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Vorsicht ist am Platz

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Welche Vorstellungen hat die Genetik von Ursache und Ausbreitung von Erbfehlern, kann das Erbfehlerproblem mit genetischen Methoden vermindert werden, welche Aussichten eröffnet die moderne Gentechnologie?

Erbfehler haben geringe Häufigkeit, sind aber fast immer mit viel Tragik verbunden. Der Großteil der Erbfehlergene befindet sich in Einzeldosis in Gesunden, so daß Verhinderung der Fortpflanzung von Erbkranken kaum eugenische Wirkung hat, d. h. durch die Häufigkeit in folgenden Generationen kaum verändert wird. Dasselbe gut im umgekehrten Fall — wenn durch medizinische Behandlung Erbfehler klinisch geheilt werden, wird sich die Häufigkeit des Erbfehlergens kaum steigern.

Erbfehlergene werden durch Mutationen laufend nachgeschafften bzw. unter Umständen dadurch auf relativ größerer Häufigkeit gehalten, weil sie in Einzeldosis dem Träger Vorteile verschaffen (z. B. Sichelzellenanämie-Gen verleiht Malariaresistenz).

Negative Eugenik, Verhinderung der Fortpflanzung genetisch Erkrankter, ist also genetisch kaum wirkungsvoll, kann aber der betroffenen Familie eine Belastung ersparen. Nachdem aber die meisten Fälle von Erbfehlern völlig unerwartet auftreten, würde ihre Verhinderung Routineuntersuchungen aller im Reproduktionsalter stehenden Frauen und vieler Männer erfordern. Bei relativ häufigen Erbfehlern, wie etwa zystische Fibrose in England, wird das auch erwogen.

Positive Eugenik zielt auf bevorzugte Fortpflanzung genetisch „Gesunder” oder „Wertvoller”. Da praktisch kaum ein Mensch frei von Erbfehlergenen ist und das zweite ein nicht zu fällendes

Werturteil beinhaltet, muß positive Eugenik abgelehnt werden.

Gentechnologie kann im Gegensatz zur herkömmlichen modernen Genetik Gene einzeln manipulieren. Mit der rekombinan-ten DNA-Technik gelingt es zwar, einzelne Gene gezielt aus der Erbmasse zu isolieren, aber noch nicht, sie an den richtigen Platz in den Chromosomen wieder einzubauen.

Bei den bisherigen Versuchen der Genübertragungen, wo Gene in frühe Embryonen injiziert wurden, haben diese zwar Wirkungen erzielt; z. B. aus Mäusen „halbe” Ratten gemacht, doch sind diese Tiere keinesfalls als normal anzusehen. Aufgrund der derzeitigen Mängel der Methoden verbietet sich ein Eingriff in die Keimbahn des Menschen. Eine Beseitigung der methodischen Schwierigkeiten ist derzeit nicht abzusehen. Zu der in der Uberschrift gestellten Frage muß gesagt werden: wir können es noch nicht.

Gentechnologie kann aber auch therapeutisch für eine Substitutionstherapie verwendet werden, was im Gegensatz zu Eingriffen in die Keimbahn methodisch weniger Probleme aufwirft, da es dabei wahrscheinlich nicht so sehr auf die exakte Lokalisation des Gens ankommt. Eine solche Manipulation wäre, abgesehen von allgemein ärztlichen Rücksichtnahmen, auch ethisch unproblematisch, wird die Änderung doch nicht an Nachkommen weitergegeben.

In Großbritannien hat eine Royal Commission unter Vorsitz der Philosophin Warnock Regeln ausgearbeitet, die bei Arbeiten mit menschlichen Embryonen zu berücksichtigen sind. Da es bei möglicher Anwendung der Gentechnologie auf den Menschen u. a. zu unwiderruflicher Manipulation künftiger Generationen kommen könnte, „ist vor allem Vorsicht am Platz. Das ist aber nicht genug, auch nicht kluge institutionelle Vorkehrungen. Institutionen können nicht besser sein als ihre Menschen, denen einfach das Verstehen mangelt, was aus solchen Anwendungen kommen mag. Langfristig kann also nur eine Verbindung zwischen Wissenschaft auf der einen und Ethik und Politik auf der anderen Seite das Problem bewältigen, Menschen, die weise in letzterer und klug in ersterer sind” (Leon R. Kass).

Univ.-Prof. Dipl.-Ir.g. Dr. Kranz Pirchner lehrt Tierzucht an der Technischen Universität in München. Aus der Kurzfassung eines Vortrages vor dem Katholischen Akademikerverband Wien.

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