HIrzberger - © Foto: Furche

Brief #56: Eine Welt, die ohne Platzhirsche kann

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In der Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diese Woche geht es um ein neues Miteinander.

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In der Kolumne "Erklär mir deine Welt" kommen Hubert Gaisbauer und Johanna Hirzberger miteinander ins Gespräch. Diese Woche geht es um ein neues Miteinander.

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Lieber Herr Gaisbauer!

Mir hängen die Augenringe bis zum Kinn. Meine letzten Tage waren lang und meine Nächte noch länger. Also vorab: Verzeihen Sie mir bitte, dass ich Ihnen heute mit einem müden (aber glücklichen) Hirn schreibe. Bevor ich Ihnen vom Grund meines Schlafentzugs erzähle, möchte ich aber auf Ihre Worte an mich eingehen. In Ihrem letzten Brief kritisieren Sie das „kulturlose Durcheinander von Themen“ im Radio, das Sie kaum ertragen können. Mich erinnert die mediale Abfolge von Berichten an Algorithmen und ich glaube, wir befinden uns gerade in einem Aushandlungsprozess darüber, wieviel sich Journalismus von Online-Dynamiken aneignen darf.

Grundsätzlich möchte ich positiv auf diese Entwicklungen blicken und mich darüber freuen, dass neue, innovative Produkte entstehen werden. Ich glaube nicht, dass die Abfolge von Medienberichten, wie Sie klagen, von Ignoranz getrieben ist. Eher ist es wohl ein hilfloser Schrei nach Aufmerksamkeit in einer Welt, die auch ohne Platzhirsche kann.

Ich gestehe, auch ich kann ohne. Und jetzt zu meiner Schlaflosigkeit. In der vergangenen Woche ist eine langersehnte Mitbewohnerin bei mir eingezogen. Sie ist eine Nachteule, die gern Party macht, wenn andere schlafen wollen. Aktuell gibt es auch noch ein paar grundlegende Unterschiede in unserer Vorstellung von Reinlichkeit. Haben Sie eigentlich je in einer WG gelebt? Ich finde es normal, dass man sich beim Zusammenleben aneinander gewöhnen muss. Aus meiner Erfahrung entstehen dann jedoch schöne Rituale, die verbinden. Gestern hatten wir einen gemeinsamen Spa-Day, ich habe ihre Haare gepflegt und sie mir meine Füße, mehr oder weniger. Wenn wir gemeinsam frühstücken, vergesse ich das Schlechte dieser Welt und sauge diesen Moment langsam und fokussiert ein. Was ist wichtiger: sich mit jeder Zelle seines Körpers erfüllt zu fühlen, glücklich zu sein, oder sich immer wieder in die Reibung zu begeben, um die Welt ein Stück gesünder machen zu wollen? Ich entscheide mich für Erstes und schaffe mir so meine eigene Pufferzone, mit der ich liebevoll und vorsichtig umgehe.

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