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Von Beruf Schauspieler

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Gastierende Bühnenstars bei Fest- und Sommerspielen, sich in Richtung Deutschland verabschiedende Burgtheaterprominenz - sie alle bringen den Schauspielerberuf ins Gerede: An zwei Beispielen werden die veränderten Ausbildungsbedingungen für diesen Beruf deutlich.

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Gastierende Bühnenstars bei Fest- und Sommerspielen, sich in Richtung Deutschland verabschiedende Burgtheaterprominenz - sie alle bringen den Schauspielerberuf ins Gerede: An zwei Beispielen werden die veränderten Ausbildungsbedingungen für diesen Beruf deutlich.

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Seit 1928 bildet das Reinhardt-Seminar und seit 1986 die Schauspielklasse am Konservatorium der Stadt Wien junge Menschen aus, die den Beruf des Schauspielers ergreifen möchten. 1928 gründete der Regisseur und Theaterreformer Max Reinhardt jene Schauspielschule in Wien, die viele berühmte Namen hervorbringen sollte und auch heute noch als die Schule der Schauspielkunst schlechthin gilt.

„Jedes Jahr finden Aufnahmsprüfungen statt, bei denen wir Wert darauf legen, die jungen Menschen kennenzulernen: Was hat sich der Bewerber überlegt zu der von ihm darzustellenden Figur?”, berichtet Nikolaus Windisch-Spoerk, der derzeitige Leiter des Reinhardt-Seminars, unter dessen Professoren sich unter anderem Karlheinz Hackl, Inge Konradi und Samy Molcho befinden.

Versucht das Reinhardt-Seminar, den geänderten Bedingungen am Theater zu entsprechen oder bleibt es seiner Tradition treu? Windisch-Spoerk: „Was sich heute im deutschen Sprachraum am Theater vollzieht, unterscheidet sich in gewissen äußerlichen Dingen vehement von der Situation in Österreich. Das ist weniger eine inhaltliche Unterscheidung. Wenn man die Entwicklungen in der Welt betrachtet, fragt man sich, was Theater noch soll.” Und: „Rein quantitativ ist die Ausbildung zum Schauspieler intensiver geworden. Laut gesetzlicher Regelung ist heute ein Hochschulstudium von mindestens vier Jahren vorgeschrieben. Aber: Wie lange dauert der Entwicklungsprozeß eines Schauspielers? Früher war er auf zwei Jahre - manchmal noch kürzer - festgesetzt. Bei uns muß der Studierende im dritten Jahr fertig sein, das vierte Jahr ist als Spieljahr gedacht, mit beigefügtem Unterricht. Ohne Begabung ist jedoch nichts zu machen, wobei sich der Begriff Begabung sicherlich erweitert hat. Dazu gehört auch die Bereitschaft, Dinge neu zu denken, anders zu denken. Der Anspruch an die Reife des Schauspielers als Mensch ist sicher größer geworden.

Der Beruf des Schauspielers orientiert sich stark an den gesellschaftlichen Gegebenheiten. Da diese sich heute schneller ändern, müssen wir uns mitverändern.

Von europäischem Rang

Ich kann jedoch voll Stolz sagen, daß bei jedem Absolventen unserer Schule gute Berufsvoraussetzungen gegeben sind, das Reinhardt-Seminar hat europäischen Rang. Wir bilden für den deutschsprachigen Raum aus, und wir sind daher auch verpflichtet, Studenten aus dem deutschsprachigen Raum aufzunehmen. Würden wir uns gegenüber diesem Raum abkapseln, wären wir zur Provinzialität verdammt. Dort gibt es nicht ganz hundertachzig Theater, hier in Österreich nur rund vierzig. Die Problematik zwischen Österreichern und Deutschen gibt es bei uns nicht: Natürlich gibt es Autoren, die spezifisch österreichisch sind und die auch eines spezifischen Blickwinkels bedürfen. Das schließt aber nicht aus, daß auch ein Ausländer diesen Blickwinkel gewinnen kann. Was für uns wichtig ist, das sind die öffentlichen Vorstellungen, die Konfrontation mit dem Publikum, mit den Medien!” Beider österreichischen Erstaufführung des Einakters „Die Witwen” von Slawo-mir Mrozek im Schloßtheater Schönbrunn durch die dritte und vierte Klasse des Seminars konnte man sich von den Leistungen der jungen Schauspieler überzeugen.

Schwieriger Beruf

Elfriede Ott ist Leiterin der Schauspielklasse am Konservatorium der Stadt Wien. Sie sieht die Situation der jungen Schauspieler etwas anders: „Vor neun Jahren gründete ich die Schauspielabteilung hier am Hause. Mittlerweile unterrichten zehn Lehrer an die vierzig Schüler. Auch bei uns finden jedes Jahr Aufnahmetests statt - ich lehne es ab, von Prüfungen zu sprechen. Bei diesen Aufnahmetests versuchen wir, mit den Bewerbern zu arbeiten, Gedanken zu entwickeln und schauen, wie weit sie fähig sind, ob sie Phantasie besitzen. Es werden heute sehr hohe Forderungen an die jungen Leute gestellt. Wir versuchen den Studenten die Schwierigkeiten des Schauspielerberufes aufzuzeigen. Sie müssen viel auf sich nehmen, auf vieles verzichten. Sie werden ein Leben führen, in dem die Familie, bürgerliches Dasein hintanstehen. Diese totale Aufgabe aller anderen Bereiche gab es früher nicht! Ich wundere mich immer wieder, wie viele junge Menschen trotzdem bereit sind, diesen Beruf zu ergreifen. Es ist ja eine wahre Odyssee, ein Engagement zu finden, immer wieder ist es ein Rätsel, wie junge Schauspieler es schaffen, doch eine Rolle zu bekommen.

In letzter Zeit haben sich viele Alternativgruppen zu den großen Theatern entwickelt, dort besteht eher eine Chance. Manche gehen auch nach Deutschland. Wenn hier jemand ans Volkstheater, an die Josef stadt kommt, ist das ein glücklicher Zufall. Vom Burgtheater will ich garnicht reden! Ich kann nur immer wieder sagen: Einfach wird es nicht werden! Sicher war es früher auch nicht leicht - aber anders! Das Leben eines Schauspielers war immer schon mit gewissen Risken verbunden, aber dieses Aufgeben von jeglicher Sicherheit hatten wir nicht. Wenn heute ein neuer Direktor kommt, bringt er seine eigenen Leute unter und schmeißt das alte Ensemble hinaus. Früher war ein Ensemble etwas Kostbares.

Für meine Studenten wünsche ich mir, daß sie nie in diese Art von Regietheater hineinkommen, wo ihnen wirklich das Letzte abverlangt wird, wo sie sich wirklich entblößen müssen, innerlich, seelisch. Regisseure versuchen einander an Schweinereien zu übertreffen, weil sie sonst nicht mehr „in” sind. Oft schaue ich meine Schüler an und denke: Um Gottes Willen, was steht euch in dieser Hinsicht bevor? Im Theater sollte man wieder zum Menschen, zu seiner Seele zurückfinden. Natürlich sollen zeitgenössische Autoren gefördert werden, aber deswegen muß ja nicht nur die negative Seite der Menschen auf die Bühne gebracht werden, Gott sei Dank gibt es auch andere.

Meine Studenten sollen in erster Linie das Publikum unterhalten. Ich möchte nicht, daß sie zu todernsten versteinerten Schauspielern werden, die keine Witze mehr machen können, die keinen Humor haben. Theater heißt doch auch, das Publikum zum Lachen bringen. Das sollten wir besonders heute nicht vergessen.”

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