Wünsche an den Kanzler

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Leitlinien für eine künftige Regierungsarbeit.

Das Votum war eindrucksvoll; es bedeutet Anerkennung für Geleistetes aber auch Vorschuss an Vertrauen in hohem Maße. Wolfgang Schüssel weiß das, er hat selbst in der "Elefantenrunde" am Abend der Wahl darauf hingewiesen. Der VP-Chef hat auch in der Stunde des Triumphes Klarsicht und Bescheidenheit bewahrt.

Der Auftrag an den Kanzler ist eindeutig. Doch was wird er damit anfangen? Damit ist nicht die gewiss schwierige Suche nach einem Vizekanzler gemeint, der zur Zeit die größte Aufmerksamkeit der Beobachter des tagespolitischen Geschäfts gilt. Wichtiger als dies ist die Frage, was Schüssel, was die ÖVP mit diesem für sie historischen Ergebnis inhaltlich tun werden. Wer einen derartigen Wahlsieg einfährt, von dem wird erwartet, dass seine Handschrift in der Politik deutlich lesbar ist; das impliziert mehr Gestaltungsmöglichkeit wie auch mehr Verantwortung.

Ganz allgemein wird es darum gehen, das Aussprechen unangenehmer Wahrheiten nicht den üblichen Verdächtigen - Experten, Altpolitikern, Kommentatoren - zu überlassen, sondern selbst Klartext zu reden. Das gilt einmal für den Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Zuletzt hat Hannes Androsch die Dinge beim Namen genannt; nur bewarb sich der nicht um ein politisches Amt. An der nötigen Deutlichkeit haben es im Wahlkampf alle fehlen lassen. Wann aber, wenn nicht jetzt wäre dafür der richtige Zeitpunkt? Die Ansätze bei Budget, Gesundheit, Pensionen - teils stümperhaft durchgeführt, teils besser verpackt als es dem Inhalt entsprach - waren richtig, verlangen aber nach konsequenter Fortführung, wie das Ansätze so an sich haben. Erst dann wird man von strukturellen Reformen sprechen können. Dass das auch "schmerzhaft" sein kann, geht einem Ex-SP-Finanzminister relativ leicht über die Lippen; aber auch sein designierter Nachfolger in diesem Amt, der programmierte Superstar der künftigen Regierung, wird um solche Bekenntnisse nicht herumkommen.

Herzstücke

Als eines ihrer "Herzstücke" hat die VP stets ihre Familienpolitik betrachtet. Das Atmosphärische stimmt einmal: das - wichtige - Signal, dass ein auf Dauer angelegtes Zusammenleben von Mann, Frau und Kindern ein gesellschaftlich wünschenswertes und daher zu förderndes Modell ist und nicht eine miefig-überkommene Lebensform von ein paar allenfalls bemitleidenswerten Vorgestrigen, wie das etwa periodisch wiederkehrende Magazin-Stories suggerieren. Untermauert hat die Regierung dieses Signal mit dem Kindergeld. Das ist schön für alle, die es bekommen - aber sicher noch zu wenig, um als "familienfest" dazustehen. Der zentrale Punkt ist und bleibt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Dringlichkeit des Themas hat längst auch die Wirtschaft erkannt. Hier tut sich noch ein weites Betätigungsfeld für die künftige Regierung auf.

Weil wir schon bei den "Herzstücken" sind: Europa zählt für Wolfgang Schüssel zweifellos dazu. Hier hat er die vielleicht deutlichste, engagierteste Abgrenzung zu seinem Koalitionspartner gezogen. Irgendetwas aber muss doch schiefgelaufen sein, wenn ein 150-prozentiger Christdemokrat und Freund Österreichs wie Wladyslaw Bartoszewski davon spricht, dass "Österreich den Beitrittskandidaten ständig neue Prügel vor die Füße wirft" und sich sorgt, ob denn die Österreicher international noch als "seriös", als "glaubwürdige Partner" eingestuft würden (Interview in profil Nr. 45).

Solche Worte aus diesem Munde müssten am Ballhausplatz jedenfalls Nachdenklichkeit auslösen. Gewiss ließen sich auch konkrete Gegenbeispiele bringen; was Bartoszewski meint, wird wohl eher in symbolisch-psychologischen Kategorien zu fassen sein. Hier ist eine zugegebenermaßen nicht so leicht greifbare aber eminent wichtige Ebene der Politik angesprochen, auf der etwa auch Berlusconis amikales "Forza, Wolfgang" zu verhandeln wäre: Können, sollen Leute dieses Schlages Freunde eines VP-Kanzlers sein? Partner gewiss, aber Freunde? Was ist an Berlusconi bürgerlich, gar christdemokratisch oder christlich-sozial?

Zur von Bartoszewski angesprochenen internationalen Glaubwürdigkeit gehört ganz wesentlich die Sicherheitspolitik. Die über Jahre betriebene Realitätsverweigerung auf diesem Gebiet hat nicht eben zur Reputation des Landes beigetragen. Nun, nachdem Österreich demnächst von NATO-Staaten umgeben sein wird, wäre es höchste Zeit, sich explizit von der Fiktion zu verabschieden, dass Neutralität und europäische Sicherheitspolitik zusammenpassen.

Und noch etwas: Lasst "Gott" aus dem Spiel! Die Generalsekretärin der VP hat im Überschwang der Gefühle gleich den "lieben Gott" als Kraftspender für den Wahlsieger bemüht. Das hat, man muss es sagen, unangenehm an die Dankwallfahrt der VP-Regierungsmannschaft nach Mariazell aus Anlass des Sanktionen-Endes erinnert. Damit wir uns richtig verstehen: Ein Politiker soll aus seiner Glaubensüberzeugung kein Hehl machen; aber er muss alles tun, um den Verdacht jedweder Instrumentalisierung von Religion erst gar nicht aufkommen zu lassen. Es gibt - auch wenn das in religiös indifferenten Zeiten vielen nicht einleuchten mag - kaum etwas Heikleres als das Verhältnis von Religion und Macht. Gerade österreichische Christdemokraten müssten darum Bescheid wissen.

rudolf.mitloehner@furche.at

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