Die Kunst der Miniatur

Werbung
Werbung
Werbung

Die Miniaturmaler waren hochspezialisierte Künstler. Sie trugen die Farbe ihrer winzigen Bildnisse in Form von Punkten und kurzen Strichen auf, die sich zu charakteristischen, nur unter der Lupe erkennbaren Strukturen vereinigten. Ihre Arbeit war begehrt und wurde gut bezahlt, aber die meisten waren ständig auf Achse von Residenz zu Residenz.

Im österreichischen Kaiserhaus entstand im Lauf von 150 Jahren eine Sammlung von Porträtminiaturen, deren größter Teil, fast 600 Stück, die Räume der Präsidentschaftskanzlei ziert. Einer größeren Öffentlichkeit wurde dieser Schatz nie so richtig bewusst. Miniaturen waren ja auch vorwiegend für den persönlichsten Gebrauch bestimmt. Sie spielten eine wichtige Rolle bei den Eheanbahnungen der Herrscherhäuser, man trug sie um den Hals, und so weit sie, in Tableaus auf dunklem Samt montiert, repräsentativen Zwecken dienten, war es Repräsentation im kleinsten Kreise.

Kein Wunder also, wenn auch die wissenschaftliche Bearbeitung der Sammlung nie besonders betrieben wurde. Dies ist freilich kein spezifisch österreichisches Versäumnis. Auch in England, Amerika und Frankreich kam es erst in jüngster Zeit zu Ausstellungen und Buchveröffentlichungen. Um so erfreulicher, dass nun wenigstens eine wissenschaftliche Publikation die Miniaturen der Habsburger in Buchform zugänglich macht. Der Kunsthistoriker und Kunsthändler Robert Keil unterzog sich dieser Mühe, nachdem seine Mutter vor über zwanzig Jahren den Bestandskatalog der Albertina bearbeitet hatte.

Der Ibera Verlag bringt damit ein Werk auf den Markt, das in dreifacher Hinsicht bemerkenswert ist. Es ist zunächst ein Kleinod für alle, die sich für das Kaiserhaus interessieren. Eine solche Versammlung von Porträts der gekrönten Häupter, der Erzherzoginnen und Erzherzöge, ward noch nicht gesehen. Noch dazu in solcher Naturgetreue, denn die Miniatur unterscheidet sich vom Wandbild vor allem durch ihren unmittelbaren Ausdruck, ihre Lebendigkeit, ihre Privatheit.

Zugleich entfaltet sie, unabhängig von den Dargestellten, einen höchst eigentümlichen artifiziellen Reiz. Vor allem freilich als Miniatur Hochgestellter. Dies liegt nicht an deren größerer Schönheit, sondern daran, dass ihnen die besten Künstler zur Verfügung standen. Auch das Miniaturporträt ist eines der Metiers, bei denen zwischen der Höchstleistung und der braven Handwerksarbeit Welten liegen. Die Winzigkeit der Bilder, die Nähe, aus der sie betrachtet werden, bringt jede Schwäche unbarmherzig ans Licht. Die Miniaturmalerei fordert einen scharfen Blick für individuelle Eigentümlichkeiten und höchste Präzision des Farbauftrags.

Schließlich, drittens, wird dem Leser eine faszinierende Einführung in ein Spezialgebiet geboten, von dem die meisten keine Ahnung haben. Es ist auch für die Kunsthistoriker besonders schwierig, weil die Anbringung einer Künstlersignatur oder eines Monogramms auf dem Kontinent erst ab der Mitte des 18. Jahrhunderts gebräuchlich wurde. Lediglich unter den englischen Miniaturen ist bereits eine große Zahl von Stücken aus der Mitte des 16. Jahrhunderts bezeichnet. Die Zuschreibung unsignierter Miniaturen ist mit erheblichen Unsicherheiten verbunden.

Hilfreich ist allenfalls das unter der Lupe erkennbare Linien- und Punktgefüge der Pinselstriche und -tupfer oder der kompositionelle Aufbau. So pflegte Antonio Bencini, der etwa von 1710 bis nach 1780 lebte, die Augen relativ breit und flach auszuführen, während Peter Stroely (1768 - 1826) die Köpfe im Verhältnis zum Körper überproportional groß zu malen pflegte.

Porträtminiaturen können die Größe eines Knopfes, aber auch die eines sehr kleinen Tafelbildes haben. Im Biedermeier pflegten die Österreicher Daffinger und Kriehuber dieses Format. Der Bildträger wurde gerne durch Schichten zurechtgeschnittener und auf das Papier, Pergament oder Elfenbein geklebter Spielkarten verstärkt. Die Technik reichte vom Aquarell auf Papier oder Pergament über Aquarell und Gouache auf Elfenbein bis zum Ölbild auf Kupfer und zur Emailarbeit auf Kupfer oder Gold. Die Kunst des farbigen Emails reicht weit in die Antike zurück, doch war es unmöglich, Mischfarben zu erzielen, bis der französische Goldschmied Jean Toutin um 1632 ein Verfahren erfand, die Farben mit dem Pinsel aufzutragen und in verschiedenen Arbeitsgängen zu brennen. Die Widerstandsfähigkeit des Emails war ein großer Vorteil gegenüber dem Aquarell, das durch einen einzigen Wassertropfen verwischt werden kann, zumal auf Elfenbein.

Trotzdem eroberte das Elfenbein im 18. Jahrhundert eine dominierende Stellung - nicht zuletzt dank seiner Kostbarkeit und weil die schlechte Haftung der Farbe eine technische Herausforderung darstellte. Aber auch, weil es die Farbe des Elfenbeins ermöglichte, in den Hautpartien den Malgrund durchscheinen zu lassen und damit interessante Effekte zu erzielen.

Wesentliche Teile der Habsburgischen Sammlung gehen auf Maria Theresia zurück. Die Liebe zur Miniatur entsprach dem Familiensinn der Herrscherin, die sich nach dem Tod ihres Mannes immer öfter zu den Bildnissen ihrer verstorbenen oder in der Ferne lebenden Kinder zurückzog. Später traten genealogische und dynastische Interessen in den Vordergrund. Was Robert Keil in seinem Buch bietet, ist nicht zuletzt auch eine fundierte Geschichte des Hauses Habsburg, wie sie sich in der Geschichte seiner ausführlich kommentierten Miniaturen spiegelt.

Die Porträtminiaturen des Hauses Habsburg.

Von Robert Keil. Ibera Verlag, Wien 2000, 272 Seiten, geb., alle Miniaturen farbig in Originalgröße, öS 1.400,-/e 101,74

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung