Camerons absurde Europapolitik

Werbung
Werbung
Werbung

Ist Großbritanniens Platz noch in der EU? Die Ankündigung des britischen Premierministers für ein EU-Referendum lässt Die Zeit daran zweifeln.

Die Absurdität der europapolitischen Linie David Camerons ist offenkundig: Nach den nächsten Wahlen in Großbritannien im Jahr 2015 will der Premier mit der EU ein neues Arrangement aushandeln. Das setzt nicht nur seinen Wahlsieg voraus, sondern noch dazu eine absolute Mehrheit für die Konservativen - nicht völlig undenkbar, aber höchst unwahrscheinlich. Außerdem müsste die EU erst einmal bereit sein, alle bestehenden Vereinbarungen infrage zu stellen. Noch unwahrscheinlicher ist, dass es die 26 Mitgliedstaaten nach solchen Verhandlungen allein den Briten überlassen würden, ob die das Ausgehandelte zufriedenstellend finden oder es doch lieber per Referendum ablehnen wollen.Optimisten auf der Insel verweisen mit gewissem Recht darauf, dass Großbritannien ganz und gar nicht isoliert dasteht: Die nordwesteuropäischen Länder teilen durchaus die britische Kritik einer "unreformierten, überregulierten und mittelmäßigen EU“. Das heißt aber noch lange nicht, sie wären derart generös gegenüber einem ewig nörgelnden Partner, der den Verdacht nährt, sich immer nur die besten Rosinen aus dem europäischen Kuchen herauspicken zu wollen.

Hoffnung auf Angela Merkel

Cameron hofft insgeheim auf Angela Merkel, die mehr als einmal betont hat, wie wichtig, ja unverzichtbar die britische Mitgliedschaft für die Europäische Union sei. Doch selbst Merkels Geduld kennt Grenzen. Niemand lässt sich gern die Pistole auf die Brust setzen und mit dem Auszug drohen, sollten nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen.

Das letzte illusorische Element der Cameronschen Taktik gegenüber Europa ist das Referendum selbst, mit dem er die britische Nation auffordern will, das ausgehandelte Arrangement für gut zu befinden oder nicht. Rein oder raus - diese Frage soll nicht gestellt werden. Was immer aber zur Abstimmung steht, das Volk dürfte es mit hoher Wahrscheinlichkeit ablehnen.Warum? Weil angesichts der feindseligen Stimmung das Kürzel EU in einer Frage ausreicht, damit die Neinsager in der Mehrheit sind. Und weil Referenden generell als willkommene Gelegenheit angesehen werden, den Regierenden eins auszuwischen.

Dann lieber gleich "raus“ oder "rein“

Im Übrigen verlangt Camerons Europa-Kurs, noch einmal fünf Jahre zu warten - eine abstruse Vorstellung. Denn niemand weiß, wie es um die Euro-Zone in zwei, geschweige denn in fünf Jahren stehen wird. Ist sie kleiner geworden, steht sie vor dem Kollaps, oder hat sie sich gefestigt?

Cameron, gehetzt von der eigenen Partei, getrieben von der Angst vor der Konkurrenz der UK Independence Party, die so rasch wie möglich aus der EU herauswill, hat sich in eine unmögliche Position manövriert. Es ist auch nur ein schwacher Trost für ihn, dass Labour-Chef Ed Miliband ein ähnliches Spiel treibt.

Seine Rede, ob nun gehalten oder nicht, stößt ins Leere. Besser wäre, der Premier verzichtete ganz darauf, seine "Vision“ für Europa zu erläutern. Dann bliebe es ihm zumindest erspart, eine Position zu beziehen, die in ein paar Jahren bereits Makulatur geworden ist. So aber wird Großbritannien dazu verdammt sein, mit der Ungewissheit und den möglichen negativen wirtschaftlichen Folgen einer unausgegorenen Politik leben zu müssen.

Wahrscheinlich mehren sich gerade deshalb unter erklärten Proeuropäern in Großbritannien die Stimmen, die für ein frühes Referendum noch vor den nächsten Wahlen drängen - mit der Frage "rein oder raus“. Zumindest wüssten die Briten und Europa danach, woran sie wären.

* Aus Die Zeit-Online, 23. Jänner 2013|

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung