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Sie sind im Recht, aber...

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Selbst wer im Recht ist hat es oft nicht leicht, seine Ansprüche durchzusetzen. Nach langen, teuren Verfahren kommt der Rechtsspruch für manchen zu spät.

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Selbst wer im Recht ist hat es oft nicht leicht, seine Ansprüche durchzusetzen. Nach langen, teuren Verfahren kommt der Rechtsspruch für manchen zu spät.

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Für den Durchschnittsbürger ist der Kontakt mit Gerichten etwas prinzipiell Heikles. Während man sich in Österreich zwar ganz gern mit Behörden „anlegt", will mit Gerichten keiner zu tun haben. Zwar gründet diese Einstellung wohl eher darin, daß der Unbedarfte den Begriff „Gericht" sofort mit schweren Geschützen wie „Strafverfahren", „Verurteilung" und „Vorstrafe" assoziiert, doch kann - oft aus gänzlich anderen Gründen - die Anrufung von Gerichten mit Problemen verbunden sein. Im folgenden soll dies anhand einiger Beispiel kurz dargestellt werden.

Bei der Errichtung eines Hauses vertraut der zukünftige Inhaber auf professionelle Hilfe, will auch nicht mit dem Gesetz in Koflikt kommen und beauftragt daher ein Baumeisterunternehmen, damit die Arbeiten rasch und sorgfältig durchgeführt werden. Doch bei der Wahl hat der Vorsichtige kein Glück. Zunächst fordert der Baumeister immer wieder Vorschüsse, hält sich nicht an die von ihm erstellten Kostenvoranschläge, und auch die zugesagten Termine sind bestenfalls Bichtwerte. Doch wer wechselt schon gern den Professioni-sten, wenn das Haus halbfertig ist und mit der neuen Beauftragung nur weitere Kosten entstehen würden. Als sich die durchgeführten Arbeiten aber auch noch als grob mangelhaft herausstellen, wird es dem zukünftigen Hausherrn zu dumm. Er übergibt die Sache seinem Anwalt.

Dieser bemüht sich, zunächst außergerichtlich eine Einigung herbeizuführen. Doch der Baumeister sagt einmal die Verbesserung der Mängel zu, dann verspricht er wieder einen Teil der geleisteten Zahlungen rückzuerstatten. Als die Hinhaltetaktik schließlich offensichtlich wird, er: teilt der Mandant seinem Anwalt den Auftrag zur Klagseinbringung. Dieser prüft ZUVOr noch die Liquidität des Bauunternehmens und erhält die Nachricht, bisher scheine am Inkassosektor noch keine Mitteilung auf. Eine Insolvenz steht also zumindest nicht unmittelbar bevor.

Jetzt beginnt das eigentliche Spektakel. Als Kläger hat der werdende Hausherr mit der Klagseinbringung die gerichtliche Pauschalgebühr zu bezahlen, deren Höhe wiederum vom Streitwert abhängt. Der beklagte Baumeister erwidert auf die Klage. Dann werden mehrere Verhandlungen durchgeführt. Das Gericht muß einen bautechnischen Sachverständigen bestellen, der die Mängel an den vorgenommenen Arbeiten zu prüfen hat; Zeugen sind zu vernehmen, und dann erkrankt auch noch der Richter, weshalb sich Verhandlungstermine weiter verzögern.

Doch schließlich nach aufwendigen Auseinandersetzungen gibt das Gericht dem Kläger recht. Aber der Baumeister ergreift Berufung und bringt damit das Verfahren in die nächste Instanz. Wieder vergehen Monate bis zur Verhandlung. Und knapp vor dieser nimmt das Unglück seinen Lauf - das Bauunternehmen wird insolvent und meldet Konkurs an. Das Verfahren muß unterbrochen werden. Jetzt bleibt dem Hausherrn nur mehr die Möglichkeit, seine Forderung im Konkursverfahren anzumelden. Als dieses abgeschlossen ist, erhält er gerade noch eine bescheidene Quote seiner Ansprüche. Anstatt seine Schäden und die Kosten ersetzt zu bekommen, kann der Unglücksrabe jetzt auch noch seinen Anwalt bezahlen. Daß nun großer Unmut einsetzt, ist mehr als verständlich.

Doch auch wenn der Kläger anders als im vorangegangenen Fall zu einem rechtskräftigen Urteil kommt, bedeutet das noch nicht unbedingt, daß der unterlegene Beklagte auch sofort zahlt. Nicht selten muß eine Exekution durchgeführt werden, und auch dann ist die Einbringlichkeit der Forderung noch nicht gewiß. Zahlt nämlich der Beklagte, obwohl er im Urteil dazu verpflichtet wurde, nicht, dann muß der siegreiche Kläger zuerst einmal die Bewilligung der Exekution beantragen. Gegen den Bewilligungsbeschluß stehen jedoch Bechtsbehelfe zur Verfügung, wodurch der Vollzug der Exekution hinausgeschoben werden kann. Ist die Bewilligung schließlich rechtskräftig, dauert es auch noch einige Wochen, bis mit der Exekution begonnen wird. Da verbleibt dem Verpflichteten allenfalls noch Zeit, seine Habseligkeiten „in Sicherheit zu bringen" und damit den Exekutionserfolg zu vereiteln. Daß er sich damit strafbar macht, _ hilft dem Kläger wohl nur wenig.

Schon diese beiden Varianten zeigen, welche Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Ansprüchen auftreten können. Im österreichischen Zivilprozeß gilt zwar das Erfolgshaftungsprinzip, nach dem der Unterlegene dem siegreichen Kläger auch die Anwalts- und die Verfahrenskosten ersetzen muß, doch nützt dies nichts, wenn der Verpflichtete über kein Vermögen verfügt. Auch die durch den Konjunktureinbruch der Wirtschaft zunehmenden Insolvenzen machen die endgültige Befriedigung aufgrund eines Prozesses immer unsicherer.

Die Schwierigkeiten liegen aber in der Praxis nicht nur in der Person des Beklagten. Auch die zunehmende Überlastung der Gerichte und die immer längeren Verfahrensdauern stellen für den Kläger ein großes Problem dar. Hat etwa ein Mittelbetrieb mehrere ausständige Forderungen und benötigt er diese Beträge für sein weiteres wirtschaftliches Fortkommen, so kann das Zuwarten für mehrere Jahre existenzgefährdend sein.

Auch die Kosten einer Rechtsvertretung, die vom Streitwert abhängig sind, erreichen bisweilen eine beachtliche Höhe. Da sie aber - wenn überhaupt - erst nach Ende des Verfahrens ersetzt werden, hat jede Streitpartei die

Kosten ihres Anwalts zunächst selbst zu tragen. Und verständlicherweise wird kaum ein Anwalt bei einem jahrelangen Prozeß ohne zumindest teilweise Kostendeckung arbeiten. Aus diesem Grund erfreuen sich Rechtsschutzversicherungen eines bisher noch nicht dagewesenen Zulaufs.

Es ist aber festzuhalten, daß mit diesen Ausführungen selbstverständlich nicht die Regelfälle erfaßt werden. In den meisten Fällen können Verfahren nach einigen wenigen Verhandlungen beendet werden. Auch macht der Unterlegene keineswegs immer von seinem Berufungsrecht Gebrauch, sondern zahlt, um auflaufende Kosten zu vermeiden. Tatsache ist aber auch, daß Sachverhalte wie die oben geschilderten immer wieder vorkommen und die Bechtsordnung für derartige Fälle kein Korrektiv vorsieht. Solche Korrektive wären aber kaum gesetzlich zu regeln, da auch -beziehungsweise insbesondere - finanziell schwächer gestellten Personen voller Rechtsschutz gewährt werden muß. Werden diese dann insolvent (zum Beispiel durch Konkurs), dann hat dieses Bisiko der Gegner zu tragen. Eine Lösung dieses Problems, die den Interessen beider Parteien entspricht, ist jedenfalls bis heute nicht gefunden.

Aus diesen Ausführungen wird aber deutlich, daß der Rechtsschutz des einen das Rechtsschutzdefizit des anderen bedeutet. Wo die Grenze liegen sollte, bleibt zu klären.

Der Autor ist

Mitarbeiter der Anwaltskanzlei Dr. Thomas Höhne.

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