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Keine „Gen-Kost" auf Österreichs Tische

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Eine Plattform bestehend aus ARGE Schöpfungsverantwortung, Österreichische Bergbau-ernvereinigung, Tierschutzverein Vier Pfoten und Ökobüro initiiert ein „Gentechnik-Volksbegehren", dessen Eintragungswoche im Frühjahr 1997 laufen soll. Es handelt sich dabei nicht um einen Rundumschlag gegen Gentechnik im allgemeinen. Es geht um eine gezielte Initiative in einem Bereich, in dem jetzt schon absehbar ist, daß die Gentechnik auf lan -ge Sicht enormen Schaden anrichten wird: bei den Nahrungsmitteln und in der 1 Landwirtschaft.

Die erste Forderung des Volksbegehrens: Keine gentechnisch veränderten Nahrungsmittel in Österreich. Nicht nur die Produktion, auch der Import und Verkauf solcher Lebensmittel soll in Österreich gesetzlich verboten werden. Denn, so die Propo-nenten des Volksbegehrens, die langfristigen Folgen eines Verzehrs gentechnisch veränderter Nahrung seien nach wie vor nicht abzuschätzen. Speziell für Nahrungsmittelallergiker könnte die „Gen-Kost" gefährlich werden. Kürzlich konnten Wissenschafter in den USA nachweisen, daß Versuchspersonen mit einer Nußallergie stark allergisch reagierten, wenn sie mit einem Gen der Paranuß versehene Sojabohnen aßen. „Generell können beim Verzehr gentechnisch veränderter Lebensmittel keine Langzeitwirkungen auf die Gesundheit vorhergesagt werden", erklärt Elisabeth Baumhöfer von der Österreichischen Bergbauernvereinigung, die ebenfalls an der Plattform teilnimmt.

Daß der Mensch gleichsam als Versuchsobjekt eines Forschungszweiges herhalten soll, der sich selbst für sakrosankt und unhinterfragbar hält, empört die Plattform zu Becht. „Wenn man wissenschaftlich nicht nachweisen kann, daß etwas gefährlich ist, gilt es als ungefährlich. So wird Unwissenheit zum Sicherheitsfaktor'", formulierte der deutsche Forscher Joachim Spangenberg (Wuppertal-Institut) die gängige Haltung in der Wissenschaft. Dieses fehlende Verantwortungsbewußtsein kritisieren die Initiatoren des Volksbegehrens.

Dessen zweite Forderung richtet sich gegen die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen in Österreich. Die damit verbundenen ökologischen Risken seien enorm. Sie reichten von der Möglichkeit der Resistenzentwicklung bei Wildpflanzen über die Veränderung und Verdrängung der Ackerbegleitflora bis hin zu völlig neuartigen Rückständen in Pflanzen und Boden. Erst jüngst warnte das deutsche Umweltbundesamt, daß die Langzeitwirkungen der Versuche aufgrund erheblicher Wissenlücken in der Erforschung ökosystemarer Zusammenhänge, kaum zu beurteilen seien.

Eine Freisetzung gefährde zudem auch den zukunftsträchtigen biologischen Landbau in Österreich. Die erfreuliche Tatsache, daß die Alpenrepublik mehr Biobauern als alle anderen EU-Mitgliedstaaten zusammen hat, sollte nicht aufs Spiel gesetzt werden. Peter Weish: „Die Anwendung der Gentechnologie in diesem Bereich dient den Interessen der großen Unternehmen, nicht jenen der Mehrheit der Bevölkerung und schon gar nicht jenen, die zukünftig leben".

Die Gentechnik sei ein Weg, „der mehr Probleme schafft, als er löst" und auf jeden Fall für Österreich kein zukunftsfähiges Konzept. Im Gegenteil: „Zukunftsfähige Alternativen -wie eben der biologische Landbau -werden unterlaufen", kritisiert Weish. Es handle sich um einen „blinden kurzsichtigen Wettlauf um Macht".

Die letzte Forderung der Plattform richtet sich gegen die Patentierung von Lebewesen. 1992 erteilte das Europäische Patentamt zum ersten Mal ein Patent auf ein Säugetier: Die sogenannte Krebsmaus war geboren.

Wie Meli Dungler vom Tierschutzverein „Vier Pfoten" kritisiert, werden hier einige wenige Großkonzerne zu Eigentümern von Lebewesen. Patentierte man etwa landwirtschaftliche Nutztiere, so müßten die Bauern Lizenzgebühren für deren Nachkommen zahlen.

Die grundsätzliche ethische Frage nach der Verfügbarkeit über Leben stellt sich. Welche Bolle spielt hier eigentlich die Ethik? Es fällt auf, daß genau jene Fragen, die schon in der Abtreibungsdiskussion oder bei der Kernkraft diskutiert - und wieder verdrängt - worden sind, hier mit einer gewissen Hartnäckigkeit wiederkehren.

Eine „Ethik des Bisikos" wäre angesagt: Muß man nicht, wenn man die Folgen einer Handlung nicht, abschätzen kann, davon ausgehen, daß das Schlimmste eintreffen könnte? Und sollten nicht deswegen Risken so weit wie möglich ausgeschlossen werden?

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