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Hoffnung für eine triste Welt

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Wer halbwegs regelmäßig Nachrichten hört und Zeitungen liest, wird mit so vielen negativen Berichten konfrontiert, daß er nur allzu leicht entweder abstumpft oder verzagt.

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Wer halbwegs regelmäßig Nachrichten hört und Zeitungen liest, wird mit so vielen negativen Berichten konfrontiert, daß er nur allzu leicht entweder abstumpft oder verzagt.

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Per Post ins Haus geflattert kam die Zeitschrift der Österreichischen Hochschülerschaft. Ich schlage Seite zwei auf: Begrüßt wird das bevorstehende Fallen der Paragraphen 220 und 221 des Strafrechts („Werbung für Unzucht mit Personen des gleichen Geschlechts oder Unzucht mit Tieren" und „Verbindungen zu Begünstigung gleichgeschlechtlicher Unzucht"). Beklagt wird, daß der Justizminister männliche Jugendliche bis 18 weiterhin vor homosexueller Betätigung schützen wolle. Diesen werde „von Rechts wegen verordnet, mit Frauen zu verkehren oder enthaltsam zu leben."

Als Ergänzung auf Seite drei das ganzseitige Inserat einer Computerfirma: Als Blickfang eine nackte Frau auf allen vieren, die dem Leser ihr Hinterteil zum „Zupacken" entgegenstreckt.

„150.000 Ehefrauen werden jedes Jahr mißhandelt!", titelt die „Krone" (vom 8. April). Sie ergänzt auf der Aufschlagseite: „Schulterror ist kein Einzelfall" und illustriert mit der Suchaktion nach einer ermordeten Prostituierten...

Zugegeben: Studenten- und Boulevard-Blättern sind nicht repräsentativ. Aber Ähnliches findet man auch anderswo, wenn auch seriöser aufgemacht. Ich blättere in meinen Aufzeichnungen: In den nächsten 50 Jahren sollen voraussichtlich 40.000 Pflanzenarten verloren gehen, warnt die UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft. In Griechenland seien etwa 95 Prozent der heimischen Weizensorten in den letzten 40 Jahren verschwunden: ein unwiderbringlicher Verlust an genetischem Potential.

In Deutschland steigt die Kriminalität explosionsartig an: Um zehn Prozent mehr Gewaltverbrechen 1991; bei Raubüberfällen ein Anstieg von 31 Prozent! Ähnlich hohe Werte gibt es beim Anstieg der Kriminalität von Ausländem in Österreich.

Eine weitere Statistik läuft mir über den Weg: Anstieg der Geschlechtskrankheiten bei Mädchen. Kein Wunder, denn 60 Prozent aller 18jährigen sollen laut „Medizin populär" schon Geschlechtsverkehr haben. Allein in den USA müßten jährlich 250.000 Frauen nach Ansteckung mit Chlamydien operiert werden. Nicht seltene Folge: Unfruchtbarkeit schon mit 17.

Die UNO-Menschenrechtskom-mfssion warnt, der Handel mit Kindem zum Zwecke der Prostitution nehme immer größere Ausmaße an. Angst vor Aids treibe die „Kunden" dazu, sich immer jüngere Prostituierte zu suchen: Neun- bis Zehnjährige, meist aus Asien oder Lateinamerika - aber selbst Vierjährige seien vor Mißbrauch nicht sicher. Umschlagplätze dieses Handels seien Rom und Frankreich.

Weltweit schrumpft die Waldfläche. In den Tropen sei bereits die Hälfte des Regenwaldes vernichtet. Allein im Vorjahr dürfte eine Fläche doppelt so groß wie Österreich geschlagen worden sein.

In der ehemaligen Sowjetunion wird nun anscheinend alles zu Geld gemacht, was auf zahlungskräftige Nachfrage stößt. Besonders begehrt ist spaltbares Material für Atombomben. Es sei wahrscheinlich, „daß die unter Geldmangel leidende Kernindustrie sich dazu durchgerungen habe", einen Teil ihrer Bestände lukrativ an den Mann zu bringen, vermutet die „Presse". Die italienische „La Stampa" wiederum berichtete vom Handel mit „Menschenma-terial", den Leibern von im Mutterleib ermordeten Kindem. Lastwagenweise (eine Tonne täglich) werde die Fracht von St. Petersburg nach Frankreich gekarrt, Rohstoff für die Kosmetikindustrie...

Wenn diese Meldungen irgendeinen Sinn haben sollen, dann doch wohl den, uns über den Zustand dieser Welt die Augen zu öffnen. Das ist Karfreitag in unseren Tagen. Eine selbstherrliche Welt, die keine Schranken mehr kennt, trägt die vor 2.000 Jahren zu Ostern eröffneten Perspektiven zu Grabe. Sicher, in den Kirchen wird man in der Osternacht verkünden: „Christus ist auferstanden. Der Tod hat keinen Stachel mehr!" Aber wird die Welt, werden wir, die Nachricht aufnehmen?

Die Welt hat sich an die Wiederkehr der Ostertage gewöhnt. Der Kalender signalisiert ein verlängertes Wochenende. Ostern gehört zur Routine: Seit Aschermittwoch stehen Ostereier und -hasen in unserem Einkaufszentrum bereit, den Umsatz zu erhöhen. Der Fremdenverkehr kann dank der kühlen Witterung mit einem neuerlichen Ansturm auf die Skizentren rechnen. Die Ausfallstraßen der Städte werden verstopft und die Luft in den Alpentälem stark ozonhaltig sejn. Vielleicht werden einige am Ostersonntag einen Blick auf den Fernseher werfen: Der Segen „Urbi et Orbi" aus Rom, traditionelles Geschehen in einer Kirche, die irgendwie mit zur Staffage gehört. Als zerstrittener Haufen tritt sie in Erscheinung, scheint sich in inneren Querelen zu erschöpfen...

Welch unsagbare Tragödie, in einer derart dramatischen Zeit mit tierischem Emst über Ministrantinnen, Baukosten, Postenbesetzungen, Paragraphen, Ein- und Ausladung von Referenten zu debattieren!

Wie sollen all jene, die in unserer in vieler Hinsicht so tristen Welt nach Zeichen der Hoffnung Ausschau halten, erkennen, daß Ostern die große Wende in der Geschichte gewesen ist, wenn wir Christen so weltlich, so angepaßt denken, reden und leben? Wenn wir uns in kleinlichem Streit verzetteln?

Unsere Lauheit, unsere Zerstrit-tenheit ist das eigentliche Problem unserer Zeit. Jesus hat klar gesagt, daß allein die Einheit der Christen die Welt überzeugen werde: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast." (Joh 17,21) Um die wahre Tauferneuerung geht es zu Ostern 1992.

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