Ein Eingreifen wird unumgänglich

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Syriens Regime wird nicht von alleine stürzen. Die Opposition braucht die Unterstützung der Staatengemeinschaft, so der Schweizer Tagesanzeiger.

Es ist Zeit, sich Gedanken zu machen über eine Intervention in Syrien. Angesichts des Fiaskos der Beobachtermission der Arabischen Liga und der eskalierenden Gewalt gegen das syrische Volk ist klar, dass ein Eingreifen unumgänglich ist. Unklar ist, wie eine Intervention aussehen könnte.

64 Tote am Sonntag, 98 am Samstag, 60 am Tag zuvor, 43 vor vier Tagen. Seit bald einem Jahr dokumentieren die lokalen Revolutionskomitees (LCC) die Opfer des Aufstands gegen das Regime von Präsident Bashar al-Assad. Erst wöchentlich, dann täglich, jetzt stündlich. Zusammengezählt sind seit Beginn der Proteste im letzten Frühling mindestens 7022 Menschen getötet worden, die meisten Zivilisten, unter ihnen 178 Frauen und 464 Kinder und Jugendliche. 18.000 Syrerinnen und Syrer sitzen im Gefängnis. Vermutlich mehr. Fast alle werden gefoltert. Einmal, zweimal, vielmal am Tag. Manche, bis sie tot sind. Genaue Zahlen hat niemand. Sicher ist nur, dass die Zahl der Opfer in den vergangenen Monaten nicht abgenommen hat, sondern gestiegen ist - und zwar immer rascher.

Krieg gegen die eigenen Bürger

Klar ist auch, dass Assad und seine Clique nicht aus freien Stücken von der Macht lassen werden. Der Präsident verkündet zwar allenthalben neue Reformen und Gesetzesänderungen, und er scheint entschlossen, die mehrfach verschobenen Parlamentswahlen Ende Februar durchführen zu lassen. Doch gleichzeitig haben die Sicherheitskräfte den Kampf gegen die Opposition ausgeweitet und verschärft. Und Assad will die "Terroristen und Kriminellen“, die seine Macht bedrohen, mit "eiserner Faust“ verfolgen und vernichten.

Die meisten Kommentatoren sagen, Syrien befinde sich am Rande eines Bürgerkriegs. Mittlerweile bombardiert das Militär wahllos ganze Viertel. Solche Angriffe, sagen Augenzeugen, sollen "Angst und Schrecken“ unter den Bewohnern verbreiten.

Ist angesichts dieses Zustandes Zuschauen noch eine Option? Sind Rücktrittsforderungen an die Adresse Assads genug? Darf man Millionen von Syrerinnen und Syrer, die gegen eines der brutalsten Regimes dieser Welt aufgestanden sind, einfach ihrem tödlichen Schicksal überlassen?

Schutzzonen könnten helfen

"Die Friedfertigkeit der Demonstrationen ist unsere stärkste Waffe“, sagt Hozan Ibrahim, ein Revolutionär der ersten Stunde und Mitglied der lokalen Koordinationskomitees, die den Aufstand gegen Assad in den Dörfern und Städten unter Lebensgefahr organisieren. Aber auch Ibrahim sagt heute, die Zeit des Zuwartens laufe ab. Gleich wie der Syrische Nationalrat, die grösste Oppositionsbewegung, fordern die LCC die Einrichtung von Schutzzonen für die syrische Bevölkerung. Gegner einer Intervention verweisen auf das Risiko einer Ausbreitung des Konfliktes. Dabei hat die Internationalisierung längst begonnen. Allerdings nur zugunsten des Regimes in Damaskus. Der Iran hat Militärberater nach Syrien geschickt, Offiziere der Revolutionsgarden, die viel Erfahrung im Niederschlagen von Unruhen haben. Zuletzt hat der Iran im Sommer 2009 vorgemacht, wie ein friedlicher Aufstand in wenigen Wochen nachhaltig aus der Welt geschafft wird.

Russland, die letzte grosse Schutzmacht des Assad-Regimes, versorgt die syrischen Sicherheitskräfte mit Waffen und Munition. Zuletzt brachte der Frachter Chariot dem bedrängten Despoten Anfang Januar sechzig Tonnen Munition aus Sankt Petersburg. Schliesslich wird Assad neuerdings auch von Kämpfern der schiitischen der Hizbollah unterstützt.

* Tagesanzeiger Zürich, 1. Februar 2012

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