Zweig - © Foto: picturedesk.com  / Imagno / Archiv Setzer-Tschiedel

Friderike Zweig: Spiegelungen der Welt von Gestern

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Als Schriftstellerin, höchst produktive Übersetzerin und engagierte Frauen- und Friedensaktivistin stand sie doch immer im Schatten ihres berühmten Ehemanns: Friderike Zweig starb vor 50 Jahren.

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Als Schriftstellerin, höchst produktive Übersetzerin und engagierte Frauen- und Friedensaktivistin stand sie doch immer im Schatten ihres berühmten Ehemanns: Friderike Zweig starb vor 50 Jahren.

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Friderike von Winternitz schreibt in ihrem Tagebuch begeistert über eine große Frauenversammlung im Jänner 1917 in Wien, die vom „Internationalen Komitee für dauernden Frieden“ einberufen wurde: „Eine Resolution wurde verlesen, die wir gemacht hatten, und die einstimmig angenommen wurde. Überall Berichte in Zeitungen, wo wir im Vorjahr um die leiseste Anspielung, die wir noch in den Zeitungen unterbringen wollten, meist vergeblich kämpfen mussten.“

Diese und andere Passagen aus dem Tagebuch nahm Friderike Zweig viele Jahre später in die autobiografischen Fragmente „Spiegelungen des Lebens“ auf und dokumentierte damit ihre Aktivi täten in der Frauen­ und Friedensbewegung, die sie mit großem Engagement seit 1915 betrieb. Sie war Mitglied im „ Allgemeinen Österreichischen Frauenverein“ und Delegierte an mehreren Kongressen des Friedenskomitees. Nach Kriegsende wurde die bis heute existierende „Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit/Women’s International Lea gue for Peace and Freedom (WILPF)“ gegründet. Friderike Maria Zweig, geschiedene von Winternitz, geborene Burger, wurde nicht als Schriftstellerin und Übersetzerin zahlreicher Bücher berühmt oder als Friedensaktivistin, sondern als Ehefrau und Witwe, die zwar geschieden von Stefan Zweig, dennoch über Jahrzehnte hinweg Deutungshoheit über sein Leben und Werk beanspruchte. Er erwähnt sie in seiner berühmten Autobiografie „Die Welt von Gestern“ nicht einmal namentlich, obwohl sie ihn bei der Arbeit unterstützte, an zahlreichen Übersetzungen, Biografien und Artikeln mitarbeitete.

Streben nach Unabhängigkeit

Geboren 1882 als Tochter einer jüdischen Familie in Wien, besuchte Friderike Burger die angesehene Privatschule „Institut Luithlen“. In ihren Erinnerungen hält sie fest: „Ich baute mir allmählich eine eigene Welt, deren Bausteine bald Bücher waren, die mich besser zu verstehen schienen als Menschen.“ Schon früh entschied sie sich für eine Berufsausbildung, „um den Plan meiner feministischen Ambitionen nicht fallen zu lassen, dereinst auf eigenen Füßen stehen zu können“. Friderike Burger absolvierte ein Lehramtsstudium für die französische Sprache und begann um 1902 zu unterrichten und in Zeitungen und Zeitschriften zu publizieren. Ihre Erzählungen und Feuilletons erschienen u. a. in Westermanns Monatsheften und in der Wiener Zeitung. Unterstützt wurde sie dabei von ihrem Schwiegervater.

1905 war sie zum katholischen Glauben konvertiert und hatte im Jahr darauf den Juristen Felix von Winternitz geheiratet, den sie in der Tanzstunde kennengelernt hatte. Ihre Ehe mit ihm dauerte nur wenige Jahre, sie vermisste nach der Geburt der beiden Töchter seine Unterstützung, fand ihn kraftlos, erkannte aber selbst, dass ihr Streben nach Gleichberechtigung mit ihren traditionellen Männlichkeitsvorstellungen kollidierte: „Man hatte ‚jahrhundertelang‘ gelernt, zu dem Mann ‚aufzusehen‘. War eine Frau stark, erwartete sie demnach, daß der Mann der Stärkere sei.“ Sie verließ ihren Mann mit den beiden Töchtern Susanna und Alexia und nahm sich eine Wohnung in Baden, 1914 erfolgte die Scheidung.

Zweite Eheschließung

Bereits 1912 hatte sie Stefan Zweig ganz „unschicklich“ einen Brief geschickt, in dem sie darauf hinwies, dass sie auch „dichte“: „Vielleicht betrieben wir beide eine kleine Komödie, indem wir die beginnende Freundschaft lite rarisch betonten.“ Sie näherte sich sehr aktiv dem anerkannten Schriftsteller. Im Dezember 1913 feierte sie auf Einladung von Stefan Zweig mit ihm in einem Hotel in Lübeck seinen Geburtstag.

In den „Spiegelungen des Lebens“ notiert sie lakonisch über die erste gemeinsame Nacht: „In Lübeck vergaß ich den Alltag.“ Bereits 1904 erschien ihr Erzählband „Die Liebe ist die Gefahr des Einsamsten: Ein Beitrag zur Psychologie des Mädchens“, 1914 der Roman „Der Ruf der Heimat“ und auf Vermittlung von Stefan Zweig 1919 im S. Fischer Verlag ihr Roman „Vögelchen“, erst Jahrzehnte später dann noch ein dritter Roman. Ihr Thema war das körperliche und intellektuelle Erwachsenwerden von Mädchen. Es sind Coming­of­Age­Geschichten über frühreife Mädchen „in gefährlichen Situationen“, wie sie selbst schreibt. Aus heutiger Perspektive liest man die Darstellung erotischer und sexueller Erfahrungen der Protagonistin Arabella Rutland alias „Vögelchen“ als Vergewaltigung und Missbrauch eines minderjährigen Mädchens durch den Stiefvater.

Ohne Dispens durfte Friderike keine weitere Ehe eingehen, diesen erhielt das Paar erst 1920 in Salzburg, wo sie seit Frühjahr 1919 im Paschingerschlössl auf dem Kapuzinerberg lebten, das bis 1934 gemeinsamer Wohnsitz blieb. Im August 1921 veranstaltete die englische Sektion der „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit“ in Salzburg eine Sommerschule, die von Friderike organisiert wurde und an der zahlreiche bedeutende Pazifis tinnen teilnahmen, u. a. die Friedensnobelpreisträgerinnen Jane Addams und Emily Greene Balch. Stefan Zweig zog es vor, während der Eröffnungstage seine zur Kur weilende Mutter in Marienbad zu besuchen.

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