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Messe ohne Integration

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Es gab Optimisten, die nach Abschluß der Wiener Frühjahrsmesse 1962 vorschlugen, der Wiener Frühjahrsmesse 1963 den Namen „Integrationsmesse“ zu geben. Die diesen Vorschlag machten, gingen dabei von der Annahme aus, daß bis in die Märztage dieses Jahres das österreichische Assoziierungsproblem gelöst sein werde. Wer aber die Entwicklung der europäischen Integration genau verfolgte und sich vor allem von jedem Wunschdenken frei machte, konnte auch vor einem Jahr nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit abschätzen, ob uns in den folgenden zwölf Monaten ein Erfolg unserer Assoziierungsbemühungen beschieden sein würde.

Sicherlich mehrten sich im Laufe dieser Zeit die Ansichten, daß wenigstens die Beitrittsver-handlungeri des Vereinigten Königreiches bis zum Frühjahr 1963, wenn schon nicht abgeschlossen, so doch über die Hürde sein würden. Der „point of no return“ schien vielen schon damals überschritten, weil man sich nicht vorstellen konnte, daß die Einleitung der Verhandlungen zwischen der EWG und Großbritannien und ihre intensive Führung einen wirklichen Rückschlag zuließen. Skeptiker, die sich nun als Realisten erwiesen, waren allerdings auch damals schon der Auffassung, daß ein wirklicher Erfolg erst dann erwartet werden könne, wenn konkrete Zusagen, vor allem seitens der französischen Regierung, vorlägen, den Beitritt Großbritanniens, in welcher Form immer, in gemessener Frist Zustandekommen zu lassen. Aber eine solche Zusage lag niemals vor. Im Lichte der Auffassungen der französischen Regierung wurden diese Verhandlungen immer nur zur Klärung aller offenen Fragen ohne endgültige Zusage geführt.

Die Optimisten ließen sich bei ihren Überlegungen ohne Zweifel auch von den Gerüchten beeindrucken, die da behaupteten, daß für Österreich schon Gelegenheiten zu positiven Verhandlungen mit der EWG gegeben, aber nicht genützt worden seien. Daß es sich hier nur um zweckbetonte Gerüchte handelte, ist oft genug dargelegt worden. Es war ganz im Gegenteil — leiderl — immer so, daß man den österreichischen Vorstellungen und Ersuchen um Auf

nähme der Assoziierungsverhandlungen zwar immer ein sehr freundliches Ohr widmete, niemals aber zu einer konkreten Zusage bereit war. Selbst der von österreichischer Seite bei jeder sich bietenden Gelegenheit ausgesprochene Wunsch, wenigstens informelle vorbereitende Gespräche zu erreichen, die die Verhandlungspartner zunächst in nichts verpflichten sollten, wurde ständig kategorisch abgelehnt. So ist es denn nun, da die Wiener Frühjahrsmesse 1963 ihre Pforten öffnet, zwar enttäuschend, aber keineswegs überraschend, daß wir dieser Messeveranstaltung den oben erwähnten Titel nicht geben können.

Wie bietet sich nun die Situation? Auf diese Frage läßt sich zur Stunde noch keine eindeutige Antwort geben. Noch ist die Schockwirkung der vorläufigen französischen Absage nicht zur Gänze überwunden. Wohl sind erfreulicherweise die Stimmen eines zwar verständlichen, keineswegs aber realpolitischen Ressentiments verstummt, aber es wird sicherlich noch einiger Zeit bedürfen, bis man in den europäischen Hauptstädten weiß, wie der abgerissene Faden wieder angeknüpft werden soll. Eines stand von Haus aus fest: die Europäische Wirtschaftseemeinschaft als solche erlitt zwar eine Erschütterung, aber keinen Bruch. Wer angenommen hätte, daß die Absage von Paris den Anfang vom Ende der EWG bedeuten müßte, hat sich von Haus aus geirrt. Die EWG ist heute schon eine Organisation, die ihren Teilnehmern so viele unleugbare wirtschaftliche Vorteile gebracht hat, daß niemand mehr darauf verzichten wollte oder könnte. Daß es eine ganze Reihe schwerwiegender, ungelöster Probleme innerhalb der Gemeinschaft gibt, widerspricht dieser Feststellung in keiner Weise. Jede Organisation, besonders aber eine von der Größe und Bedeutung der EWG, wird immer wieder vor großen und ungelösten Problemen stehen. Als größtes dieser Probleme bietet sich ohne Zweifel das Landwirtschaftsproblem an, und es wird sicher noch eine Weile brauchen, bis sich die sechs Mitgliedstaaten der Gemeinschaft auch auf diesem wichtigen Sektor der Wirtschaft zu gemeinsamen bzw. konformen Regelungen entschlossen haben werden. Ebenso ungelöst sind die Fragen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen der EWG zu Drittstaaten, aber auch diese werden früher oder später einer Lösung zugeführt werden, weil dies eben anders gar nicht möglich ist.

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