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Die Aufwertung der Frau in der Kirche

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In der Ansprache an die Teilnehmer des „3. Weltkongresses für das Laienapostolat“ führte Papst Paul VI. am 15. Oktober 1967 aus: „Das ,Sich-Einlassen' des Apostolats inmitten der Welt zerstört die grundlegenden Voraussetzungen jeden geistlichen Lebens keineswegs, sondern setzt sie voraus — besser noch: es erfordert sie. Wer hat sich denn mehr ,mit der Welt eingelassen' als die große Theresia, deren Fest jedes Jahr am 15. Oktober begangen wird? Und wer wußte mehr als sie ihre ganze Kraft und alle Fruchtbarkeit ihres Tuns im Gebet und in der dauernden Vereinigung mit Gott zu finden? Wir haben uns vorgenommen, ihr eines Tages den Titel einer Kirchenlehrerin zu verleihen, ebenso der hl. Katharina von Siena.“ Dieses Vorhaben des Papstes wird, am 27. September 1970 Wirklichkeit: an diesem Tag wird Papst Paul VI. die hl. Theresia von Avila, Reformatorin des Karmeliterordens, in der Basilika von St. Peter in Rom feierlich zur Kirchenlehrerin ernennen. Sie ist damit die erste Frau, die erste Heilige, der diese Ehre und Anerkennung von selten der Kirche zuteil wird.

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In der Ansprache an die Teilnehmer des „3. Weltkongresses für das Laienapostolat“ führte Papst Paul VI. am 15. Oktober 1967 aus: „Das ,Sich-Einlassen' des Apostolats inmitten der Welt zerstört die grundlegenden Voraussetzungen jeden geistlichen Lebens keineswegs, sondern setzt sie voraus — besser noch: es erfordert sie. Wer hat sich denn mehr ,mit der Welt eingelassen' als die große Theresia, deren Fest jedes Jahr am 15. Oktober begangen wird? Und wer wußte mehr als sie ihre ganze Kraft und alle Fruchtbarkeit ihres Tuns im Gebet und in der dauernden Vereinigung mit Gott zu finden? Wir haben uns vorgenommen, ihr eines Tages den Titel einer Kirchenlehrerin zu verleihen, ebenso der hl. Katharina von Siena.“ Dieses Vorhaben des Papstes wird, am 27. September 1970 Wirklichkeit: an diesem Tag wird Papst Paul VI. die hl. Theresia von Avila, Reformatorin des Karmeliterordens, in der Basilika von St. Peter in Rom feierlich zur Kirchenlehrerin ernennen. Sie ist damit die erste Frau, die erste Heilige, der diese Ehre und Anerkennung von selten der Kirche zuteil wird.

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Zur Verleihung dieses Titels ist nach der geltenden Vorschrift Benedikt XIV. gefordert: Rechtgläubigkeit der Lehre, Heiligkeit des Lebens, hervorragende wissenschaftliche Leistung und ausdrückliche Anerkennung durch die Kirche. Der Titel „Kirchenlehrer“ wurde erstmals im Jahre 1295 verliehen, das bisher letzte Mal aber im Jahr 1959 an den heiligen Laurentius von Brindisi durch Papst Johannes XXIII. Insgesamt wurde er 30 Männern zuteil, die durch ihre Lehre und ihr heiliges Leben die Kirche in besonderer Weise mitgeprägt haben. — Ein langer Zeitraum mußte vergehen, ehe dieser Titel nun der hl. Theresia zuerkannt wird. Nicht, daß eine der angeführten Forderungen gefehlt hätte, nur ein Hindernis wurde immer wieder vorgebracht: Obstat sexus!

Im Evangelium heißt es schlicht: „Im Anbeginn machte der Schöpfer Mann und Frau“ (Mt 19, 4). In der semitischen Mentalität des Volkes im Alten Bund stand der Frau jedoch nur eine untergeordnete Rolle zu, ja die Einstellung war bisweilen sogar frauenfeindlich (so wurden in Genealogien Frauen nur ausnahmsweise genannt). Manches davon finden wir auch im Neuen Testament. Paulus von Tarsus, „Pharisäer und aus einer Pharisäerfamilie“ (Apg 23, 6), Schüler des Pharisäers Gamaliel, schrieb: „Der Mann ist Abglanz Gottes, die Frau dagegen (nur) Abglanz des Mannes“ (1 Kor 11, 7). Auch wird ausdrücklich gesagt, daß die Frau vom Manne stamme (1 Tim 2, 13). Und die folgende Anordnung galt wie ein Kirchengesetz: „Wie in allen Gemeinden der Heiligen, sollen die Frauen in der Versammlung der Kirche schwelgen. Es ist ihnen nicht gestattet, zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie es auch das Gesetz sagt. Es ist unschicklich für eine Frau, in einer Versammlung zu reden“ (1 Kor 14, 33—35). Man konnte sich also auf die Heilige Schrift berufen, darum wurden diese Worte als Gotteswort angesehen. Ist es aber Gotteswort oder zeitbedingte Lehre? Jedenfalls hatten Frauen immer wieder darunter zu leiden. Theresia von Avila ist ein besonderes Beispiel dafür. Nur durch ihr' unerschütterliches Temperament konnte sie sich immer wieder in einer frauenfeindlichen Gesellschaft durchsetzen. Bis zum Erlangen ihrer Selbstsicherheit war sie zuvor mehrmals in schwere Konfliktsituationen geraten. Als sie mit der Erneuerung des klösterlichen Lebens und durch ihre Schriften eine entschiedene gegenreformatorische Tätigkeit begann, nahmen viele daran Anstoß; sogar auf der Universität zu Sala-manca meldeten sich Gegenstimmen. Die Heilige bestätigt von sich selbst, daß sie sich „mujer y ruin“ gefühlt habe. Ihre Schriften und die von ihr ins Leben gerufene Bewegung wurden von der Inquisition unter genaueste Kontrolle genommen. Die Frage, die sich Theresia immer wieder stellen mußte, lautete also: Sollte sie sich auch weiterhin für die Kirche einsetzen, wie sie innerlich gedrängt wurde, oder sollte sie all ihre Tätigkeit einstellen? Das Wort Gottes erst schenkte ihr Ruhe und Gewißheit. Sie selbst schreibt: „Als ich einst darüber nachdachte, ob jene, die mein Umherreisen zur Stiftung von Klöstern ungern sahen, nicht im Rechte wären, und ob ich nicht besser täte, beständig dem Gebete zu obliegen, da vernahm ich folgendes: „Solange dieses Leben währt, besteht der Gewinn nicht im Bemühen, Mich immer mehr zu genießen, sondern in der Erfüllung Meines Willens.“ Als ich über den Sinn der Worte des heiligen Paulus (die Zurückgezogenheit der Frauen betreffend) nachdachte — es war mir dies schon oft vorgehalten worden, noch ehe ich den Ausspruch des Apostels gehört hatte —\, fiel mir ein, ob dies nicht auch bei mir Gottes Wille wäre. Da sprach der Herr zu mir: „Sage ihnen, sie sollten sich nicht bloß auf einen Ausspruch der Heiligen Schrift berufen, sondern auch die anderen Stellen einsehen, ob sie Mir denn die Hand binden können“ (Gunstbezeigungen Gottes, Nr. 13).

Inoffiziell wurde Theresia schon lange Zeit als Kirchenlehrerin verehrt, und auch manche Gemälde stellen sie als solche dar. Die Bezeichnung „seraphische Lehrerin“ erregte den Widerspruch der Bollandisten, die 1845 ausdrücklich erklärten, der Titel „Kirchenlehrer“ stehe nur heiligen Männern zu. Und man hielt sich an dieses Wort... Zu Beginn unseres Jahrhunderts wurde die Frage spontan wieder aufgegriffen: Wäre es nicht angemessen, der heiligen Theresia diesen Titel zu verleihen — trotz der pauli-nischen Texte? Die Universität von Salamanca ernannte sie 1922 zum „Doctor honoris causa“. Im gleichen Jahr begann der nachmalige Primas von Spanien, Kardinal Pia y Deniel, eine Materialsammlung mit dem Ziel der Verleihung des Kirchenlehrertitels an die heilige Theresia. Als diese Sammlung vollendet war, wurde sie Papst Pius XI. vorgelegt. Trotz befürwortender Stellungnahmen von Theologen, war das Bemühen immer noch zum Scheitern verurteilt. Das Hindernis: Obstat sexus! Im Licht des II. Vatikanischen Konzils wurde in der Kirche manches neu gesehen. In der Konstitution „Lumen Gentium“ heißt es, die Charismen „werden verteilt unter den Gläubigen jeglichen Standes“ (Nr. 12).

Auf Grund dieser Tatsachen wurde nochmals die Frage angeschnitten: „Kann eine Frau zur Kirchenlehrerin ernannt werden?“ Auf Wunsch des Papstes wurde dieses Problem im Jänner 1966 von der Vollversammlung der Kongregation für die Heiligsprechungen diskutiert. Dazu wurde die Meinung von vier Fachtheologen erbeten. Einer von ihnen, der Karmelitenpater Pietro Barbagli, war durch seine theologischen Forschungen zu dem Schluß gekommen: die klassischen Texte des heiligen Paulus, die sich auf die Tätigkeit der Frauen in der Versammlung der Gemeinde beziehen, haben nur disziplinaren und lokalen Charakter, keinen doktrinären und dogmatischen, vor allem aber haben sie keinerlei Beziehung zum Kirchenlehrertitel.

Nach vielen Jahren der Verzögerung und Ablehnung wird das Vorhaben nun durch Papst Paul VI. Wirklichkeit: die heilige Theresia von Avila wird als erste Frau in der Kirchengeschichte am 27. September 1970 zur „Kirchenlehrerin“ ernannt werden. „Doctrix disciplinae Dei“ und „Lumen Ecclesiae“ war sie zuvor schon betitelt worden und bereits 1914 hatte Pius X. geschrieben:„Die Lehre der Mystikerin von Avila steht auf der Höhe der großen Kirchenlehrer, wie die eines heiligen Gregor des Großen, eines heiligen Johannes Chrysostomus, eines heiligen Anselm.“ Mit der offiziellen Verleihung des Titels an die heilige Theresia will auch die Gleichstellung der Frau in der Kirche versinnbildet sein. Die Kunde von diesem Ereignis hat vor allem in den Ländern, in denen die Verehrung der heiligen Theresia besonders groß ist, Begeisterung geweckt. Ein langgehegter Wunsch findet Erfüllung!

Theresia von Avila — die erste Kirchenlehrerin: in gewissem Sinne ein historisches Ereignis! Es dauerte lange, doch einmal setzt sich das Drängen des Heiligen Geistes durch — bestimmt nicht zum Nachteil der Kirche.

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