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Alt-Österreichs glanzvollste militärische Bildungsstätte, die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt, entstand aus dem Willen und dem Entschluß einer Frau — wohl eine Besonderheit in der Geschichte der europäischen Militärakademien. Während die preußischen Offiziersschulen ihre Tradition auf Friedrich Wilhelm I. zurückführeh, die französischen Institutionen von Weltrang sich auf die Tradition Napoleons berufen, die russische Pflanzstätten der zaristischen Elite den Namen berühmtester Generäle trugen, hat Österreichs größte Kaiserin dereinst in der landesfürstlichen Burg von Wiener Neustadt inmitten der Krijegsbedrohung ihrer Erblande jene militärische Hochschule gegründet, deren 200. Geburtstag in diesen Wochen begangen wird. In die alte Babenbergerburg, die Grabstätte Maximilians I., der hier die letzte Rast nach einem ruhelosen Regentenleben fand, zogen am 11. November 1752 191 Zöglinge der neuen

Militärakademie ein — die ersten Klassen der über 10.000 Offiziere, die bis zum November 1918 hier nicht nur ihre militärische Ausbildung, sondern auch ihre charakterliche Formung für den Dienst in der Armee und für das Leben erhielten. Die große Kaiserin, vor deren Monument auf dem Theresienplatz der Eid der Treue am Tag der Ausmusterung geleistet wurde, hatte in der bedrängtesten Lage ihrer Erblande diese Hochschule des alt-österreichischen Offizierskorps errichtet. Denn, wie sie selbst schreibt:

„Wie durchwegs das Militaire gefunden, nicht zu beschreiben war“,

bedeutet dieses schriftliche Zeugnis der Regentin, daß die Armee des Prinzen Eugen

„die für die erste in Europa gehalten viurde abgestorben zu sein schien.“

Die leidenschaftlichen Anstrengungen zum Neuaufbau des Heeres und vornehmlich des Offizierskorps übertrug Maria Theresia dem ersten Oberdirektor der Akademie, Leopold Graf Daun, dem sie als dem Sieger von Kolin die herzlichen Worte widmete:

„Gott erhalte Ihn mir noch lange Jahre zum Nutzen des Staates, des Militaire und meiner Person als meinen besten und wahrsten guten Freund.“

Denn gerade Daun hatte jene Vereinigung von Theorie und praktischer Erfahrung der Kriegskunst der Kaiserin näliergebracht, welche allein den Wiederaufbau der vollkommen niedergeschla- geijen Armeen ermöglichen konnte. In dem Vortrag, den er als Präsident des Hofkriegsrates schrieb, stehen goldene Worte des altösterreichischen Offiziersgeistes. „Klugheit und Stärke sind allein vermögend bey dem Kriegswesen, Entscheidung zu geben. Die Klugheit ist die Haupteigenschaft der Officialität, wie die Herzhaftigkeit diejenige eines Soldaten. Bey dem gemeinen Kriegsmann kommt es auf eine tapfere Faust und einen wohlgeübten Leibe an, bey denen Be- fehlshaberen hingegen erfordert das Kriegswesen mehr einen tüchtigen Kopf als einen starken Arm Ein Befehlshaber muß sich nicht allein bey den Waffen, sondern auch bey Büchern, Landcharten und Rissen finden lassen, er muß die allgemeine Gründe deren Militärwissenschaften mit scharfem Gesicht ein- sehen." Dauns Auffassung vom Offiziersstand, der eine besondere Stellung innerhalb der gesamten Monarchie einnehmen sollte, weil „an dem Militarwesen" „die Sicherheit aller kaiserlichen Erbkönig- reiche und Länder und die Größe des durchlauchtigsten Erzhauses hafte", war aujh Maria Theresias Auffassung über diö Notwendigkeit einer umfassenden

Armeereform. Erstaunlich für eine Fürstin, der allerdings die Nachwelt den Ehrennamen der „Mater castrorum“ zubilligte und die in der Heeresgeschichte Alt-Österreichs neben Prinz Eugen und ihrem Nachfahren Erzherzog Karl vielleicht als die größte und schöpferischeste Kraft bewertet werden muß.

So stand die mütterliche Fürsorge der Kaiserin, die das Erbgut ihrer Väter wie ein Mann verteidigte, am Beginn der Tradition Wiener Neustadts.

Der Geist der Monarchin ist auch in den folgenden Jahrhunderten nie von dieser wahren Schule alt-österreichischer Demokratie geschwunden. Die Beschränkung auf adelige Familien zur Aufnahme in die Akademie fiel bald, und aus allen Ländern des Vielvölkerstaates kamen mittellose, unbekannte talentierte junge Menschen hieher, nicht nur, um in der militärischen Ausbildung das ersehnte goldene Portepee, das ihnen nach dem Willen der Kaiserin den Zutritt zu den höchsten Stellen bei Hof öffnete, zu erringen, sondern auch eine umfassende Ausbildung zu erhalten. Kein Geringerer als der Sieger von Custozza, Erzherzog Albrecht, hat in seiner Ansprache vom 24. Juni 1887 in kurzen, prägnanten Sätzen den eigentlichen Zweck dieser Bildungsstätte Umrissen, Gedanken, die über das rein Militärische hinaus für die Ethik und Auffassung des heute vergessenen und oft belächelten Staatsdienstes in, der alten Monarchie bezeichnend waren:

„Pflegen Sie die Kameradschaft, befleißigen Sie sich idealer Anschauungen; sie sind dem Soldaten höchst notwendig. Scheuen Sie das Gemeine, hüten Sie sich vor Verweichlichung, überflüssigem Luxus und vor dem. Schuldenmachen! Entbehren Sie lieber, als zu diesem Auskunftsmittel zu greifen. Diese Anstalt hat der k. u. k. Armee viele ausgezeichnete Generale gegeben. Daß sie es geworden, verdanken sie der Entwicklung ihrer Charaktere.“

Auf die Charakterentwicklung zielte die Erziehung, die durch drei Jahre hindurch junge Menschen auf den Tag vorbereitete, da sie zum erstenmal an Kaisers Geburtstag die Offiziersuniform der ältesten Armee Europas trugen und nicht nur den Eid der Treue, sondern auch die Verpflichtung der Kameradschaft bis zum Tode versprachen. Daß diese Charakterbildung das Wissen nicht ausschloß, gleichgültig, ob die Akademiker von den reichen Adelsgütern Innerösterreichs oder aus den ärmlichen Offiziersfamilien an den Grenzen des Reiches, aus den Bauerngeschlechtern Tirols oder den zahlreichen Landschaften und Völkern der weiten Monarchie kamen, beweist die Tatsache, daß sie auch im zivilen Leben ihren Mann stellen konnten. Der Polarforscher P e y e r, der Dichter und Sänger Kroatiens, Preradovic, Österreichs großer Historiker C o r t i, die Maler Myrbach, Print und Bou- va rd, Rudolf H en z und der dichterische Nachfahre Torresanis in unseren Tagen, Rudolf von Eichthal, sind nur eine kleine Auslese musischer Begabungen, die einstmals in der Neustädter Burg ihre Ausbildung erfuhren. Viele der Akademiker, darunter Feldmarschall Conrad, dessen 100. Geburtstag in dieses Jubiläumsjahr der Akademie fällt, erwarben die höchste Auszeichnung des Kaiserstaates, den Militär-Maria- Theresien-Orden, der, ebenso wie die Akademie, mit Recht als eine der demokratischesten Einrichtungen der Monarchie bezeichnet wurde. Denn wo in der Welt konnte man unter der strengen Prüfung des Zeugnisses der eigenen Kameraden um eine Tapferkeitsauszeichnung ansuchen, die mehr galt als Titel

Und Erbe und bei deren Verleihung der Souverän des Ordens nur das Unterschriftsrecht eines modernen demokratischen Staatspräsidenten besaß.

Als in den Novembertagen 1918 das alte Reich zerbrach, waren die Offiziers akademiker von Wiener Neustadt dem letzten Monarchen Schutz und Schirm. Sie schlossen den Ring der Treue, der Generationen umspannte, Repräsentanten eines Geistes, der in Österreichs Geschichte nicht vergessen werden darf.

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