagen noch sprechen werden, hat einmal gesagt: „Die Kirche ist die schöpferische Tat Gottes, zugleich für uns Menschen Aufgabe." Es hängt also auch von uns ab, ob die Kirche die göttliche Wirklichkeit glaubwürdig repräsentiert. Offenbar ist das nicht immer der Fall gewesen. Offenbar haben viele Menschen das nicht erkannt und erkennen es viele heute auch noch nicht. Überdies erhebt sich die zweite Frage, ob die göttliche Wirklichkeit nur von der Kirche repräsentiert wird. Offenbar nicht. Nur so läßt sich erklären, daß es viele bedeutende Künstler des 20. Jahrhunderts gibt, deren Werk transzendiert oder, anders ausgedrückt, zeichenhaft auf die göttliche Wirklichkeit verweist, ja sogar auf Christus hinweist, ohne daß sie in Verbindung mit der Kirche gestanden wären oder gar von ihr einen Auftrag erhalten hätten.
Mir scheint, daß sich hier Wandlungen anbahnen: Und zwar auf der Seite der Kunst und auf der Seite! der Kirche. Auf Seiten der Kunst möchte ich nur darauf hinweisen, daß man etwa in der Literatur von einer „neuen Innerlichkeit" spricht, etwas Ahnliches läßt sich in der bildenden Kunst zeigen, ein neues Anknüpfen etwa beim Expressionismus in Deutschland, in Österreich.
Auf Seiten der Kirche scheint mir auch ein neuer Wind zu wehen: das zeigt die Ansprache des Papstes, die zeigt, daß er ganz genau die Diskussionen, die hier stattgefunden haben, gekannt hat und sich darauf bezieht. Mir scheint, daß hier neue Maßstäbe gesetzt sind, daß man bewußt versucht, aus dem Ghetto auszubrechen. Und mir scheint, daß hier eine Herausforderung, eine Provokation da ist, der wir uns zu stellen haben.
Auszug aus einem Referat, das der Autor, Chefredakteur der Zeitschrift „Kunst und Kirche" und Professor für Philosophie und Kunst in Linz, am 16. April 1982 in Salzburg hielt
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