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Wenn der Zeitgeist lockt

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„Homosexuell mit der Bibel": Dieser Kombination konnte der evangelische Pfarrer Peter Kamer in FURCHE 19/1992 viel Positives abgewinnen. Meine erste Reaktion: Entsetzen und Erstaunen. Was man alles mit der Bibel anstellen kann! (Siehe auch Seite 9)

Dann aber ist mir mein Jüngster eingefallen. Er ist gerade erst 15 geworden und beginnt, sich für Mädchen zu interessieren. In dieser Phase der Pubertät werden Weichen für das weitere Leben gestellt, vor allem, was Fragen der Sexualität anbelangt. Da wird alles Einschlägige mit großem Interesse beobachtet.

In dieser Hinsicht wird die Jugend heute ja einiges an „anregender" Information geboten. Der Tenor: Sei nicht prüde, kein Kostverächter, Sex macht Spaß. Auf eines achte aber, auf die Verhütung: Nur ja kein Kind und Vorsicht vor Aids. Man erinnere sich an die Aids-Kampagne „Schutz aus Liebe": Von Enthaltsamkeit keine Rede.

Dafür konnte man ein zärtliches männliches Paar auf der Plakatwand bewundem, denn Homosexualität ist heute „in". Typisch dafür ein Antrag, der derzeit im Justizausschuß des Nationalrates behandelt wird. Die Paragraphen 220 und 221 des Strafgesetzes: „Werbung für Unzucht mit Personen des gleichen Geschlechts oder Unzucht mit Tieren", „Verbindungen zur Begünstigung gleichgeschlechtlicher Unzucht" will man streichen. Für Homosexualität und Unzucht mit Tieren darf also voraussichtlich bald geworben werden - mit einer Einschränkung: Nicht bei Jugendlichen unter 18.

Das ist schon pervers genug. Noch perverser aber, daß die Zeitung der Hochschülerschaft diese Einschränkung unerhört findet: „Weiterhin wird jungen Männern bis 18 verwehrt, ihren Liebes- und Sexualpartner frei zu wählen, wird ihnen von Rechts wegen verordnet mit Frauen zu verkehren oder eben enthaltsam zu leben."

Beachtlich, nicht wahr? Ein weiteres Beispiel gefällig? „Elton John, die Popdiva, hat nach 17 Jahren Liebes-Achterbahn (inklusive endloser Bi-Exzesse) endlich das wahre Glück gefunden: Hugh Williams, 34, Eisdielenbesitzer aus Atlanta, USA. Elton im Glücksrausch: ,Er ist der erste Mann, für den ich total monogam bleiben will. Er ist die Liebe meines Lebens'." So feiert die „Bunte" den demnächst in Wien auftretenden Popstar.

Leider kann ich nicht verhindern, daß mein Sohn solche Medienkost zu sich nimmt. Aber was soll ich ihm antworten, wenn er mir die Äußerungen von Peter Kamer entgegenhalten sollte? Eines ist doch klar: Wenn ein Pfarrer Gottesdienst mit Homosexuellen feiert -ohne sie dabei zur Umkehr und Abkehr von ihrer Verirrung aufzurufen (und davon war bei Kamer nicht mit einem Wort die Rede) -, so kann dies doch nur folgendes bedeuten: Selbst für Christen ist Homosexualität eben nur eine, wie Kamer harmlos formuliert, „Spielart menschlichen Lebens".

Ich weiß, daß Kamer mit dieser Ansicht nicht allein dasteht. Im Juli 1988 hat ein evangelischer Pfarrer in Würzburg die Verbindung zweier junger Frauen gesegnet. Und in Dänemark können seit Sommer 1988 Schwule und Lesben ihre „Partnerschaften" amtlich registrieren lassen - mit Steuer- und erbrechtlichen Folgen.

Die dänischen Homosexuellen-Vereinigungen haben selbst das, laut Meldung der Frankfurter Rundschau, nur als ersten Schritt in Richtung vollständige Angleichung -sprich Adoption von Kindern -betrachtet. Wenn wir so weitermachen, werden wir uns auch an diese Ungeheuerlichkeit gewöhnen. Das ist ja geradezu vorgezeichnet.

Mit welchem Argument sollte man diesen Wunsch auch ablehnen, wenn Homosexualität nicht ihrem Wesen nach pervers, sondern nur eine mögliche „Spielart menschlichen Lebens" ist? Wenn ich an die mögliche Konstellation: in vitro gezeugtes, von einem lesbischen Paar adoptiertes Kind denke - und die Aids-Problematik dazu -, halte ich mich doch lieber an die inspirierten Worte von Paulus als an Kamers zeitgeistfreundliche Umdeutungs-versuche.

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