Krenn weg - alles paletti?

Werbung
Werbung
Werbung

Es wäre fatal, hätten wir uns bereits damit abgefunden, an der Situation der Gesamtkirche nichts ändern zu können. Ein Einwurf von Ulrich Schmotzer

Bischof Kurt Krenn hat den Standpunkt Roms vertreten und dadurch die katholische Kirche Österreichs polarisiert. Er wurde wegen der Missstände im St. Pöltner Priesterseminar abberufen. Die eigentliche Ursache des Konflikts blieb ausgespart: Die katholische Kirche "geht davon aus, dass der Papst und ... die Bischöfe in Fragen des Glaubens und der Sitten unfehlbar sind und alle ihre Lehren von den Gläubigen mit religiösem Gehorsam' zu befolgen seien" (P. Weß, Furche 31/04). Dieser umfassende Unfehlbarkeitsanspruch wird von den wenigsten Katholiken akzeptiert.

Wieweit kann die Kirche überzeugen?

Die Kirche hat wenig Möglichkeiten, ihren Anspruch durchzusetzen. Ihre finanziellen Mittel sind beschränkt. Ihr personeller Einfluss erstreckt sich im wesentlichen auf die Amtsträger und beruflich von der Kirche abhängige Personen. Selbst hier stößt die Einflussnahme an Grenzen, wie die Abberufung Krenns zeigt. Auf die totale Konfrontation innerhalb eines Kirchenvolkes will es Rom nicht ankommen lassen, auch nicht um der "Wahrheit" willen. Am Einfluss auf die übrigen Gläubigen wird in den Konzilsdokumenten festgehalten: Die Gläubigen "sollen ..., was die geweihten Hirten ... als Lehrer und Leiter ... festsetzen, in christlichem Gehorsam bereitwillig aufnehmen"; es heißt aber auch, dass die Hirten die "gerechte Freiheit, die allen im irdischen bürgerlichen Bereich zusteht, ... sorgfältig anerkennen" sollen (Dogmatische Konstitution über die Kirche, 37). Dabei kann es durchaus sein, dass Katholiken in ein und derselben Frage zu unterschiedlichen Auffassungen kommen (vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, 43).

Von der Vorstellung, dass die Katholiken ihre weltlichen Angelegenheiten unter Anleitung des Papstes und der Bischöfe vorzunehmen hätten, ist man offensichtlich mit Fortschreiten des Zweiten Vatikanischen Konzils immer mehr abgekommen. Die große Spannweite der Konzilsaussagen erfordert aber eine klärende Interpretation.

Auf die Möglichkeit moralischen Druck auszuüben, wie dies früher über Beichte und Lossprechung geschehen ist, hat die Kirche mehr und mehr verzichtet. Statt eines strafenden Gottes wird heute vorwiegend ein Gott der Barmherzigkeit vermittelt. Die Lehre hält allerdings an einem Richter-Gott fest. Eine Klärung dieser schwerwiegenden Frage ist wohl kaum zu erwarten.

Außerhalb der religiösen Geheimnisse bleibt also das Überzeugen als wichtigstes Mittel, kirchliche Vorstellungen unter den Gläubigen zu verbreiten. Überzeugen kann man aber nur, wenn man auf vernünftige Einwendungen vernünftige Antworten gibt.

Gegen das Auslegungsmonopol des Vatikans

Rom hat die Interpretation der Konzilsbeschlüsse an sich gezogen. Dabei stützen sich die vatikanischen Stellen häufig auf jene Passagen, die als Zugeständnis an die konservative Minderheit beschlossen wurden, und lassen die übrigen, den Mehrheitswillen des Konzils wiedergebenden Aussagen außer Betracht. Unklar bleibt, warum die Bischöfe sich das gefallen lassen. Sie haben mit Zweidrittelmehrheiten in Gemeinschaft mit den jeweiligen Päpsten die Lehre und das Bild der katholischen Kirche neu dargelegt. Sie tragen daher auch die Verantwortung dafür, dass die Konzilsbeschlüsse richtig umgesetzt werden.

Für mehr öffentliches Engagement der Bischöfe

Nur ein verhältnismäßig kleiner Prozentsatz der Katholiken kann über Gottesdienste und kirchliche Medien erreicht werden. Die Mehrheit bildet sich ihre Meinung auf Grund des öffentlichen Diskurses in den allgemeinen Medien. An diesen Diskussionen nehmen die wenigsten Bischöfe teil. In dieser Beziehung ist Kurt Krenn ein Vorbild: Er hat seine Überzeugungen konsequent vertreten, und zwar öffentlich; er hat die Dinge auf den Punkt gebracht, und dies in einer allgemein verständlichen Form; und er hat dabei keine Auseinandersetzung gescheut.

Gegen die tendenziöse Auslegung der Konzilsdokumente hätten sich die Bischöfe klar und öffentlich zu Wort melden müssen. Ein Beispiel: Krenn hat die Zusatzerklärung der österreichischen Bischöfe zum päpstlichen Lehrschreiben "Humane vitae" kritisiert. In dieser Erklärung wurde festgestellt, dass die Gläubigen ihr Sexualleben - nach reiflicher Abwägung der kirchlichen Lehre mit ihren eigenen Überzeugungen - gemäß ihrem Gewissen gestalten können. Krenns Einwand: Ja, aber es muss sich um ein recht gebildetes Gewissen handeln, und ein solches Gewissen kann nur identisch mit der römischen Lehre sein. Die Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils über das Gewissen sagen etwas anderes. Nach meiner Erinnerung hat nur Kardinal König eine Bemerkung zu den stark diskutierten Feststellungen Krenns gemacht, eine gleichgewichtige öffentliche Richtigstellung ist nicht erfolgt. So entsteht ein negatives Bild von der katholischen Kirche.

Rom ist weit, wir in Österreich...: keine Lösung

Mit dem Rücktritt Krenns ist es nicht getan, ein Neuanfang tut not etc.: So lauten die Aufrufe. Aber kurze Zeit nach Krenns Abberufung ist Skepsis angebracht. Wie soll die Passage im Hirtenwort der Bischöfe vom 7. 10. 2004 verstanden werden, wonach "ein Miteinander behindert wird, wenn eine Gruppe in der Kirche lediglich über eine andere Gruppe siegen' will"? Steckt dahinter der Wunsch zur Koexistenz zweier (oder mehrerer) katholischer Kirchen? Dort die römische Zentrale, da die Landes- oder gar die Diözesankirchen mit jeweils anderen Kirchenbildern. Steckt dahinter das resignative Eingeständnis, an der Gesamtkirche nichts ändern zu können? Eine solche Haltung entspräche gewiss nicht dem Wunsch vieler engagierter Katholiken.

Das vielleicht erhoffte ruhige und unauffällige Sich-Einrichten in den Landes- bzw. Diözesankirchen würde spätestens dann als Illusion entlarvt werden, wenn neue Erklärungen des Vatikans auf Ablehnung der Gläubigen stoßen. Und die Medien würden nach wie vor ihr Bild von der katholischen Kirche aus solchen Erklärungen ableiten.

Daher sollte in erster Linie getrachtet werden, die Auffassungen, wie sie die Bischöfe mehrheitlich und in Gemeinschaft mit den Päpsten beim II. Vaticanum beschlossen haben, in die Praxis umzusetzen, damit die katholische Kirche wieder für mehr Menschen attraktiv wird und ihrem Heilsauftrag nachkommt.

Der Autor war Grundsatzreferent im Österreichischen Bauernbund, dann Leiter des Instituts für Agrarpolitik der Landwirtschaftskammern, jetzt in Pension.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung