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Neuer Griff nach dem Sudan?

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Der Sudan, das bisher ruhigste arabisch-afrikanische Land, wurde jetzt — nach mehrwöchigen inneren Wirren — plötzlich wieder in den gefährlichen Strudel arabischer Macht- und Richtungskämpfe hineingerissen. Obwohl zeitweilige Nachrichten- und Einreisesperrer inzwischen aufgehoben sind, werder Tatsachen über die Hintergründe de« Machtverschiebung in Khartum nui spärlich offenbar. Eigene Fehler Uneinigkeit in der Armee, politischer Druck der (verbotenen' Parteien, Studentendemonstrationer und Unruhen in der Bevölkerung; die mehrere Todesopfer kosteten zwangen den bisherigen Alleinherrscher, General Ibrahim Abbud, di« Militärdiktatur zu beenden und eint zivile Übergangsregierung einzusetzen. Sie soll die Rückkehr zt parlamentarischen Zuständen und freie Wahlen für März nächster Jahres vorbereiten. Diese für Kennei der Verhältnisse überraschend« Entwicklung beweist, daß auch di« mildeste Diktatur politische Pro-

Kamel und Kanu

Der von knapp elf Millionen Menschen bewohnte Sudan ist flächenmäßig der größte Staat Afrikas. In ihm scheiden sich, „wo Kamel und Kanu sich begegnen“, arabischer Norden und schwarzer Süden. Islamische Araber leben in dem an Oberägypten grenzenden Nordteil, während die Südprovinzen von etwa 450 teils christianisierten, teils heidnischen negroiden Nilotenstäm- men bevölkert sind. Sie waren früher Opfer arabischer Sklavenjäger.

1811 eroberte Khedive Mohammed Ali das Gebiet, ohne daß die vollständige Arabisierung gelang. 1881 entfesselte der Mahdi, ein religiöser Sektierer, einen erfolgreichen blutigen Aufstand gegen die Ägypter. 1899 entstand, nach jahrzehntelanger Anarchie, das britisch-ägyptische Kondominium, das erst mit der Unabhängigkeitserklärung, 1956, endete. Seit Mohammed Ali betrachtet Ägypten die „Einheit des Niltales“ als Lebensfrage. Infolgedessen entfaltete es seit je eine rege Anschlußpropaganda. König Faruk I. ließ sich 1951 zum „König des Sudans“ ausrufen. Der Staatsstreich, 1952 und der Machtantritt des aus Khartum gebürtigen Generals Naguib bestärkten die Tendenzen. Der erste ägyptische Propagandaminister, Salah Salam, tanzte mit

sudsudanesischen Wilden Kriegstänze, um sie für den Anschluß zu gewinnen. Nordsudanesen fürchteten indessen die ägyptische Hegemonie, Südsudanesen erinnerten sich ägyptischer Sklavenjäger. 1955 entschieden sie sich daher für die Unabhängigkeit, und am Neujahrstag 1956 wich die britische Flagge auf dem Regierungspalast in der dem Union Jack nachgebauten Hauptstadt der blau-gelb-grünen Trikolore.

Proägyptische Agitation und ägyptisches Hegemoniestreben hörten jedoch ebensowenig auf wie der Abscheu der nichtislamischen Negerstämme gegen Zentralismus und Islamisierung. Beides rief politische

nstabilitat hervor, auf die, 1958, eu mblutiger Staatsstreich folgte, de 3-eneral Abbud an die Mach »rächte. Beides führte jetzt aucl :um plötzlichen Ende seine Regimes.

Abbuds Umsturz hatte sich maß jeblich gegen den ägyptischen Ein luß gerichtet. In der Folgezeit wa :s ihm (nachdem er die proägypti ichen Parteien ausgeschaltet hatte 'elungen, Kairo zur Nichtein nischung in die inneren Angelegen leiten des Sudans zu bewegen. Eh is zum Baubeginn am Assuandamn cam, konnte er die Nilwasservertei ung zufriedenstellend regeln. De legroiden Separatisten wurde e

nicht Herr, obwohl er die Südprovinzen zeitweilig zum Sperrgebiet erklärte, sie mit islamischer Beamten und Armeekontingenter durchsetzte und weiße christlich« Missionäre auswies.

Der Umsturz kam Nasser gelegen

Die durch permanente Aufstand« und Fluchtbewegungen in die südlichen Nachbarländer herbeigeführt« explosive innerpolitische Situatioi zwang Abbud jetzt, das Militär regime zu liquidieren und ein« Zivilregierung zu bilden. Die bi jetzt übersehbaren Begleitumstand« lassen darauf schließen, daß aucl proägyptische Kreise bei dem Um stürz die Hand im Spiel hatten. De neue Regierungschef, Al-Khaten al-Khalifa, gilt als proägyptiscl und seinem Kabinett gehören mindė stens zwei der bisher verfemte: Kommunisten an. Khalifa schlu sogleich (im Gegensatz zu dem i: diesen Fragen sehr zurückhaltende: Abbud, der sich einstweilen al Staatschef behaupten konnte) laut panarabische, antiisraelische un« neutralistische Töne an.

Auch in Kairo ist die „Einheit de Niltales“, wie sich herausstellt« keineswegs vergessen. Die staatlich ägyptische Presse griff Geners Abbud auf dem Höhepunkt de Wirren scharf an und ermutigte un verhohlen die ägyptenfreundliche Sudanesen. Sollten jene sich bei de: beabsichtigten Wahlen durchsetzet dürfte es mit den soeben wiede eingeführten politischen Rechten - Parteien- und Pressefreiheit, Justiz Unabhängigkeit und Freilassun politischer Gefangener — allerding rasch wieder vorbei sein. Abd« Nassers Diktatur stellt diejenig des Generals weit in den Schatten!

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