Die "verbeulte" Institution

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Das erste, was Bischof Alois Schwarz, dem Protagonisten der aktuellen kirchlichen Causa prima, bescheinigt werden muss, ist verheerende Krisenkommunikation. Und zwar nicht nur in den letzten Tagen, als er, nachdem Rom die Veröffentlichung des Prüfberichts der Kärntner Diözesanleitung über die Schwarz'sche Amtszeit verhindert hat, aus ebendiesem Bericht zitierte und sich als mehr oder weniger reingewaschen gerierte. Nachdem das Klagenfurter Domkapitel diesen Bericht nun doch veröffentlicht hat, ist klar: Das stimmt nicht. Im Gegenteil finden sich auf den sechs Seiten wirtschaftliche Vorwürfe gegen den bis Juni in Kärnten amtierenden Bischof, dazu schwere Anwürfe gegen Leitungsstil, Personalentscheidungen und auch die persönliche Lebensführung sowie die Abhängigkeit von einer engen Mitarbeiterin. Nachdem diese Vorwürfe aber schon im Sommer öffentlich auf dem Tisch lagen, hätte Schwarz, der seit damals ja Bischof von St. Pölten ist, sich erklären müssen, anstatt die Sache aussitzen zu wollen. Im säkularen Bereich könnte sich keine öffentliche Person Derartiges leisten. Und ein Bischof ist eben auch eine solche: Er kann die Vorwürfe weder in der Sache noch seine Person betreffend auf sich beruhen lassen und Business as usual mimen.

Strukturelle Probleme sind nicht überwunden

Das zweite, was die Causa delikat macht, sind strukturelle Probleme: Man hatte geglaubt, dass kirchliche Intransparenz nicht zuletzt bei finanziellen Fragen überwunden wäre. Aber man muss feststellen, dass feudale Strukturen und feudales Gehabe in der katholischen Kirche mitnichten der Vergangenheit angehören. Dass das bischöfliche Mensalgut (in Kärnten "Bistum" genannt) so sehr nach dem Gutdünken einer Person verwendet werden kann, die - wenn der Prüfbericht stimmt - überdies auch die Kontrollinstanzen dazu ausschalten konnte, sollte in der Kirche des 21. Jahrhunderts nicht mehr möglich sein.

Und widerspricht natürlich allem, was auch der gegenwärtige Papst von seinen Bischöfen verlangt.

Dabei geht es nicht nur um ein "System Schwarz", das das Klagenfurter Domkapitel nun so heftig kritisiert, sondern letztlich auch um das "System Kirche". Denn fehlende Offenheit und mangelnde Nachvollziehbarkeit bei Entscheidungen sind diesem System immer noch eingeschrieben. Seit Jahr und Tag kritisieren viele etwa den Modus der Bischofsbestellungen. Derartiges System verleitet dazu, sich hinter einem Amt oder Rom zu verschanzen. Das funktioniert aber nicht mehr, denn die katholische Kirche ist längst zur "verbeulten" Institution (© Franziskus) geworden, in der nicht mehr fraglos alles akzeptiert wird.

Klagenfurter Domkapitel hat Gordischen Knoten zerschlagen

Nach den Veränderungsprozessen und Transparenzgelöbnissen der Kirchenleitungen ob der Missbrauchskrise manifestieren sich da erneut die Schwächen der Institution. Man ist dem Klagenfurter Domkapitel dankbar, dass es hier einen Gordischen Knoten zerschlagen hat und das Geraune aus den kirchlichen Couloirs endgültig in die öffentliche Diskussion gezwungen hat.

Das mag schmerzlich sein. Ist aber notwendig. Natürlich offenbaren die Vorgänge, dass die Ära Schwarz in Kärnten tiefe Wunden hinterlassen hat, und dass die Versuchung groß ist, nun öffentlich Schmutzwäsche zu waschen. Doch sie zeigen auch, dass die Kirche sich, allen Unkenrufen zum Trotz, in einem Transformationsprozess befindet: Noch vor wenigen Wochen hätte niemand für möglich gehalten, dass ein ehrwürdiges Domkapitel sich kein Blatt mehr vor den Mund nimmt.

Bleibt die Frage, was sich Katholikin und Katholik nun von Bischof Schwarz erwarten. Im säkularen Bereich würden sie fordern, eine öffentliche Person habe sich den Vorwürfen zu stellen; sie sollte ihr Amt jedenfalls ruhen lassen, bis eine unabhängige Untersuchung stattgefunden hat. Ob aber die katholische Kirche für solches Prozedere der Katharsis schon bereit ist?

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