6573836-1950_33_06.jpg
Digital In Arbeit

Kirche und moderne Kunst

Werbung
Werbung
Werbung

Die Kirche hat nicht den Auftrag, das Kulturleben zu beackern, aber nichts bleibt ohne Segnung, nichts kann unchristlich sein mit Ausnahme der Sünde. Alle Werke Gottes werden durch den Menschen hindurch gewirkt im Raum der Weltlichkeit. Die Kirche hat gegenüber dem Natürlichen den Auftrag der Beurteilung, im Sektor der Kunst wie im sozialen Leben. Sie lehrt nicht nur abstrakt, was recht und was unrecht ist. Sie kann auch in concreto mit ihrer Gabe der Prophetie ihr Urteil zur Sache in der bestimmten Situation hic et nunc fällen. Darum ist auch das Phänomen der Kunst nicht nur ihren moralischen Gesetzen unterworfen, sondern ihrer konkreten Stellungnahme. Sie heißt nicht irgendeine zeitgebundene Kunstform und Richtung gut, sie kann sich in alles einleben, sie steht allem kritisch gegenüber. Es gibt nichts Weltliclies, das nicht unter das Kreuz müßte. Die christliche Kunst ist etwas sehr Weiträumiges. Die Kirche ist ein Anwalt des Menschen, wenn sie der Kunst wohlwollend gegenübertritt.

Die Kirche selbst braucht und gebraucht die Kunst als Offenbarung des Spirituellen, als Symbolisierung der Apokalypse, andererseits als Verhüllung, Wahrung der Arkandisziplin. Sohn als Abglanz ist Sohn als Ikone des Geistes, künstlerische Ikone wieder Abglanz des Sohnes, Licht vom Licht. Es gibt eine urtümliche Verbindung zwischen Kirche und Kunst, ebenso wie zwischen Philosophie und Religion. Solange der Kult bleibt, wird auch die Kunst bleiben. Solange das Wort gilt: Macht euch die Erde Untertan, so lange wird auch im Rahmen des Kultischen und Religiösen die Kunst ihren Ort haben.

Aus einem Vortraq 'auf den Salzburger Hochschul wichen; freie Wiedergabe durch Ruth Medger.

Welches sind die Kriterien wahrer Kunst? Die Kunst ist zunächst menschliche Kunst. Unser Maß und Maßstab ist die Menscbhchkeit des Gottmenschen. Was deduzieren wir aus diesem Maßstab? Frömmigkeit und Spiritualität sind Kennzeichen einer christlich inspirierten Kunst, es ist freilich schwer, spezifisch Christliches aus der Kunst abzulesen. Sofern das Menschliche aus den Eingeweiden interpretiert wird, sofern das Menschliche in mechanische maschinelle Bestandteile zerlegt wird, ist ohne Zweifel nicht von christlicher Kunst die Rede.

Wir sagen, die wahre Kunst hat Ehrfurcht vor der Faktizität der Schöpfung. Die abstrakte Kunst ist schon nicht mehr auf der Basis der gesdiöpften Schöpfung, sie ist eigene, willkürliche Schöpfung. Wahre Kunst wird immer Deutung, Verweisung sein. Denn das Wesentliche der Kunst ist nicht Abbildung, im Sinne des Klischierens, sondern Deutung, die den Kern zur Transparenz bringen soll. Wahre Kunst soll vom Gegenstand aussagen, was Gott darüber gedacht hat, am ersten Schöpfungstag.

Diese Kunst wird von ungeheurem Ernst sein. Sie hat nichts Verhübschen-des, nichts Spielerisches. Diese Kunst ist Entscheidung, sie hat mit dem Leben zu fun, mit der Größe des Entweder-Oder. (Hinsichtlich des Ernstes könnten wir manchmal von den Kommunisten lernen!)

Auf der anderen Seite ist wahre Kunst geistige Kunst. Zwei Dinge sind Kennzeichen der spirituellen Kunst: die Erhabenheit, der Wiederglanz des Heiligen. — Wahre Kunst ist sinnhaft, nicht nur formal, sondern auch dem Inhalt nach. Die Hoffnung ist wesentliches Charakteristikum der wahren Kunst und auch echte Kindlichkeit. Es gibt in der Vergangenheit und Gegenwart Kunst, die absolut betroffen ist von der Problematik und trotzdem in den Akt der Hoffnung einführt.

Die wahre Kunst wird den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Sie wird ihn nicht durch mechanische Konstruktionen ersetzen oder zur Unkenntlichkeit zerstören. Wahre Kunst wird gekennzeichnet durch ihr Verhalten zur Sexualität. Sie wird abrücken von der heutigen furchtbaren Verfleischlichung. Die wahre Kunst wird Liebe ausstrahlen. Sie wird Freude an der Schönheit der Schöpfung haben, sie wird Mitleid fühlen, den Haß nicht kennen. Größe und Elend des Menschen ist es, was uns heute besonders interessiert. Wahre Kunst muß der Realität zugeneigt sein. Sie kann auch träumen. Aber es darf kein Traum sein, der aus dem Unterleib auftaucht. Kunst kann besessen, dämonisch sein, aber sie kann auch exorzistisch sein, das Böse bannen wollen, wie es im Mittelalter geschah.

Was ist moderne Kunst überhaupt?

Wir können nicht a priori sagen: Das ist das Charakteristische, das Metaphysische, das Gottlose usw. Man kann nicht sagen, sie beginnt hier und dort. Modern ist für uns heute Grünewald, die Gotik wird dazu gerechnet, die Bauernmalerei. Vielleicht könnte man sagen, daß moderne Kunst dort ist, wo problematische Kunst ist, wo alles bis auf den Grund hinunter zur Frage geworden ist, auch wenn die Frage vielleicht gläubig beantwortet wird.

Spezifisch ist das Moderne sichtbar in der Bewältigung des Bösen, des Häßlichen, des Destrukten, thematisch in Bildern der Armut, des Leidens, des Wahnsinns.

Die .Moderne beginnt mit dem Zusammenbruch der großen liturgisdien Kunst, mit dem Ausdruck der Subjektivität. Ihre letzte Phase ist ein Irrewerden am Menschen, das positiv und negativ gesehen werden kann. Das Charakteristikum ist auf der einen Seite die diabolische Kunst, auf der anderen Seite de profundis eine neue Idealität, eine neue Plalonik. Wenn auch Satan ungeheure Macht gegeben sein kann, kein Zeitalter ist ohne Ansatz zum Heil.

Hier kommt es auf die Darstellung, nicht nur auf den Inhalt an. Abstrakte Dinge können durch kalten Formalismus ihren Atheismus zeigen, durch Ausschaltung des Lebendigen, können aber andererseits auch durchstoßen zur Mystik.

Es kann sein, daß das Mythische sich erhellt am Biblischen, es kann sein, daß das Magische weit überwiegt. Es kann auch sein, daß die Bilder zur Bibel die ganze Fraglichkeit des Zeitalters zeigen, aber eine Fraglichkeit, die sich schon zum Glauben aufringt.

Christliche Kunst ist Ausschaltung des Fleischlichen, Protest gegen das Monopol der Renaissance. Der Surrealismus könnte seinen Ort im Christlichen haben, wenn er etwa das Satanische im Jüngsten Gericht einzubauen vermag. Auch der Supernaturalismus könnte mit gleichen Mitteln christlich gewendet sein, könnte den Zusammenbruch des Theisti-schen darstellen. Alles, Infantilismus, Bauernkunst, die Art und Weise eines Kubin, magisch zu arbeiten, läßt sich einbauen und an seinen Ort stellen in einem christlichen Kosmos. Damit ist nicht gesagt, daß, was vorliegt, als solches schon eingebaut werden könnte oder schon den Charakter des Christlichen habe.

Die negativen Phänomene in der modernen Kunst sind offensichtlich Entmenschung, Ausbrüche der Verzweiflung, der Sinnlosigkeit, Herzenskälte. Alle Sünden des Zeitalters werden sich auch in der modernen Kunst niederschlagen.

Die moderne Kunst ist aber auch positiv zu sehen. Als Diskussion der Probleme bis auf den Grund, als Bewältigung des Problems des Bösen, als Uberwindung des materialistischen Naturalismus, Jede Abstraktion ist Uberwindung. Wir sind durch die moderne Kunst mit dem Nihilismus konfrontiert worden. Es wird noch eine moderne Kunst geben, die den Charakter des Martyriums, des Zeugnisses hat.

Die moderne Kunst hat uns das Relative unseres Weltbildes zum Bewußtsein gebracht, die Wirklichkeit von Gefallenheit und Sünde. Sie ist auf der Suche nach dem Mysterium, oft fehlgeleitet ins Magische, trotzdem kostbarer, als wenn' sie den Menschen nur in seiner Inner-weltlichkeit darstellt. Und wieviel Wahrheitsliebe, Kindlichkeit finden wir in der modernen Kunst!

Fragen wir nun: Was ist unsere Aufgabe? Auf keinen Fall ein Zurück. Katholisch sein heißt ja sagen. Kirche und Kunst müssen sich unausgesetzt konfrontieren, zum Schluß ergibt sich ein Gespräch.

Nur vom religiösen Menschen her wird die moderne christliche Kunst geleistet. werden. Nicht vom Kunstwerk aus, sondern vom Menschen aus. Der moderne katholische Künstler kann nicht genug zurückgewiesen werden. Es muß ihm zugerufen werden: Immer noch nicht gut genug! Die christliche Kunst muß hindurchgehen durch alle Höllen unserer Zeit, durch alle Prüfungen, sie muß alles duskosten, was menschlich ist. Aber sie muß die Sünde selbst noch als Religiöses deuten. Diese Kunst ist dann verwandt mit dem Gesang der Engel. Die christliche Kunst ist die, welche die nackte Wahrheit unserer gefallenen Welt bewältigen kann, auf der anderen Seite die ganze Idealität besitzt des Auf-dem-Wege-Seins. Sie ist eine Kunst, die in der Hoffnung existiert, die den Bruch haben muß neben den Harmonien, mit denen sie schon die Vita coelestis widerspiegelt.

Dann wird der Augenblick kommen, den die geistig komprimierten Schöpfungen christlicher Künstler vorbereiten, wo diese Welt rerbricht. Dann wird sein das flutende Leben, die Auferstehung von den Toten, die Unmittelbarkeit des Geistes.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung