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Seine Welt war die k. k. Armee

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Von seinem bronzenen Reiter-denkmal auf der Albrechtsrampe auf die Welt herabblickend, wirkt Erzherzog Albrecht heute so wie zu seiner Zeit auf seine Mitmenschen: unnahbar, Respekt gebietend, unansprechbar. Der Wiener Historiker und langjährige Leiter des Heeresgeschichtlichen Museums, Johann Christoph Allmayer-Beck, hat dem militärischen Mitgestalter der österreichischen Geschichte des 19. Jahrhunderts nun ein eindrucksvolles literarisches Denkmal gesetzt.

Der Sohn von Erzherzog Carl, des Siegers von Aspern gegen Napoleon, war von Jugend an für die soldatische

Laufbahn bestimmt. Seine ersten militärischen Erfahrungen gewann er bei Heereskommandos zunächst in Graz, sodann in mehreren Gebieten der Monarchie. Als General bewährte er sich 1849 unter dem verehrten Feldmarschall Radetzky in der Schlacht bei Novara. 1866 wurde er als Befehlshaber der Südarmee Sieger bei Custoza. Das konnte damals freilich die schreckliche Niederlage der Nordarmee unter seinem alten Waffengefährten Benedek bei Königgrätz nicht wettmachen. Die Monarchie mußte nach dem Verlust der Lombardei von 1859 nun auch den Vene-tiens hinnehmen.

Vor diesem österreichischen Schicksalsjahr hatte es für Erzherzog Albrecht große militärische Aufgaben, zum Teil auch solche der Zivilverwaltung, in Mähren und Schlesien, in Böhmen und in Ungarn gegeben. Nach 1866 führten ihn heikle Kontakte nach Paris und Berlin. Immer wieder reiste er nach Rußland. Die Ehe mit Großfürstin Olga, die seinem Vater vorgeschwebt hatte, war zwar nicht zustande gekommen, doch fühlte er sich als überzeugter Anhänger des konservativen absolutistischen Systems lange Zeit mit Rußland verbunden.

In den Revolutionstagen von 1848 hatte er durch eigene Ungeschicklichkeit unangenehme Erfahrungen gemacht. Er tauschte, als die Wut der Menge ihren Höhepunkt erreichte, „seine Aufgabe als kommandierender General mit derjenigen eines Polizisten, der eine feindselige Menge durch Popularität und Leutseligkeit gewinnen” will statt seiner Aufforderung „Geh'n Sie ruhig nach Hause! Gehen Sie nach Hause!” zu folgen, bewarf man ihn mit Steinen und Holzstücken, wobei die Brille des stark Kurzsichtigen verrutschte. Nun sah er sich als Gegner aller revolutionären Strömungen bestätigt, ob in Ungarn, Italien, Sachsen oder Frankreich. In seine Zeit fiel auch die vom Berliner Kongreß 1878 gebilligte Besetzung Bosnien-Herzegowinas, mit der man Österreichs Interessen auf dem Balkan gegenüber Serbien und vor allem Rußland zu wahren suchte.

Der Erzherzog mit dem größten Privatvermögen war nicht schön, im Alter sogar eher häßlich und von Fieberanfällen geplagt. Dies beeinträchtigte seine militärische Laufbahn nicht, in der er es bis zum Armee-Oberkommandanten und dann zum Chef der wichtigen Militärkommission des Kaisers brachte. Zu seinen Weggefährten zählte zunächst sein Neffe Kaiser Franz Joseph, dem er auch in den seltenen Fällen von Meinungsverschiedenheiten in soldatischer Loyalität ergeben blieb. Außer Radetzky und Benedek waren heute weniger bekannte Militärs wie sein Lehrmeister Feldmarschall Heß, sein Mitarbeiter Feldzeugmeister John, sein langjähriger Gegenspieler Kriegsmini ster Kuhn bemerkenswerte Begleiter. Mit Kronprinz Rudolf verband ihn manches, trennte ihn aber auch vieles. Sein großer preußischer Kriegsgegner Molt-ke wurde in den alten Tagen zum Verbündeten. Für Bismarck konnte den Erzherzog freilich nichts einnehmen.

Sein Einfluß auf militärischem Gebiet war unbestritten und nahm erst in den letzten Lebensjahren ab. Häufig wurde Albrecht mit diplomatischen Aufträgen ins Ausland entsandt, aber er war nicht, wie manchmal gesagt wurde, eine graue Eminenz in der Staatspolitik. Er sah sich als Nur-Soldat und war kaum bereit, sich dem Zeitgeist der politischen Veränderungen zu fügen. In vielen Instruktionen, Denkschriften, Broschüren (immer für den internen Gebrauch, nie für die Öffentlichkeit) suchte er die Organisation der Armee zu verbessern und ihren Geist zu stärken. In ihr, die seine Welt war, sah er die große Klammer der Monarchie im Dienste des Kaisers, genauer des „Erzhauses”. Albrecht war, auch in Anerkennung der zahlreichen Nationalitäten in der

Monarchie, doch gegen nationalistische Sonder- oder gar Trennungstendenzen, ein Repräsentant der alten Reichsidee.

Das Buch, mit großer Fachkenntnis unter Auswertung der vielen Quellen geschrieben, mit guten Bildern illustriert, ist - wenn auch stellenweise sehr in militärische Einzelheiten gehend - eine lesenswerte Biographie des Erzherzogs, die neben dessen großen Erfolgen und Leistungen in Krieg und Frieden auch seine Schwächen aufzeigt. Es ist zugleich eine lebendige Geschichte der alten Monarchie in den schweren Zeiten des vorigen Jahrhunderts.

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