Heißer Herbst der Euro-Gespenster

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Die kommenden Monate werden über das Schicksal des Euro entscheiden, und über die Belastbarkeit der EU. Die Vorzeichen stehen nicht gut.

Mit der Wirtschaftskrise und ihrer Bekämpfung gehen, so konstatierte jüngst das renommierte Manager-Magazin, auffällige Ermüdungserscheinungen des politischen Führungspersonals Europas einher. Nun ist Müdigkeit nicht unbedingt schlecht - doch Müdigkeit just nach den auch für die Politik erholsamen Sommerferien? Müde Menschen neigen zur Unachtsamkeit, zur vorschnellen Entscheidung und zum Wunschdenken, sagen Schlafforscher - und schon der friulanische Volksmund weiß: "Wer müde ist, der merkt die Flöhe nicht.“

Manchmal werden da drohende Gefahren beiseitegeschoben, Ausschnitte der Realität einfach als Gesamtbild genommen und Horizonte blühend gemalt, auf welche eigentlich die Beschreibung "trostlose Einöde“ weit besser passte. Und das alles just zu Beginn eines Herbstes, der von zahlreichen Experten, Ökonomen und Spitzenbankmanagern als schicksalhaft für die Zukunft des Euro und Europas bezeichnet wird. Das gilt besonders für die Eurozone und mit ihr auch für die Weltwirtschaft im Allgemein. Griechenlands Misere ist längst eine europäische, aber je mehr sie sich ausweitet desto stämmiger werden die Fantasien, es handle sich um ein Problem, das mit dem Ausschluss des Landes aus der Union bekämpft werden könne. Der finnische und der österreichische Außenminister, dazu noch zahlreiche Spitzenvertreter von CSU, CDU und FDP ließen sich dabei vernehmen. Michael Spindelegger etwa mit der Forderung, Länder, die sich nicht an Regeln halten, sollten ausgeschlossen werden können.

Bittour der Griechen

Derlei Wortspenden waren so etwas wie das Amuse-Gueule für die seit Montag auf Bittstellertour befindliche griechische Regierung in Europas Hauptstädten. Die Regierung in Athen benötigt unverzerrt gesprochen 14 Milliarden an neuen Finanzhilfen, um nicht bis 2014 bankrott zu gehen. Hätten die Politiker die Analyse der bisher geleisteten griechischen Anstrengungen (-20 Prozent Budgetaufwendungen durch Steuern und Einsparungen) und das grimmige Umfeld (Arbeitslosigkeit, Depression, globale Rezession) studiert, in dem sich das Drama Weltwirtschaft derzeit entfaltet, wäre wohl nicht sofort ein "Njet zum dritten Hilfspaket“ durch den deutschen Finanzminister Schäuble ertönt. Und auch die Analyse des deutschen Außenministers Guido Westerwelle, die Lösung von Griechenlands Problem hänge allein von Griechenland selbst ab, wäre wohl etwas nuancierter ausgefallen. Selbst der gestrenge Ex-Volkswirt der EZB, Jürgen Stark, wiewohl für den Austritt Griechenlands aus der Eurozone, fürchtet letztlich um Europa: "Die Integration des Kerns darf nicht verloren gehen. Sonst bekommen wir ein Desaster historischen Ausmaßes.“

Gefahren für Österreich

Das bestätigt eine zu wenig beachtete Studie des Internationalen Währungsfonds - eine Prognose, welche die Folgen einer außer Kontrolle geratenen Budgetkrise in einem Land der Eurozone, sprich ein Bankrott Griechenlands oder Spaniens, auf Europa und die globale Wirtschaft haben könnte.

Allein die Lasten dieser "Spillover Effects“, die Österreich da zu tragen hätte, sind enorm: Bis zu sieben Prozent minus des Bruttoinlandsproduktes in den ersten beiden Jahren im negativen Fall. Bis zu minus 5.5 Prozent, wenn die Politik harte Gegensteuerungsmaßnahmen ergreift. Am härtesten betroffen wären Spanien, Italien, Griechenland und Portugal, die jeweils mehr als sieben Prozent ihres Nationalproduktes einbüßen würden.

Keiner der genannten Staaten, das sollte noch hinzugefügt werden, hätte das Potenzial, einen solchen Einbruch mit Steuergeld aufzufangen, wie das 2008 der Fall war. Auf der anderen Seite der Skala würden auch Deutschland, Skandinavien und die baltischen Staaten Bruttonationalprodukt-Rückgänge von minus vier Prozent erleiden. Der vielleicht alarmierndste Satz der IWF-Studie ist aber, dass der Meltdown in den südlichen Staaten Europas bereits begonnen hat.

Mit umso mehr Beunruhigung wurden von vielen Ökonomen auch die Äußerungen des deutschen Finanzministers aufgenommen, kein Hilfspaket für Griechenland mehr tolerieren zu können. Denn längst geht es nicht mehr nur um Griechenland. Spanien wird in den kommenden Wochen, so heißt es in Brüsseler Kommissionskreisen, um weitere Hilfsmilliarden ansuchen, diesmal allerdings nicht für seine Banken, sondern für sein überdehntes Budget. Italiens Ministerpräsident Mario Monti muss schon alle paar Tage Äußerungen seiner Minister dementieren, die öffentlich über ein Ansuchen Italiens um Finanzhilfe sinnieren.

Und das europäische Tandem? Frankreichs Präsident François Hollande steht vor einer Schieflage der französischen Ökonomie, 33 Milliarden Euro fehlen bis 2014. Anstatt zu sparen, hat die Regierung bisher nur Steuern und Ausgaben erhöht. Nun aber vergeht kaum eine Woche ohne die Ankündigung von französischen Großkonzernen, Tausende Arbeitnehmer entlassen zu wollen.

Nicht nur der Autohersteller Peugeot ist darunter, sondern auch die Firmen Alcatel, Sanofi und die Air France sowie der Stahlkonzern Arcelor. Insgesamt über 20.000 Jobs könnten so in den kommenden Monaten verloren gehen. All das erhöht den Druck auf François Hollande, der ankündigte, sein Land mit "Normalität“ aus der Krise zu führen, und von dem nun doch jene Wunder erwartet werden, die er versprochen hat: Arbeitsplätze, mehr Sozialstaat, mehr Gerechtigkeit.

Deutschland unter Druck

Deutschland selbst ist eine der wenigen Volkswirtschaften Europas, die noch nicht stagniert. Doch die wirtschaftliche wie die politische Wirklichkeit zeigen keine rosige Zukunft. Der für Deutschland in der Krise so wichtige Exportmarkt China plagt sich mit der Aufrechterhaltung seines Wachstums und mit einem Einbruch der Inlandsnachfrage, die Erholung des anderen Wirtschaftspartners, der USA lahmt. Und die Eurokrise lässt den Binnenabsatz einbrechen. Politisch befindet sich Angela Merkel in einem Minenfeld. Im Herbst entscheidet das Verfassungsgericht in Karlsruhe dazu noch über die Zulässigkeit einer Klage deutscher Ökonomen gegen den europäischen Rettungsmechanismus. Gleichzeitig will Südeuropa von ihr die Zustimmung zur Transferunion. Deutschland steht im Brennpunkt des Herbstes, unfreiwillig, wie Die Welt meint: "Für ein Land, das sich noch vor wenigen Jahren am liebsten im Lee der Geschichte versteckt hätte, ist das eine mentale Überforderung.“ Wohl auch mit dieser Gemengelage hängt der zuletzt in Expertenkreisen inflationäre Gebrauch eines Schlagworts zusammen, das aus der Börsenwelt stammt: Ein "Make or Break-Szenario“.

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