Schulhof Jugendliche Pause - © Foto: iStock / Vladimir Vladimirov

Zwetelina Ortega über Mehrsprachigkeit: "Kinder sind viel offener"

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In die Diskussion über den Nahostkonflikt mischt sich die Integrationsdebatte, weil in Wien jeder zweite Schüler im Alltag nicht Deutsch spricht. Linguistin Zwetelina Ortega sieht gerade darin aber eine Chance.

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In die Diskussion über den Nahostkonflikt mischt sich die Integrationsdebatte, weil in Wien jeder zweite Schüler im Alltag nicht Deutsch spricht. Linguistin Zwetelina Ortega sieht gerade darin aber eine Chance.

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Die Hälfte der Wiener Schülerinnen und Schüler hat laut Statistik Austria eine andere Umgangssprache als Deutsch. Das hat die Integrationsdebatte neu angeheizt. Sprachwissenschafterin Zwetelina Ortega hat als Gründungsgeschäftsführerin von „Wirtschaft für Integration“ den mehrsprachigen Redewettbewerb „Sag’s multi!“ entwickelt und gründete Gründerin des Beratungszentrums Linguamulti. Im Interview erklärt sie, welches Potenzial Mehrsprachigkeit birgt – auch in Konfliktsituationen.

DIE FURCHE: Frau Ortega, was versteht man eigentlich unter Umgangssprache?

Zwetelina Ortega: Es ist ein etwas unpräziser Begriff. Gemeint ist die Sprache, die wir im Alltag verwenden – wie der Name schon sagt, im Umgang mit anderen Menschen, mit Freundinnen und Freunden, mit Familie. Nicht ganz präzise ist die statistische Erhebung, wenn es heißt „eine andere Umgangssprache als“, weil viele Menschen eine weitere Umgangssprache neben Deutsch haben.

DIE FURCHE: Für ÖVP und FPÖ ist es „besorgniserregend“, dass die Hälfte der Wiener Schulkinder nicht Deutsch als Erstsprache hat. Sie orten „Integrationsversagen“...
Ortega:
Das ist natürlich keine sachliche Analyse der Lage. Dafür bräuchte man genauere Erhebungen – zum Beispiel: Wie hoch sind die Deutschkompetenzen der Kinder, die eine andere oder eine weitere Umgangssprache neben Deutsch haben, tatsächlich? Nur weil ein Kind Deutsch als Zweitsprache erworben hat oder neben Deutsch eine weitere Sprache erwirbt, kann man nicht schlussfolgern, dass die Deutschkompetenz nicht ausreichend ist. Und das Zweite ist, dass auch nicht differenziert wird: Geht es hier um Kinder in der Volksschule oder in der Sekundarstufe? Um welche Schultypen handelt es sich genau? Kinder in der Volksschule sind noch im Spracherwerbsprozess. Also selbst wenn sie noch nicht so gute Deutschkompetenzen hätten, haben sie die Chance, diese in den weiteren Jahren ausreichend zu erwerben. Wenn man ihnen gute Rahmenbedingungen gibt, ist alles noch möglich. Kinder sind in der Lage, ohne Weiteres zwei, drei oder sogar vier Sprachen auf sehr hohem Niveau zu erwerben.

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