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Brandgeruch in Nahost

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Im Nahen Osten wächst, zum erstenmal seit der dramatischen Monats-weinde Mai/Juni 1967, die Kriegsgefahr. Die Situation entspricht haargenau derjenigen unmittelbar vor dem Sechstagefeldzug. Israels Außenminister Abba Eban, der vorsichtig formulierende Diplomat, riskierte eine ungewohnt offene Sprache. Eine neue Schlacht, so drohte er, sei durchaus nichts Unvermeidliches. Ägyptens Diktator Gamal Abdel Nasser überließ die Antwort seinem publizistischen Sprachrohr Mohammed Hassanevn Heikai. Der Chefredakteur des Kairoer Staatsblattes „El-Achram“ („Die Pyramiden“) verkündete in einem Leitartikel, ein (allerdings bis jetzt nicht existierendes) vereinigtes arabisches Flottenkommando könne das Rote Meer und damit die feindliche Schifffahrt von und nach dem Hafen Eilat am Akabagolf blockieren. Man erinnere sich: Vom Ende der Suezkampagne 1956 bis zum Ausbruch des Junikrieges 1967 hatte die Jerusalemer Regierung immer erklärt, jede Blockade Eilats sei der „Casus belli“. Als die UN-Truppen den Stützpunkt Scharm esch-Scheich an der Südspitze der Sinaihalbinsel räumten und ägyptische Kommandos ihn besetzten und die Tiranstraße verminten, war die militärische Konfrontation unausweichlich geworden.

Drei Fragen

Beobachter der nahöstlichen Szene stellen sich jetzt drei Fragen: 1. Betrachtet Israel eine Sperrung am Südausgang des Roten Meeres, möglicherweise außerhalb der Reichweite seiner Fiugmacht, abermals als Kriegsgrund? 2. Wie reagiert, käme es zu einer weiteren arabisch-israelischen Auseinandersetzung, die in Ägypten mittlerweile direkt 'militärisch engagierte Sowjetunion? 3. Wie erklärt sich der Gegensatz zwischen der eindeutig von den Ägyptern provozierten zunehmenden Gefechts-

tätigkeit am Suezkanal und der völlig fehlenden Abwehr gegen das immer häufigere Eindringen israelischer Kampfflugzeuge und Bodenkommandos weit in ägyptisches Territorium?

Niemand kann sich vorstellen, daß Israel weitere arabische Gebiete kontrollieren möchte oder könnte. Jedermann rechnet aber damit, daß es Blockadepläne im Roten Meer, würde man sie tatsächlich verwirklichen, um jeden Preis durchkreuzen dürfte. Heikais Drohung erhöhte daher, wie man arabischerseits einräumt, die Kriegsgefahr. Eine andere Frage ist freilich, ob die arabischen Flotten, soweit sie überhaupt im Roten Meer kreuzen können, rein militärtechnisch zu einer solchen Blockade'fähig sind und ob die Sowjetunion sie zulassen würde.

Was den sowjetischen Einfluß angeht, so wurde im Westen erst nach dem Sechstagekrieg richtig klar, wie umfassend er geworden ist. Rote Militärberater instruieren die ägyptische Armee heute bis hinunter zur Kompanieebene, und diese Armee ist vollständig abhängig von und manövrierunfähig ohne rote Nachschubslieferungen. Dennoch vergrößerte beides kaum den politischen Einfluß Moskaus. Sowohl Sowjetbotschafter Winogradoio als auch Außenminister Gromyko warnten den Nildiktator, wie aus Ostblockkreisen glaubhaft versichert wird, mehrfach vor militärischen Abenteuern. Der Kreml weiß, daß er eine vierte Schlacht kaum zu verhindern vermag und diese, wenn auch nicht zur dauernden israelischen Besetzung Ägyptens, so doch zum Sturz des nasserdschen Regimes führen und damit seinen Einfluß in der .arabischen Welt zurückdämmen könnte. Abdel Nässer behafrC mit dem Mut des Verzweifelten, darauf, den übermächtigen Gegner ständig zu reizen. Damit verfolgt er zwei Ziele: Er verhilft den gedemütigten Militärs zu

kleinen „Siegen“ und hält potentielle innerpolitische Gegner in Schach. Wer wagt schon einen Umsturz, solange das Land unter ständiger Kriegsbedrohung steht?

Die Bevölkerungsmassen sind, zwei Jahre nach der Niederlage, noch im unklaren über deren Auswirkungen. Die aus israelischer Gefangenschaft entlassenen Offiziere und Soldaten schmoren in Konzentrationslagern oder tun Dienst in entlegenen Wüstengarnisonen. Die aus dem Kanalgebiet evakuierten Familien wurden von den übrigen Einwohnern weitgehend isoliert. Und die Zeitungen machen aus jedem Artillerieduell eine Siegesmeldung.

Der Diktator kann es nicht wagen, seinem Volk die Wahrheit zu gestehen. Das ist auch der Grund, weshalb israelische Flugzeuge ungestört über Kairo kreisen. Ägypten verfügt über ein hochmodernes sowjetisches Radarwarnsystem und über eine völlig reorganisierte und modernisierte Flugzeugabwehr aus Flaknestern und Abfangjägern. Beide blieben, während der feindlichen Aufklärungsflüge, offensichtlich außer Betrieb. Hätte man sie sprechen lassen, wäre die Kairoer Bevölkerung über die unerwartete Nähe der Front aufgeklärt worden. So aber glaubte jeder, es handle sich um eigene Verbände. Nur den Eingeweihten wurde dadurch wieder einmal fclar, wie verletzlich das Niltal ist und wie gering die Siegesaussichten sind, wenn es zu einer neuen Konfrontation kommt. Dennoch reden sie sich weiter in eine Stimmung, die diese Konfrontation unvermeidlich machen könnte. Die einzige Erklärung dafür ist, daß das herrschende Regime lieber in einer aussichtslosen „vierten Schlacht“ untergehen möchte als in einem Umsturz von innen, der um so näher rückt, je länger der gegenwärtige Zustand dauert.

imperialistische Politik der rücksichtslosen politischen Kontrolle, wirtschaftlichen Ausplünderung und tyrannischen militärischen Intervention.“ Moskau beantwortet die Pekinger Planungen der Sprengung seiner Bündnissysteme mit Vorbereitungen zu Blockbildungen, zunächst in Asien, zum „Schutze dieser Länder gegen die maotische Bedrohung“ und erklärt sich, wie aus uns vorliegenden Berichten aus Asien hervorgeht, bereit, sie „moralisch und wirtschaftlich zu unterstützen“ und „ihnen im Notfall auch militärische Hilfe zu gewähren“. Sogar im östlichen Himalajagebiet bemüht sich heute die Sowjetunion um die Verstärkung ihrer Positionen auf Kosten Rotchinas und benützt zu diesem Zweck sogar dieBeeinflussung religiöser Strömungen. Während zum Beispiel in Moskau noch vor wenigen Jahren Buddha als „ein mit der Ausbeuterklasse zusammenarbeitender Königssohn“ bezeichnet wurde, hatte bereits Peking gewisse Parallelen zwischen Marxismus und Buddhismus „entdeckt“ und diesen als Machtinstrument zu maotischer Einflußgewinnung in vielen Ländern Asiens eingesetzt. Moskau beantwortet diese Vorstöße unter anderem durch eine völlige Umkehr der sowjetischen Haltung in der Frage der Angliede-rung Tibets an Rotchina und durch laufende Einladungen von buddhistischen Priestern und Gelehrten in den Hamalajastaaten Bhutan und Sikkim zu Besuchen in Moskau. Nach Ansicht von Gewährsmännern, deren Urteile sich immer wieder als zutreffend erwiesen haben, überschattet das Problem „China“ heute fast alle sowjetischen Planungen, einschließlich der europäischen. Schon bei einer vorjährigen Geheimkonferenz in Kiew mit tschechoslowakischen Kommunisten soll Mos-

kau die Entsendung tschechischer Truppen nach dem Fernen Osten angeregt haben, was aber von Svoboda abgelehnt worden sein soll. Offenbar machte aber das Problem „China“ Moskau auch schon früher große Sorgen, da schon seinerzeit Chruschtschow Adenauer sagte: „Helfen Si uns, mit China fertig zu werden.“

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