Kandidat der Vernunft

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Vielerorts besteht in Österreich dringender Bedarf nach einem Wechsel, sicher nicht an der Spitze des Staates.

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Vielerorts besteht in Österreich dringender Bedarf nach einem Wechsel, sicher nicht an der Spitze des Staates.

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Der frühere Generalintendant des ORF, Gerd Bacher, der seit jeher zu den Unbequemen, aber auch Unbeugsamen dieses Landes gehört, hat in seinem brillanten "Vorwort zum Wahlauftakt des Bundespräsidenten" Ende März im Wiener Palais Liechtenstein erklärt, warum Thomas Klestils Wiederwahl keine "g'mahte Wies'n" ist. Wer solches annahm, habe übersehen, in welchem Wandel sich die politische Landschaft und in welchem Zustand sich die Öffentlichkeit ganz allgemein befänden: "Noch nie wurde die Wahl zum Bundespräsidenten zu einem derartigen PR-Klamauk zwischen Schamlosigkeit, Ahnungslosigkeit und Anmaßung mißbraucht."

Der "exhibitionistische Hang zur Lächerlichkeit", den Gerd Bacher in seiner Rede diagnostizierte, ist Folge des Umstands, daß Politik hierzulande weitgehend zu Unterhaltung, seriöse Berichterstattung in den Medien über weite Strecken zu billigem Infotainment verkommen sind. Ein zweiter Wahlgang wär' doch eine "Hetz", nicht wahr? Panem et circenses - Würstel und Gulasch für Unterstützungserklärungen gefällig? Ist das der Befund der Republik an der Schwelle zum dritten Jahrtausend? Wäre dem so, die Republik bedürfte dringendst des Um-, wenn nicht des Neubaues mit einem Baumeister an der Spitze, und zwar einem ganz großen, wie es beispielsweise Julius Raab gewesen ist. Der war allerdings von gänzlich anderer Statur, als das, was sich da jetzt anbietet.

Das erste Mal in meinem Leben stehe ich auf der anderen Seite der Front; ich berichte nicht mehr über eine Person und deren Anliegen, sondern erlebe, wie über eine Person und deren Anliegen berichtet wird: über Thomas Klestil, für dessen Wiederwahl ich mich aus vielen guten Gründen einsetze. Eine wertvolle, wenn auch vielfach schmerzliche Erfahrung. Was tun in einer Branche, in der es Mode geworden ist, alles, was an Autorität gemahnt, herunterzumachen? Die ganz offensichtlich zu einem großen Teil sechs Jahre hindurch Thomas Klestils intensive Bemühungen verschlafen hat, durch Wortmeldungen zu allen großen Themen unserer Zeit das geistige Klima im Lande positiv zu beeinflussen? Jetzt aber weitgehend kritiklos, oft sogar lobhudelnd jene "Heilserweckungen" transportiert, von denen Gerd Bacher in Anspielung auf Aussagen von Klestils MitbewerberInnen gesprochen hat?

Da sind führende und fördernde Mitglieder jener selbsternannten, angeblichen Elite der wahrhaft Fortschrittlichen unterwegs, die man an ihrem unerbittlichen, weil fundamentalistischen Alleinvertretungsanspruch in Sachen Moral, Humanität und Liberalität erkennen kann. Da weiß man, pardon: da weiß frau, wer in der (gesellschafts)politischen Auseinandersetzung polarisieren darf, wer nicht. Da weiß frau jederzeit und überall, was gut, was böse ist. Wobei das Universum selbstverständlich einzig und allein vom jeweiligen eigenen Standort aus vermessen wird. Soll heißen: jeder, der nicht derselben Ansicht ist, weder Moral noch Humanität noch Liberalität besitzt.

In einer solchen Situation ist ein zweiter Wahlgang nicht auszuschließen. Ich hoffe allerdings im Vertrauen auf die so oft bewiesene praktische Vernunft der Österreicherinnen und Österreicher, daß es zu keinem zweiten Wahlgang kommt - der dann wohl endgültig zum Kreuzzug geriete - und Thomas Klestil am 19. April als Bundespräsident bestätigt wird. Denn er ist - wie das Gerd Bacher formuliert hat - der einzige Kandidat, von dem wir schon wissen, daß er es kann. Es besteht wirklich vielerorts der Bedarf nach einem Wechsel, hier nicht.

Der Autor war zuletzt Chefredakteur der APA. Nach einem Schlaganfall im Jahr 1996 ist er gelegentlich als freier Journalist tätig. Zur Zeit fungiert er ehrenamtlich als Pressesprecher im Wahlbüro von Dr. Thomas Klestil.

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