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Die Befürchtungen reichen von allergischen Reaktionen auf die Fremdproteine über Verwilderung von Kulturpflanzen durch besonderen Zugewinn an Konkurrenzfähigkeit, bis hin zur Anreicherung von Antibiotikaresistenz in Bodenbakterien durch horizontalen Gentransfer. Es werden Iangzeitwirkungen durch Störung des ökologischen Gleichgewichtes befürchtet; eine weitere Industrialisierung der Landwirtschaft stelle sich ein, ein noch höherer Chemieeinsatz wird prognostiziert.

Zunächst muß festgestellt werden, daß die Methoden der Pflanzengentechnologie im Prinzip die gleichen sind wie die in der Tierzucht oder der Humanmedizin. Der vielleicht wesentlichste Unterschied wird in ihren möglichen Konsequenzen gesehen. Die Freisetzungeines „Fremdgens" in die Natur, nach Übertragung in eine Kultursorte, könnte das Ökosystem in unvorhersehbarer Weise verändern.

Es gibt in der Tat viele Beispiele für verheerende Folgen aus solchen „Freisetzungen" aus einer Zeit, lange vor der Aera der Gentechnologie, etwa die Ausbreitung der aus Kanada eingewanderten Wasserpest in Europa, die Verwilderung von Rhododendron in England (die ursprünglich als Zierpflanze dorthin eingeführt wurden) oder die massenweise Vermehrung der Kaninchen in Australien. Diese Reispiele mahnen zur Vorsicht.

Die Freisetzung von Fremdgenen in Kulturpflanzen ist jedoch nicht mit der Aussetzung ganzer Lebewesen in ein neues Milieu zu vergleichen. Die nach Australien eingewanderten Kaninchen hatten 30.000 bis 50.000 Gene, die so aufeinander abgestimmt waren, daß sie auf die vorgefundenen günstigen Umweltbedingungen ohne natürliche Feinde mit einer hohen Vermehrungsrate reagieren konnten.

Diese günstige genetische Konstellation war jedoch die Folge einer langen Evolution unter dem Druck der jeweiligen Umwelt. Der Einbau von einem bis drei zusätzlichen Fremdgenen in einen Zielorganismus, sei es Pflanze oder Tier kann dagegen die Anpassungsfähigkeit dieses Organismus nur geringfügig verändern. Er kann zusätzliche Eigenschaften einführen, etwa Virusresistenz. Diese können den ökonomischen Nutzen der Pflanze steigern; sie als Gefahrenquelle anzusehen, ist weit hergeholt.

Viele durch gentechnische Manipulation hervorgerufene Veränderungen lassen sich auch mit klassischen Methoden der Pflanzenzüchtung erstellen. So gibt es in der Natur männlichsterilen Baps, Kartoffeln, die nur Amylopektin produzieren und nicht gentöchnologisch erzeugte, herbizid-resistente Kulturpflanzen. Bis heute gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Eigenschaften für die Ökologie oder die Gesundheit schädlich wären.

Die Desoxyribonukleinsäure (DNS), der Träger der Erbinformation, ist nur zu wenigen Prozenten für die Vererbung verantwortlich. Der größte Teil der DNS (beim Mensch sind es zirka 97 Prozent, in manchen Pflanzen mehr als 99 Prozent), ist nicht für die Speicherung genetischer Informationen bestimmt. Die Funkti-zuletzt der Einsatz von Gentechnik im Pflanzenbau und die Zuträglichkeit von gentechnisch veränderten Lebensmitteln.

Die Gemüter bewegte

on dieser immensen Menge an „unnützem Informationsmaterial" ist unbekannt.

Doch kann jegliche Veränderung im genetisch funktionellen Bereich der DNS mit Wechselwirkungen aus diesem unbekannten schwarzen Loch rechnen. Im Vergleich zu den chirurgisch-feinen Eingriffen der Gentechnologie in das Genom (das ist die Gesamtmenge der DNS im Zellkern) sollten ungezielte Methoden der konventionellen Pflanzenzüchtung, wie Mutationsauslösung durch chemische. Behandlung oder durch Röntgenbestrahlung, Gewebekulturtechniken wie Zellverschmelzung (Protopla-stenfusion), Gattungskreuzungen, viel eher unser Mißtrauen erwecken. 100 Jahre konventionelle Pflanzenzüchtung haben jedoch nichts hervorgebracht, was eine unkontrollierbare Gefahr geworden wäre.

Die Gentechnologie arbeitet, im Unterschied zur konventionellen Pflanzenzüchtung, wesentlich zielgenauer. Sie erlaubt uns, an herausragenden Sorten, die immer Produkte der konventionellen Züchtung sein werden, Feinjustierungen vorzunehmen, die den ökonomischen Wert der Sorten erheblich steigern können. Beweis dafür sind das erwachte große Interesse und der finanzielle Einsatz der Privatindustrie für die Pflanzenzüchtung.

Die wissenschaftlichen Grundlagen und ersten Produkte der Gentechnologie sind in öffentlichen Forschungsinstitutionen sowie Universitäten entstanden. Sie wurden vom Steuerzahler finanziert. Ein Widerstand aus eher undefinierbaren emotionalen Befürchtungen, aufgrund kreierter, nicht realistischer Szenarien, fördert nur die Monopolisierung dieser Techniken durch die Großindustrie, wird sie aber auf Dauer nicht aufhalten können. Eine freie Anwendbarkeit der Methoden könnte dagegen auch für mittelständische Betriebe die Nutzung gentechnologisch modifizierter Sorten ermöglichen.

Viele potentielle Gefahren, die von Gentechnologie-Kritikern im Pflanzenbereich postuliert wurden (etwa die Ausbreitung der Antibiotikaresistenz durch horizontalen Gentransfer) halten einer ehrlichen wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. Sie sind entweder weit überzogen, oder überhaupt nicht realistisch.

Andere Kritikpunkte dagegen haben durchaus ihre Berechtigung. So beispielsweise der Hinweis auf die Gefahr, daß gentechnisch erzeugte in-sektenresistente Mais- oder Baumwollpflanzen, die Entstehung resistenter Insekten fördern. Diese sind gegen das von der Pflanze produzierte bakterielle Toxin resistent und können sich ohne Konkurrenz schnell ausbreiten.

Die Antwort auf solche berechtigte

Warnung kann jedoch nicht das Verbot, sondern der richtige Einsatz solcher Innovationen sein. So wie die Umweltbelastung durch konventionelle Agrochemikalien bei bedarfsgerechten Anwendung erheblich verringert werden könnte, kann die Entstehung von Resistenzen beim Schädling durch richtige Anbaumaßnahmen stark verzögert werden.

Jede neue Resistenz in der Kulturpflanze, ob konventionell oder gen-technisch erzeugt, ist für den Züchter nur ein vorübergehender Sieg. Er muß ständig neue Resistenzquellen suchen und diese in künftige Sorten einbauen. Ebenso versucht jeder Schädling die neue Resistenz zu überwinden.

Schließlich läßt sich der Begriff „Fremdgen" bei genauerem Zusehen relativieren. Viele Gene gehören zu großen Genfamilien, deren Mitglieder in unterschiedlichen Organismen vorkommen können. Daß menschliche Gene in Bakterien fehlerfrei funktionieren können, beweist, daß viele Gene, die die Maschinerie der Eiweiß-synthese betreiben, in Mensch und Bakterium sehr ähnlich sein müssen. Die Zahl der Gene ist begrenzt. Solche, die sich in der Evolution bewährt haben, wurden von der Natur immer wieder, und in völlig unterschiedlichen systematischen Einheiten der Tier und Pflanzenwelt nach dem Baukastenprinzip eingesetzt. Auch der horizontale Gentransfer ist für die Natur kein Tabu.

Wie jede technische Innovation, so mag auch die Gentechnologie langfristig nicht erkennbare Folgen haben. Darum ist der auch gesetzlich vorgeschriebene Weg der kleinen Schritte unbedingt einzuhalten. Eine Umkehr der Beweislast, die eine technologische Neuheit erst nach Beurteilung aller möglich erscheinender Konsequenzen zuläßt, würde das Ende jeglicher wissenschaftlicher Forschung bedeuten.

Gentechnologie im Bereich der Pflanzenzüchtung ist eine folgerichtige Weiterentwicklung konventioneller Züchtungsmethoden. Diese Entwicklung beruht hauptsächlich auf unserer wachsenden Einsicht in die Mechanismen der Natur. Die Gentechnologie bietet uns die Chance, manches menschliche Leid zu lindern und für manche unserer Probleme im Konfliktbereich Welternährung und Ökologie Lösungen zu finden. Mit Verantwortung sollten wir sie nutzen.

Der Autor ist

Professor an der Universität für Bodenkultur in Wim und stellv. Leiter der Abteilung Biotechnologie in der Pflanzenproduktion am IFA Tu/In.

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