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Vom Teufel besessen

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Im handlungslosen oder handlungsarmen Stück ist es möglich, allgemein-menschliche Seinsšituationen bloßzulegen, wie es bei Beckett geschieht. Auch der individuelle Mensch kann gezeichnet werden, es ist aber da nicht möglich, ihn vor Entscheidungen zu stellen, die sein wahres Wesen bloßlegen, denn nur im Handeln lernt man sich kennen. Einen solchen Fall führt Bernard Shaw in seinem als Melodrama bezeichneten Dreiakter „Der Teufelsschüler“ vor, der derzeit im Volkstheater zu sehen ist.

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Im handlungslosen oder handlungsarmen Stück ist es möglich, allgemein-menschliche Seinsšituationen bloßzulegen, wie es bei Beckett geschieht. Auch der individuelle Mensch kann gezeichnet werden, es ist aber da nicht möglich, ihn vor Entscheidungen zu stellen, die sein wahres Wesen bloßlegen, denn nur im Handeln lernt man sich kennen. Einen solchen Fall führt Bernard Shaw in seinem als Melodrama bezeichneten Dreiakter „Der Teufelsschüler“ vor, der derzeit im Volkstheater zu sehen ist.

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Diese Stück spielt in den amerikanischen Befreiungskriegen, es geht um das Abschütteln des englischen Jochs. Der junge Dudgeon sagt von sich, er bete den Teufel an, er habe ihm seine Seele versprochen. Wir nehmen das nicht ernst, es gibt bei ihm weder abgrundtiefe Abgefeimtheit, noch den schweren Glanz des gefallenen Engels. Mag er sich mit Wonne für einen ausgekochten Bösewicht halten, es wirkt als Attitüde. Zugegeben, wir trauen ihm kaum

Selbstlosigkeit auf Kosten des eigenen Lebens zu. Und eben dies begibt sich: Die Engländer halten ihn für einen Pastor, den sie, um ein Exempel zu statuieren, verhaften und nun hängen wollen. Dudgeon klärt den Irrtum nicht auf, er ist bereit, den Tod auf sich zu nehmen. Der wahre Mensch wird sichtbar, alles andere fällt ab.

Bernard Shaw hat sich über die Kritiker lustig gemacht, die sein Stück für besonders originell, vollkommen neu hielten. Er bezeichnete dies als baren Unsinn, spricht von abgedroschenen Bühneneffekten, bezeichnet sich als altmodischen Stückeschreiber und meint, die Originalität stecke in der fortschritt lichen Denkart, was freilich an Glanz im Verlauf der Zeit verlieren werde. Das hat es erheblich. Aber daß einer statt eines anderen in den Tod zu gehen bereit 1st, einfach um ein Menschenleben zu retten, dem kommt zeitlos dauernde Gültigkeit zu. Eben haben wir gleiches von dem nunmehr selig gesprochenen polnischen Pater Kolbe gehört.

Bezeichnend für unsere Zeit ist es, daß wir an den zweifachen opferbereiten Einsatz in diesem Stück, an den des Dudgeon und den des Pastors, der den Gefangenen zu retten unternimmt, nicht glauben, der Mensch entblößte sich allzusehr als Unmensch. Vollends wirkt die Rettung selbst, als der Henker dem Verurteilten bereits die Schlinge um den Hals geiget hat, als Happy-end. Aber würde das Stück weniger konventionell wirken, wenn der rettende Pastor nicht in letzter Minute käme und Dudgeon tatsächlich gehängt würde? Es gibt kaum eine andere Möglichkeit. Pointierte Handlungen vertragen wir in neueren Bühnenwerken nur schwer. Also hat Bernard Shaw doch recht, sein Stück erweist sich nun als altmodisch.

Die Aufführung unter der Regie von Rudolf Kautek wirkt griffsicher. Rick Parsė ist ein Dudgeon von rup piger Frische und hemdärmeliger Unbekümmertheit Seiner Mutter gibt Hortense Raky frömmelnde Härte, dann seelische Verfeinerung. Durch beherrschte Mannhaftigkeit kennzeichnet Hans Putz den Pastor, ganz Beute des Gefühls wird Kitty Speiser als seine Frau. Die ironische Überlegenheit über sich und die anderen gelingt Hanns Krassnitzer als General Bourgoyne, glaubhaft spielt Ernst Meister den geistig dürftigen und fanatischen Major Swindon. Georg Schmid entwarf die schlichten Bühnenbilder, Epi Schlüsselberger die historischen Kostüme.

Der späteste Klassiker der Horrorliteratur war im neunzehnten Jahrhundert der Ire Bram Stoker, langjähriger Sekretär und Manager des virtuosen englischen Schauspielers Henry Irving. Die Bühnenbearbeitung seines im Jahre 1897 erschienenen Romans „Dracula" durch Hamilton Deane und John L. Balderston wird derzeit im Ateliertheater aufge- führt. Horror? Es gibt einen Schrek- ken, den man von Mächten verursacht hielt, die jenseits unserer rationalen Erfahrung liegen. In einer für uns naiven Art manifestieren sich teuflische Mächte in dem Grafen Dracula, der seit fünfhundert Jahren nächtens seinem Sarg entsteigt, um Mädchen das Blut abzusaugen und so als „Untoter" weiterzuleben. Für den durch und durch rationalen Menschen von heute, der alles Metaphysische leugnet, wandelt sich diese Gestalt zur Parodie ihrer selbst. Ein Schrecken, der nicht schreckt, wird zum Spaß. Diesfalls mäßiger Spaß, das Stück klappert. Regisseur Peter Janisch vermeidet jede Übersteigerung ins Parodistische. Realistisches Spiel von Gustav Elger als Dracula, von Johanna Tomek, Karl Dob- ravsky, Andreas Adams und Janisch selbst in weiteren Rollen. Florian Flop-Schuller deutet im Bühnenbild schwarz-roten Horror an.

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