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Digital In Arbeit

Kreation aus dem High-tech-Labor

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Mit Hilfe der Gentechnik wird die Pflanzenzucht revolutioniert: Am Beispiel Mais zeigen sich Möglichkeiten und Probleme der neuen Methoden.

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Mit Hilfe der Gentechnik wird die Pflanzenzucht revolutioniert: Am Beispiel Mais zeigen sich Möglichkeiten und Probleme der neuen Methoden.

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Am Beispiel des Maises, der durch gentechnische Manipulation ein Gift (Toxin) produziert, das ihn vor Schädlingen schützt, kann ein kurzer Einblick in die Prinzipien der Gentechnologie gegeben werden:

Das Gift (beta beziehungsweise delta Endotoxin) des Bacillus thurin-giensis ist für den Maiszünsler tödlich. Um eine Maispflanze zu produzieren, die dieses Gift ebenfalls produziert, isoliert man zunächst das Gen des Bakteriums, das für die Giftproduktion verantwortlich ist. Dieses Gen wird anschließend in die DNA einer Maiszelle übertragen. Diese Maiszelle läßt man zu einer ganzen Maispflanze heranwachsen.

Diese sehr vereinfachte Darstellung läßt (je nach Kenntnisstand) einige Fragen, die man aus unterschiedlichen Systemebenen (Zellebene, Organismusebene, Ökosystemebene et cetera) stellen kann.

1. Was ist ein Gen?

2. Wie kann ein Gen eines Bakteriums die gleiche Funktion in einer Pflanze ausüben? Gibt es Nebenwirkungen?

3. Was ist die DNA und was macht sie?

4. Wie überträgt man Gene?

5. Wie erhält man aus einer einzigen Zelle eine ganze Pflanze?

6. Gibt es Nebenwirkungen in der Pflanze?

7. Ist dieses Toxin auch für den Menschen giftig? '

8. Welche Bedeutung hat der Maiszünsler als Schädling in Österreich?

9. Gibt es Wirkungen, Risiken auf •das Agrarökosystem, Ökosystem be ziehungsweise die Biosphäre?

10. Gibt es Alternativen?

Auf einige dieser Fragen sei im folgenden kurz eingegangen.

Die Gene sind die Ideenträger des Lebens. Sie enthalten die vererbbare Information, sie sind also quasi unsterblich und universell gültig. Das bedeutet, daß Gene, unabhängig in welchem Organismus sie sich befinden (Pflanze, Bakterium, Tier oder Mensch), im allgemeinen die gleiche Aufgabe erfüllen. Sie produzieren ein Enzym alleinig oder im Wechselspiel mit anderen Enzymen, die gewisse Stoffwechselleistungen der Zelle erbringen).

Der Sitz der Gene ist die DNA, die sich im Zellkern befindet. Jede Zelle eines Individuums trägt die gesamte genetische Information. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine Herzmuskel-, eine Haut- oder eine Gehirnzelle handelt. Nur die Zellen der weißen Blutkörperchen enthalten nicht die Gesamt-DNA, sondern nur Teile davon.

Die DNA ist ein fadenförmiges Molekül, mit der Form einer sogenannten Doppelhelix (beziehungsweise Wendeltreppe). Einzelne seiner Bausteine sind aktiv, beim Menschen sind das nur zirka drei Prozent, der un-aktive Rest hat keine beziehungsweise nur geringe bisher erkannte Funktionen und wird deshalb ein wenig abschätzig als „junk (Müll)-DNA” bezeichnet.

Die aktiven Stellen der DNA sind die sogenannten Gene beziehungsweise die codierenden Regionen der DNA. Sie sind für die Merkmalsausprägung (zum Beispiel Blütenfarbe) verantwortlich. Es gibt Merkmale, die nur von einem Gen gesteuert beziehungsweise codiert werden. In der

Regel sind jedoch viele verschiedene Gene an der Merkmalsausprägung wie zum Beispiel Augenfarbe, Nasenform et cetera beteiligt.

In manchen Fällen steuert ein Gen mehrere Merkmale. Die Gene sind für die Merkmalsausprägung zwar eine notwendige, jedoch nicht hinreichende Bedingung. Neben den Genen sind auch die Interaktion des Organismus mit der Umwelt sowie epigenetische Systeme für die Merkmalsbildung entscheidend. Deshalb sehen sich vor allem erwachsene eineiige Zwillinge, die genetisch ident sind, einander nur noch ähnlich, sind aber nicht völlig ident.

Die Steuerung der Merkmale ist ein äußerst komplexes Zusammenspiel. In einem Organismus wie dem Menschen müssen nicht nur die Stoffwechselvorgänge einer Zelle, sondern alle (zirka fünf Billionen) Zellen zeitlich und räumlich gut koordiniert werden. Es müssen die Gene in den einzelnen Zellen (da wie oben erwähnt der gesamte Bauplan in jeder Zelle gespeichert ist) an- beziehungsweise abgeschaltet werden, damit im Herzen nicht versehentlich eine Gehirnzelle entsteht und einem Dreijährigen keine grauen Barthaare sprießen. Der Mechanismus dieser Steuerungsvorgänge ist noch weitgehend unbekannt.

Was passiert nun bei der Genübertragung?

Für die Genübertragung werden einzelne Gene mit sogenannten Restriktionsenzymen aus der DNA (im Maisbeispiel aus einem Bakterium) herausgeschnitten und mit Hilfe eines manipulierten Bakteriums (nur bei Pflanzen) oder anderen Techniken, zum Beispiel einer Partikelkanone in die DNA von Maiszellen übertragen beziehungsweise hineingeschossen.

Nicht alle Pflanzen- beziehungsweise Tierarten oder Zellen des Menschen sind für die unterschiedlichen Methoden gleich gut verwendbar. Je

nach Art werden gewisse Methoden bevorzugt. Die Techniken sind aber insofern nicht ausgereift, als (insbesondere bei Pflanzen) Ort und Anzahl der integrierten Gene nicht exakt steuerbar sind. Weiters ist nur ein kleiner Prozentsatz der Versuche erfolgreich. Erfolgreich ist eine Genübertragung dann, wenn das gewünschte Gen (hier für die Endo-To-xinproduktion) stabil in die Ziel-DNA (hier Mais-DNA) integriert wurde und hierbei kein lebenswichtiges Gen beschädigt oder eliminiert wurde.

Für die Selektion jener Zellen, bei denen die Übertragung erfolgreich war, werden zusätzlich Markergenen mitübertragen. Diese Markergene sind häufig Herbizid- beziehungsweise Antibiotikaresistenzgene. Hat man nun eine gentechnisch behandelte Zellsuspension, so ist^durch Zugabe eines Herbizides oder eines Antibiotikums die Selektion jener Zellen möglich, die das Herbizidresistenzgen und damit gleichzeitig das Zielgen (Toxi-gen) stabil eingebaut haben. Alle anderen Zellen sterben aufgrund der Herbizidzugabe ab.

Gibt es Nebenwirkungen?

Bei Beschädigung eines (lebenswichtigen Gens ist der Organismus nicht lebensfähig oder zeigt abnormes Wächstumsverhalten. Das Gen sollte also im Bereich der „junk-DNA” integriert werden.

Da mehrere Zellen gleichzeitig behandelt werden, sind Mehrfachintegrationen des (Endotoxin) Gens in die (Mais) DNA möglich. Zuviele Kopien des eingebauten Gens bewirken jedoch nicht eine verstärkte, sondern keine (Toxinproduktion) Genaktivität.

Diese hier genannten Beispiele sind offensichtliche und rasch identifizierbare Nebenwirkungen. Wie die Genübertragung den evolutionär gewachsenen Gesamtzusammenhang des Organismus beeinflußt, ist hingegen noch keineswegs klar.

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