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Pladoyer des Architekten

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I.

Seit vielen Jahren waren die Gartenbau-giünde ein verwahrlostes Gelände im Gebiet der Ringstraße. An der Ringstraße standen die Reste des Gebäudes der Gartenbaugesellschaft, in deren Mittelteil sich das Gartenbaukino befand, während beiderseits dieses Mittelteiles in provisorischen ebenerdigen Gebäuden Geschäftslokale untergebracht waren, die sich um die Ecke in der Weihburggasse und ebenso in der Lieben-berggasse bis zum Coburg-Palais erstreckten. Dieser unwürdige Zustand war den Wienern, vor allem auch allen maßgebenden Stellen, wohlbekannt. Sicherlich ist hier eine Gelegenheit versäumt worden, um eine Lösung zu finden, die vielleicht die Anlage eines großen freien Platzes oder eines Parkes ermöglicht hätte.

Es sei nun hier auf die reale städtebauliche Ausgangssituation hingewiesen, die der jetzigen baulichen Entwicklung zugrunde liegt. Es wird heute viel vom Palais Coburg gesprochen und von der Bedeutung, die es für die Ringstraße habe. Nun wurde das Palais beiläufig um das Jahr 1845 erbaut, und zwar an der Stelle von mehreren kleineren Häusern, die dort am Rande der Bastei standen. Der Garten des Palais wurde auf der Kasemattendecke eines Restes der alten Basteien errichtet. Diese Anlage steht in keinerlei Beziehung und in keinerlei Zusammenhang mit der Ringstraße, die ja erst viel später angelegt wurde, ausgelöst durch das kaiserliche Edikt vom Jahre 1857, das die Schleifung der Befestigungen und die Verbauung des Glacis ermöglichte.

Als im Jahre 1864 das Gebäude der Gartenbau-Gesellschaft errichtet wurde, dachte man nicht daran, eine achsiale Straße zum Palais Coburg anzulegen, sondern es wurde parallel zur Ringstraße angelegt, mit dem Mittelrisalit, der heute noch steht. Es wurde jedoch richtigerweise hinter dem Haus der Gartenbaugesellschaft ei.. Garten vorgesehen, dessen Abschluß das erhöht liegende Coburg-Palais bildete.

Nun sieht aber der Stadtregulierungsplan auf den Gartenbaugründen zwei Baublöcke vor Csiehe Abbildung 2), zwischen denen eine 26 Meter breite Straße auf das Coburg-Palais zuführen soll. Diese Straße ist etwas breiter als die Johannesgasse oder die Weihburggasse; beide sind beiläufig 19 Meter breit. Man kann sich also gut vorstellen, daß bei einer solchen Verhauung durch eine Straßenschlucht ein willkürlicher Ausblick auf den Mittelrisalit des Coburg-Palais, das schräg zur Ringstraße steht, geschaffen worden wäre, auf den Mittelrisalit, der nie auf eine achsiale Wirkung berechnet war. sondern den Mittelpunkt einer breitgelagerten Fassade bildet.

II.

Knapp vor dem zweiten Weltkrieg wurde ein Wettbewerb für die Verbauung der Gartenbaugründe ausgeschrieben. Preisrichter war der international bekannte Architekt Salvisberg, Professor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich.

Der Verfasser dieser Zeilen erstellte damals ein Projekt, in welchem keine achsiale Straße angelegt war. sondern ein Platz geschaffen wurde, der U-förmie von Gebäuden umgeben

Vgl. hierzu den Artikel „Giftpilz am Gartenbau?“ in der „Furche“ Nr. 1/1960.

war und der das Coburg-Palais von diesem Platz voll zur Geltung kommen ließ, während von der Ringstraße aus nur beiderseits eines Mitteltraktes Durchblicke auf diesen Platz vorgesehen waren. Das Projekt erhielt damals den ersten Preis. Auch“ andere Projekte dieses Wettbewerbes wiesen ähnliche Lösungen auf.

Die damals gegebenen Anregungen wurden aber nicht aufgegriffen, sondern es blieb bei dem Regulierungsplan, der zwei starre Baublöcke mit der Mittelstraße beibehielt. Es ist nun unverständlich, daß eine solche Verbauung, die heute allgemein abgelehnt wird, Verteidiger findet.

Dieser Zweiteilung der Gartenbangründe entsprechend, gelangte der linke Bauplatz (A) in den Besitz der Alpinen Montangesellschaft, der rechte Bauplatz (B) wird nunmehr von den Baugesellschaften Porr und Universale verbaut. Es wurde bei beiden Bauteilen zunächst von der blockförmigen Randverbauung ausgegangen. Der Verfasser dieser Zeilen wurde bei beiden Teilen unabhängig voneinander und zu verschiedenen Zeiten zu Vorschlägen herangezogen. Bei beiden Teilen handelt es sich um Bürohäuser, aber nicht unter gleichen Voraussetzungen. Der Teil „B“ ist inzwischen zur Ausführungsreife gediehen, und die diesbezüglichen Planungsarbeiten wurden gemeinsam mit Arch. Doktor Schlauß durchgeführt.

Beide Architekten kamen zur Erkenntnis, daß eine Randverbauung der Baublöcke, die zu engen Innenhöfen geführt hätte (siehe Abb. 2) heute für ein Bürogebäude, wenn irgend möglich, zu vermeiden ist.

Sie schlugen daher eine T-förmige Verbauung vor, wie sie Abb. 3 im Grundriß zeigt. Hier ist kein einziger Arbeitsraum nach einem Hof zu gelegen, alle Aufenthaltsräume haben Licht, Luft und weite Ausblicke.

III.

Es kann hier nicht nachdrücklich genug darauf hingewiesen werden, daß nicht Gewinnsucht von Unternehmern zu dieser Lösung geführt hat, sondern ganz folgerichtige und menschliche Überlegung. Man kann leicht nachrechnen, daß die größte Ausschlachtung eines Grundstückes bei der blockförmigen Hofverbauung erzielt wird, und es galt, gerade die Unternehmer, die schließlich kaufmännisch denken müssen, zu überzeugen, daß die T-förmige Lösung besser sei, obwohl sie keine so starke Ausnützung des Baugrundes ermöglicht, auch wenn ein Teil des Gebäudes höher geführt wird als die umliegenden Häuser. Und es konnten auch alle behördlichen Stellen, die im Zuge des vorgeschriebenen Verfahrens den Bau bewilligt haben, überzeugt werden, daß diese Lösung die bessere sei.

Nun ist selbstverständlich das Bild der Ringstraße von höchster Bedeutung. Der Verfasser dieser Zeilen glaubt wohl, durch seine Mitarbeit beim Wiederaufbau der Oper oder durch den Wiederaufbau der Börse bewiesen zu haben, daß er sich seiner Verantwortung dem Stadtbild gegenüber bewußt ist. Aber es ist etwas anderes, wenn ein historisches Gebäude wiederhergestellt wird, als wenn ein Neubau errichtet wird.

Die vorgesehene Verbauung mit zwei geschlossenen Baublöcken hätte ein höchst eintöniges Bild der Ringstraße ergeben, die vom Schwarzenbergplatz bis zum Luegerplatz in einem Zuge verlaufen wäre und eine starre Wand gegenüber dem Stadtpark gebildet hätte. Und die Architektur der Ringstraßenhäuser ist heute nicht nachzubilden, denn Häuser mit Hochparterre, Mezzanin und 1. Stock (Nobelgeschoß) werden heute nicht mehr gebaut, und wenn auch niemand die vornehme Haltung der schon historisch gewordenen Ringstraßenhäuser bestreitet, so ist doch diese Architektur mit Gesimsen und Konsolen aus Blech sehr fragwürdig, und im Inneren dieser Häuser gibt es enge und engste Höfe mit licht- und luftlosen Räumen, was vollständig abzulehnen ist. Man muß schon den Mut zu einer konsequenten Lösung aus unserer Zeit haben.

Was die Höhe des Gebäudes anbelangt, so wurde diese sehr sorgfältig überlegt Es ist hier besonders interessant, das Projekt zu betrachten, das Adolf Loos für diesen Platz entworfen hat. Es. ist dort ein Platz mit zwei flankierenden sechzehnstöckigen Hochhäusern vorgesehen, das Coburg-Palais scheint überhaupt nicht auf. Einen Vergleich aus letzter Zeit vermittelt der Ringturm, der am Endpunkt der Ringstraße in freier Lage steht und 72 Meter hoch ist, während das hier geplante Gebäude mit 42 Metern Höhe nur etwas mehr: als die Hälfte hoch wird, so daß die Firstlinien' der gegen'das..•Stadtzentrum zu liegenden Dächer kaum überragt werden. Der Heinrichshof hat beispielsweise über Parterre und Geschäftshalbstock sechs Hauptgeschosse, hier werden es neun Geschosse, die aber nicht in breiter Front zum Ring, sondern im rechten Winkel dazu stehen. Dadurch wird auch eine sehr notwendige Zäsur in der Ringstraße erreicht, der Luftraum des Stadtparks wird gegen die Innenstadt zu erweitert und das Palais Coburg wird besser zur Geltung kommen, als es. bei der blockförmigen Verbauung der Fall gewesen wäre.

IV.

Eine Diskussion über ein Projekt an einem für unsere Stadt so wichtigen Punkt ist selbstverständlich, und sie ist zu begrüßen, wenn sie in sachlichen Grenzen bleibt und nicht auf falschen Darstellungen beruht.

Für den Verein für Denkmalpflege aber wäre es eine dankenswerte ihm zukommende Aufgabe, wenn er dazu beitragen würde, daß die in einem ruinösen Zustand befindliche Fassade des Coburg-Palais wieder instand gesetzt würde.

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