Vatikan - © Pixabay / Annett_Klingner

Schwul - und dennoch katholisch

19451960198020002020

Neue, aber altbekannte Auseinandersetzungen um kirchliche Positionen zur Homosexualität.

19451960198020002020

Neue, aber altbekannte Auseinandersetzungen um kirchliche Positionen zur Homosexualität.

Werbung
Werbung
Werbung

Straßenbahnen waren den ganzen Juni mit Regenbogenfahnen dekoriert, auch von den Magistratischen Bezirksämtern Wiens flatterten die Erkennungszeichen der Schwulen- und Lesbenbewegung; am letzten Juni-Samstag defilierte schrilles Volk bei der Europride-Regenbogenparade über die Ringstraße. Das US-Magazin "Newsweek" feierte Wiens Homosexuellen-Event gar als Ausdruck besonderer Toleranz, die in Österreich trotz FP-Regierungsbeteiligung - oder: als Antithese dagegen - Einzug gehalten habe.

Sogar in der ÖVP begann das Outing: Einige Jungfunktionäre starteten mit erzbürgerlichen Argumenten und Postkarten ("Stark. Schwarz. Schwul.") eine Kampagne zur Umpolung der Parteimeinung - insbesondere was den Schutzalterparagraphen 209, der erwachsenen Männern Sex mit Burschen unter 18 Jahren verbietet, betrifft.

Nichts zu hören war zu all dem von der katholischen Kirche; als letztes Jahr die internationale Regenbogenparade in Rom stattfand, hatte es hingegen Proteste gehagelt: Der Vatikan hatte das Event als empfindliche Störung des Heiligen Jahres gebrandmarkt. Österreichs katholische Kirchenleitung setzte heuer dagegen nicht auf Protest. Zu solchem sah sie sich erst drei Wochen später veranlasst: Ein Positionspapier der Katholischen Männerbewegung ließ aufhorchen, weil darin nicht nur steht, dass Homosexualität keine Krankheit und nicht selbstgewählt ist, sondern es spricht auch vom Überdenken kirchlicher Positionen: rechtliche Absicherungen homosexueller Partnerschaften sollten ebenso diskutiert werden wie kirchliche Segensfeiern für diese, außerdem tritt das Papier der Katholischen Männerbewegung für eine einheitliche staatliche Festsetzung des Schutzalters - wenn ein solches überhaupt notwendig sei - mit 16 Jahren ein.

Diesen Positionen folgte der kirchliche Rüffel auf dem Fuß. In äußerst scharfem (St. Pöltens Kurt Krenn) oder konzilianterem Ton (der Grazer Hirte Egon Kapellari, Feldkirchs Klaus Küng und Militärbischof Christian Werner, der für die Katholische Männerbewegung zuständig ist) stellten die Bischöfe fest: Segnungen homosexueller Paare widersprechen kirchlicher Lehre; zum Paragraphen 209 forderten die Hirten - wie schon mehrfach zuvor - ein einheitliches Schutzalter von 18 Jahren für homo- wie heterosexuelle Kontakte.

Die katholische Lehrposition ist strikt: Homosexualität wird zwar auch im Weltkatechismus als "nicht selbst gewählt" anerkannt und: "Man hüte sich, sie [homosexuell Veranlagte] in irgend einer Weise ungerecht zurückzusetzen." Aber der Weltkatechismus lässt keinen Zweifel: "Homosexuelle sind zur Keuschheit gerufen", er fordert von ihnen die "Tugenden der Selbstbeherrschung".

Ebenso kein Zweifel dürfte daran herrschen, dass Rom in Sachen "Homosexualität" unbeweglich bleibt. Nicht zufällig ortete der Chef der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, gerade im 1998 beim "Dialog für Österreich" in Salzburg beschlossenen Votum zu "Homosexualität" Glaubensirrtümer: Drei Viertel der von den Bischöfen nominierten Delegierten aus ganz Österreich hatten bei der Salzburger Versammlung der Vorlage zugestimmt, nach der auch Homosexuelle unter der "sittlichen Verpflichtung" stünden, "ihre geschlechtliche Art zu bejahen und verantwortlich in das gesamte menschliche Verhalten zu integrieren". Es ist somit auch kein Zufall, dass das in diesem Votum geforderte bischöfliche Positionspapier über pastorale Leitlinien zur Homosexualität zumindest nicht öffentlich bekannt wurde.

Kirche vs. Realität?

Ebenso kein Zufall ist es, dass im katholischen Milieu Ansichten zur Homosexualität analog den Positionen der Katholischen Männerbewegung immer wieder laut werden. Und meistens von offenen oder versteckten (= Anzeige in Rom) Konflikten zwischen konservativen und liberalen Katholiken begleitet sind: Vor eineinhalb Jahren etwa musste ein Solidaritätspreis der Linzer Kirchenzeitung, der der Homosexuelleninitiative HOSI verliehen werden sollte, wieder zurückgezogen werden. Ein anderes Beispiel: In der Diözese Graz erregte ein Anfang 2001 aufgelegter Folder des diözesanen Pastoralamtes zur "Seelsorge mit homosexuellen Menschen" einige Gemüter. Der Folder war bald vergriffen, er wird, so Heinz Schubert von der steirischen "Arbeitsgemeinschaft Homosexualität und Glaube", zur Zeit nicht neu aufgelegt.

Der mit diesen Beispielen angedeutete Konflikt zwischen Kirchenlehre und gesellschaftlicher Realität ist nicht neu. Er verschärft sich allerdings auch hierzulande. Paradoxerweise trägt gerade das pastorale Bemühen um Homosexuelle, wie es schon der Weltkatechismus anregt, aber auch alle Bischofs-Stellungnahmen - außer jener Kurt Krenns - zur Katholischen Männerbewegung beteuern, dazu bei. Seelsorger in der Homosexuellenpastoral bestätigen ebenfalls: Sich auf Homosexuelle einzulassen, endet fast immer bei der Frage, ob und wie diese ihre sexuelle Orientierung annehmen und leben können.

Im eben erschienenen Diskussionsband "Eingetragene Lebenspartnerschaft" (Verlag F. Pustet, Regensburg) schreibt der Innsbrucker Jesuit und Moraltheologe Hans Rotter: "Einige kirchliche Lehräußerungen verlangen vom Homosexuellen völlige geschlechtliche Enthaltung. [...] Damit verlangt man mehr als vom zölibatären Priester. Denn dieser wird zu seinem Stand nicht gezwungen, sondern soll sich in Freiheit dazu entscheiden. [...] Vom Homosexuellen dagegen verlangt man die völlige geschlechtliche Enthaltung unabhängig von seiner Freiheitsentscheidung. Viele werden dadurch überfordert sein. Für sie käme es darauf an, sexuelle Beziehungen möglichst human und sittlich zu gestalten."

Rotters Position ist in der katholischen Kirche derzeit nicht konsensfähig. Das mag für mit Recht ungeduldige Betroffene schmerzlich sein. Es führt dennoch (auch für Bischöfe!) kein Weg daran vorbei, die Auseinandersetzung zwischen den Positionen weiter zu führen.

Aber bitte: Nicht über die Köpfe der Homosexuellen hinweg, sondern gemeinsam mit ihnen gilt es, gangbare Wege zu finden. Jedenfalls mit jenen Homosexuellen, welche ihre Hoffnung auf die Kirche noch nicht aufgegeben haben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung