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Seniorenbedürfnisse in ländlichen Regionen.

Es gibt dieses und jenes, was einem nicht passt. Aber man kann an den großen Sachen nicht rütteln", dieser Kommentar eines Seniors bringt gut die resignative Unzufriedenheit zum Ausdruck, die für die Lebenssituation vieler alter Menschen gerade in den wirtschaftsschwachen ländlichen Regionen in unserem Lande charakteristisch ist. Das, woran man nicht rütteln kann, ist der sich auf mannigfaltige Weise manifestierende "Verlust an Nähe", der gerade vielen Alten zu schaffen macht.

Am augenfälligsten zeigt sich das Auseinanderbrechen ländlicher Strukturen am Rückgang der Nahversorgung. Viele Geschäfte, Gasthäuser, Post-und Bankfilialen mussten schließen. Dementsprechend weit sind heute die Wege für Besorgungen.

Zersiedelung

Wie beschwerlich dies sein kann, zeigt, dass nur acht Prozent der heute über sechzigjährigen Frauen auf dem Land den Führerschein haben bzw. im Besitz eines Autos sind. Umso mehr trifft es diese für den Einkauf zuständigen Seniorinnen, dass der Busverkehr in die Versorgungszentren hauptsächlich auf den Schülertransport hin ausgerichtet ist und sich dieser für ihre Zwecke kaum anbietet. Viele sind auf Mitfahrgelegenheiten angewiesen.

Als nachteilig für ein selbstbestimmtes Leben auf dem Lande erweist sich vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung auch die für Österreich charakteristische Zersiedelung. Spontane Nachbarschaftshilfe kann in vielen Fällen nicht geleistet werden, weil aufgrund der weit gestreuten Siedlungssplitter es oft nur wenige Nachbarn gibt und diese in vielen Fällen schon selbst auf Hilfe Außenstehender angewiesen sind.

Dies hat seine Ursache auch darin, dass in den Dörfern die generationsübergreifende unentgeltliche Hilfe zurückgeht, denn die Jungen fehlen oft vor Ort. Zum einen deshalb, weil durch den wirtschaftlichen Strukturwandel gerade im peripheren Gegenden viele Arbeitsplätze verloren gingen und dementsprechend die Erwerbsbevölkerung auspendeln muss. Davon sind immer mehr berufstätige Frauen betroffen. Diese zunehmende Außenorientierung im Berufsleben ist auch insofern problematisch, als das Pendeln in manchen Fällen nur die Vorstufe zur Abwanderung ist und das Unterstützungspotenzial älterer Menschen durch jüngere tendenziell kleiner wird.

Soziale Isolation

Eine Folge des räumlichen Auseinanderdriftens der Generationen, aber auch der Siedlungsräume ist die gesellschaftliche Isolation vor allem der körperlich beeinträchtigten und alleinstehenden Senioren. So beschränkt sich der Aktionsradius vieler Betagter nur mehr auf einige wenige Räume in ihren oftmals viel zu großen Häusern und Wohnungen, die in der Regel nicht "altengerecht" adaptiert sind.

Natürlich gibt es dazu kontrastierend auch am Land die sehr guten Lebenssituationen alter Menschen. Sie basiert auf intakten Familien, einer angemessenen Wohnsituation, einer intakten Grundversorgung, einem guten Gesundheitszustand und der Verfügbarkeit eines Autos. Die rüstigen motorisierten Senioren können so den Defiziten, an denen ihr unmittelbares Wohnumfeld leidet, ausweichen. Erst der Verlust der Fahrtüchtigkeit bedeutet dann in vielen Fällen einen massiven Einbruch in der Lebensqualität. Ein selbstbestimmtes Leben zu führen, hat auf dem Land sehr viel mit dem Auto zu tun.

Lösungsansätze, die auf ein qualitätsvolles Altsein hinwirken, müssen prinzipiell auch raumrelevante Aspekte miteinschließen. Insbesondere sind Lösungen für die wirtschaftsschwachen ländlichen Gebiete im Auge zu behalten, kulminieren doch in diesem Raumtyp die Probleme. Was kann hier beispielhaft getan werden? • Die Stärkung der regionalen Wirtschaft: diese beugt der Abwanderung der jungen Bevölkerung vor und bedeutet eine Stabilisierung der Grundversorgung.

• Ordnen: kompakte Siedlungsstrukturen bedeuten kurze Wege, die teilweise sogar zu Fuß zurückgelegt werden können. Das kommt gerade den autolosen Alten zugute.

• Bündeln: die Bündelung von Leistungen ist kostensparend und schafft Synergien. Hier ist an das Gast-Kauf-Haus zu denken, wo Bewirtung und Verkauf unter einem Dach stattfinden, oder an die Kombination von Alten-und Kinderbetreuung.

• Flexibilisieren: Dort, wo herkömmliche "konfektionierte" Angebote nicht mehr auf eine entsprechende Nachfrage stoßen, wie beispielsweise der kleine stationäre Nahversorger, der Friseur, der fahrplanmäßig verkehrende Autobus, bieten sich als Alternative flexiblere bedarfsgerechtere Lösungen als weitere Möglichkeit der Sicherung der Versorgung an. Dazu zählen etwa die Hauszustellung, mobile Dienstleister und Händler oder "Anrufbusse".

• Gestalten: Ein altengerechter Lebensraum bedeutet aber auch sichere Geh-und Radwege, die Schaffung von geeigneten Treffpunkten im öffentlichen Raum und barrierefreie Wohn-und Freiräume.

Gerlind Weber ist Leiterin des Instituts für Raumplanung und Ländliche Neuordnung an der Universität für Bodenkultur Wien und Mitglied des "Forums Nachhaltiges Österreich" sowie im "Think-Tank Demografie und Nachhaltige Entwicklung".

Tatjana Fischer ist Mitarbeiterin am Institut für Raumplanung und Ländliche Neuordnung.

Raum-und Sozialforschung

In der Dissertation von Tatjana Fischer Alt sein im ländlichen Raum - eine raumwissenschaftliche Analyse wurden vier unterschiedlich strukturierte ländliche Kleinregionen ausgewählt:

Das Thaya-March-Grenzland, eine strukturschwache Region in Grenzlage im nordöstlichen Weinviertel in Niederösterreich. Das südwestliche Eisenstädter Umland, ein suburbaner, strukturstarker Raum um Eisenstadt mit günstiger demografischer Situation. Das Mürzer Oberland, ein sehr strukturschwaches, peripheres Gebiet um Mürzzuschlag in der Steiermark. Und das innere Salzkammergut, eine inneralpine Touristenregion Oberösterreichs.

Anhand einer qualitativen Untersuchung wurde erhoben, wie ältere Menschen dort leben. Der Forschungsansatz bestand in einer Verschränkung raum-und sozialwissenschaftlicher Aspekte.

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