"Mission" ist ein ziemlich belastetes Wort. Es hat eine lange Gewaltgeschichte. Man muss den Missionsbegriff also neu denken. Der französische Jesuit Michel de Certeau hat dies schon vor Jahren getan. "'Missionarisch' zu sein", so de Certeau, "heißt für die Kirche, zu anderen Generationen, zu fremden Kulturen, zu neuen menschlichen Strebungen zu sagen:'Du fehlst mir' - nicht so, wie ein Grundbesitzer über das Feld seines Nachbarn spricht, sondern wie ein Liebender."
"Mission" bedeutet, drei Größen in ein heilvolles, aber auch risikoreiches Spiel zu bringen: Gott, denn ihn und nur ihn können wir als Heil der Welt präsentieren, uns selbst, der wir dieses tun wollen, und jene, denen wir diesen Gott vergegenwärtigen wollen. Das Christentum ist nun aber keine Doktrin, die unabhängig von jenen, an die sie sich wendet, verkündet werden könnte. Denn dem Gott des Jesus von Nazaret geht es um das Heil jedes einzelnen Menschen. Der christliche Gott ist kein unpersönlicher Gott jenseits unseres Lebens, sondern ein Gott, der zu jedes Menschen Existenz eine eigene Beziehung aufbaut, eine Beziehung, die diesem Leben Horizonte verleiht, die es ohne Gott nicht hätte.
Alle Menschen sind also mögliche Orte der Entdeckung Gottes. Christen sollten eine Leidenschaft für den Fremden haben, wenn sie ernst nehmen, dass Gott als Fremder zu ihnen kommt, als Dieb in der Nacht wie im Gleichnis Jesu, als unbekannter Wegbegleiter wie bei den Emmausjüngern. Und vor allem sollten sie ernst nehmen, dass Gott ihnen nicht gehört, dass sie ihn vielmehr selbst suchen und entdecken müssen bis zum Ende ihres Lebens, also bis zur definitiven Begegnung mit Gott. Nie besitzen wir ihn, aber alles endet bei ihm. Wir können nur hoffen, dass dann Gott zu uns sagt: "Du hast mir gefehlt."
Der Autor ist katholischer Pastoraltheologe an der Universität Graz
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