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Ein strahlender Herbst-Himmel über Österreich. Im Schatten mächtiger Mauern trägt eine Hochzeits-Gesellschaft ihre Sekt-Kisten in den weitläufigen Klosterhof. Ganze Busladungen mit Kulturbeflissenen marschieren erwartungsvoll in eine Sonder-Ausstellung über Werden und Wachsen der berühmten Abtei. Und im Kreuzgang posieren Familien für festliche Erinnerungsfotos.

Nur einen Steinwurf entfernt aber diskutieren engagierte Katholikinnen und Katholiken bei ihrem alljährlichen Wochenend-Treffen über die großen Ängste unserer Zeit - und die Hoffnungen, die uns Kirche und Glaube bieten könnten.

Irgendwann aber landen die Gespräche am Rande genau dort, wo sie die Kirche und ihre Getreuen derzeit am meisten schmerzen: beim Schock über das Ausmaß klerikaler Missbrauchs-Verbrechen. Vor allem bei der Suche, wie so furchtbare Versagen erklärbar und künftig auszuschließen sein könnten. Und fragen sich:

Hat das Ansehen und die "Heiligkeit" des Priester-Amtes den Zugriff auf jugendliche Opfer und die enorme Vertuschung durch die Hierarchie erleichtert?

Hat der -anfangs sicher freiwillige - priesterliche Verzicht auf Geborgenheit, Zärtlichkeit und Leiblichkeit die Täter letztlich überfordert und scheitern lassen?

Hat sich manche verkorkste Sexualität hinter der Ehelosigkeit besser verstecken können als anderswo? Und sich irgendwann auch jeden Ausweg aus den inneren Widersprüchen verbaut?

Obwohl zunächst betont, verliert das Argument von der Schuldlosigkeit des Zölibats am Missbrauch bald seine Glaubwürdigkeit in der Runde. Vom Wechselspiel zwischen Verbot und Versuchung ist die Rede, auch von Schein und Sein.

enttäuschung und empörung

Und einige im Kreis sehen in der jahrhundertealten Diskriminierung der Frauen jetzt auch eine existenzielle Bedrohung für die Kirche: Im 21. Jahrhundert sei die Enttäuschung und Empörung vieler junger Mütter einfach zu groß geworden, um den Glauben ihrer frühen Jahre noch an ihre Kinder weiterzugeben. Dieser Verzicht werde die Kirche noch in ihrer vollen Wucht treffen, heißt es; und das gerade nach einem Jahrhundert, in dem alle großen Ideologien an ihrer Hybris gescheitert seien -und sich der christliche Glaube letztlich als die einzig tragfähige Überlebens-Botschaft erwiesen habe: in seinem Bekenntnis zu Gerechtigkeit, Freiheit und Geschwisterlichkeit, zu Nächsten-, gar Feindesliebe - und in seiner so aktuellen Sorge um die Bewahrung der Schöpfung.

Unerschütterlich wie die Klostermauern vor den Fenstern ist an diesem Tag der Ruf der Runde nach einer kritischen Selbstüberprüfung der Kirche. Denn, so steht es anderntags in einer großen deutschen Zeitung: "Jetzt kocht die Volksseele". Und ein ehemaliger Benediktinerpater erinnert im Interview nicht zufällig an den Satz des einstigen Münchner Kardinals Faulhaber (

1952):"Die Stimme der Zeit ist auch die Stimme Gottes."

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