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„... und ein solcher wird nie mehr wiederkommen..

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Der vom Tode gezeichnete Mann vermochte nicht mehr die Protokolle des Ministerrates zu unterfertigen. Sein Gang war so schwankend, daß er bei einem jeden Schritt umzufallen drohte; er befürchtete zudem zu erblinden. Aber Soldat, als der er sich stets fühlte, blieb Fürst Felix Schwarzenberg bis zu seinem letzten Atemzug am Ruder des Staatsschiffes, das ihm in bedrängter Zeit anvertraut worden war. Dieser Mann war wirklich ganz Entschlossenheit und Tatkraft: Alexander Bach hat ihn an Organisationsgabe und Verhandlungskunst, Carl Bruck an Größe und Schwung der Ideen, Alexander Helfert an tiefgründigem Wissen übertroffen und doch waren diese seine fähigsten Helfer führerlos, als Schwarzenberg starb. Ahnungsvoll schrieb der junge Kaiser nach dem Tode seines ersten Ministerpräsidenten an seine Mutter: „ ... und ein solcher wird nie mehr wiederkommen.“ Tatsächlich wurde das Amt des Ministerpräsidenten zunächst nicht wieder besetzt. —

Fürst Felix Schwarzenberg war kein unbeschriebenes Blatt mehr, als er am 19. Oktober 1848 mit dem Amte des Ministerpräsidenten betraut wurde. Als Gesandter in Neapel hatte er auf eigene Verantwortung dieses Land verlassen, als ihm für eine flagrante Völkerrechtsverletzung keine Genugtuung zuteil wurde. Er war dann als Brigadier zur Armee in Italien eingerückt, hatte bei Montanara, seinen stürmenden Truppen voran, das Gefecht entschieden und war bei Goito verwundet worden. Später hatte er als „Felddiplomat“ Radetzkys die schon mit Palmerston vereinbarte Abtretung der Lombardei an Piemont verhindert und war im wiedereroberten Mailand Zivil- und Militärgouverneur geworden. Um die Aufgaben zu ermessen, die vor dem neuernannten Ministerpräsidenten standen, muß man sich die Lage des Kaiserstaates in den Jahren 1848/1849 in Erinnerung rufen. Drei Gefahrenzonen waren zu durchschreiten: Erstens: Der Kampf gegen das aufständische Ungarn und der Krieg gegen Piemont. Zweitens: Die innere Neugestaltung des österreichischen Kaiserstaates auf Grund der durch die Revolutionswirren gewonnenen Erfahrungen. Drittens: Die Wiederherstellung der österreichischen Machtposition im deutschen Raum — der Schlüssel seiner Großmachtstellung und ein jahrhundertealtes ehrenvolles Erbe. Der ungarische und der italienische Krieg konnten erfolgreich beendet werden. Die beiden anderen Probleme griffen ineinander, ergänzten und überschnitten sich. Der von Schwarzenberg aufgelöste Kremsierer Reichstag hatte sich mit föderalistischen Plänen getragen, zu denen sich auch noch Schwarzenbergs oktroyierte Verfassung vom März 1849 bekannte. Es ist glaubhaft, daß

ein systematisches Weiterschreiten auf diesem Wege die letzte Chance geboten hätte, Oesterreich in eine national ausgeglichene, föderalistische Monarchie zu verwandeln. Aber konnte nicht ein serbisches Kronland „Woiwodina“ und ein „walachi-sches“ Siebenbürgen außen- und innenpolitische Folgen auslösen, deren Bewältigung Oesterreichs gestaltende Kraft überschritten hätte? Und in diesen Komplex schob sich nun wieder die Auseinandersetzung um Deutschland ein. Dem großen Schwarzenbergschen Plan eines, von „Rendsburg bis Ancona“ reichenden zentraleuropäischen Sieb-zigmillionenreiches, in welches Oesterreich mit seinem gesamten Staatsgebiet eintreten sollte, stand direkt die von Preußen gegründete „Deutsche Union“ entgegen, — indirekt sekundiert von der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt, welche in dem neu zu gründenden „Deutschen Reich“ für einen Staat mit deutschen und nichtdeutschen Landesteilen nur eine Personalunion dieser beiden Herrschaftsbereiche zulassen wollte. Es gelang Schwarzenberg, durch die Olmützer Punktationen Preußen zur Aufgabe der „Union“ zu zwingen. Aber das war, solange die Rückkehr Oesterreichs in den deutschen Raum nicht in seinem Sinne geklärt war, nur ein halber Erfolg. Nicht nur Beust allein hat den Fürsten getadelt, daß er in einem Augenblick, da er alle Trümpfe in der Hand hielt (die Unterstützung durch Rußland, die klare militärische Vorhand), nicht den letzten entscheidenden Schritt tat, die Entscheidung verschob. Aber Schwarzenberg wußte wohl, wie labil noch die innere Lage des Kaiserstaates war und der russische Staatskanzler Nesselrode hatte ihn wissen lassen, einer zwangsweisen Einordnung Preußens in das geplante Mitteleuropa werde Rußland nicht zustimmen. Schließlich konnte auch der neue Prinz-Präsident von Frankreich nur zu leicht an einem Schiedsrichteramt in einem preußischösterreichischen Krieg Gefallen finden. So kam es zur Wiedererrichtung des Deutschen Bundes mit den alten territorialen Begrenzungen und zur zen-tralistischen Neuordnung Oesterreichs durch das Silvesterpatent 1851.

Fürst Felix Schwarzenberg hat die österreichischen Staatsgeschäfte nur durch dreieinhalb Jahre geführt, aber diese kurze Zeitspanne genügte, Oesterreich wieder zu seiner alten europäischen Bedeutung heraufzuführen. Rasch, allzu rasch ist sein Erbe dann vertan worden. — In der langen Reihe der Publikationen, welche dieser Epoche und ihren handelnden Hauptpersonen bisher gewidmet wurden, wird die vorliegende sorgfältige Arbeit des als Zeitkenner geschätzten Autors einen geachteten Platz einnehmen.

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