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Innsbruck: Philadelphia zu Gast

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Innsbruck, im September In Philadelphia feiert die Pennsylvania Academy of the Fine Arts in diesem lahr ihr 150jähriges Bestehen, ein würdiger Anlaß für diese älteste und angesehenste Kunstakademie Amerikas, mit einer Ausstellung vor die Weltöffentlichkeit zu treten. Von Anfang an war die Akademie ja Schule und Museum zugleich, und wenn nun eine repräsentative Auswahl der Werke von 25 der wichtigsten Künstler, die als Begründer, Lehrer und frühere Studenten mit ihr verbunden waren, gezeigt wird, so gewinnt der Betrachter einen ausgezeichneten Ueberblick über die Geschichte der amerikanischen bildenden Kunst überhaupt. In Oesterreich wird die Ausstellung nur in Innsbruck gezeigt.

Auffallend ist, besonders wenn man bedenkt, wa eine Fahrt über den Ozean vor 100 Jahren bedeutete, die enge Verbindung zwischen europäischer und amerikanischer Kunst. Während Amerika sozu-tagen sämtliche europäischen Stilwandlungen getreulich mitmacht, gewinnt die indianische Volkskunst erst in allerneuester Zeit einigen Einfluß. Thematisch überwiegt durchaus das bürgerliche Bildnis, da die Förderung der Kunst in Amerika niemals als eine Sache der Regierung, sondern stets als Aufgabe de Privatmannes galt.

In der Frühzeit studierten die meisten Künstler in Europa, so Benjamin West (173 8 bis 1820), der in London derart großen Erfolg hatte, daß er gar nicht mehr zurückkehrte, der Begründer der Akademie, Charles Wilson Peale (1741 bis 1827), John Neagle (1796 bis 1865) und Thomas Sully (1783 bi 1872), welcher die vornehme Porträtmalerei eines Lawrence nach Amerika übertrug. Mit William Merritt Chase (1849 bis 1916), der als Lehrer von größtem Einfluß war, macht sich bereits die Einwirkung der Münchner Malerschule geltend, was besonders sein großes Porträt einer Dame mit weißem Tuch, die einsam im leeren Raum steht, deutlich zeigt. Wichtig ind auch die zwei Stillebenmaler William Michael Harnett (1848 bis 1892) und John Frederick Peto (18 54 bis 1907), der veristische, gerade zum Betasten einladende Stilleben, z. B. „Eine Schranktüre“, gemalt hat. In der Zeit zwischen 1870 und 1910 war der Hauptrepräsentant einer realistischen Strömung Thomas Cowperthwait Eakins (1844 bis 1916), der nach amerikanischem Urteil alle andern überragte. Was wir jedoch von ihm auf dieser Ausstellung sehen, ist nicht so bedeutend, daß wir uns diesem Urteil anschließen könnten. Ueber eine viel frischere Palette verfügt beispielsweise Robert Henri (1865 bis 1929), ein Parallelfall zu Courbet und Leibi.

Immer häufiger gehen nun die amerikanischen Künstler nach Paris und geben sich der impressionistischen Freilichtmalerei hin. So die ausgezeichnete Pastellmalerin Mary Cassatt (1844 bis 1926), deren „Dame mit Schleier“ den Umschlag des Katalogs schmückt. Auch Cecilia Beaux (1863 bis 1942) kennt die französische, aber auch die übrige europäische Kunst und malte 1894 eine o bezaubernde Symphonie in Weiß wie „Emesta und Kindermädchen“. Mit Thoma Pollock Anshutz kommt das Arbeitermilieu zur Geltung, etwa im Bild „Mittagspause der Arbeiter“ von 1890. Der Spätimpressionismus ist gekennzeichnet durch George Benjamin Luks (1867 bis 1933) — hervorragend eine Mrs. Gamley mit dem Gockel unter dem Arm —, durch die Bilder von William James Glackens (1870 bis 1938), der ich ehr an Renoir anschließt, und durch die prachtvoll gemalten Winterbilder von Everett Shinn (1876 bis 1953).

Bis in unsere Zeit hinein führt die Kunst der großen Landschaftsvisionen von Henry Bainbridge-McCarter (1864 bis 1942). In seinem späten Bild „Glockenläuten“ von 1940 wird der Gegenstand zugunsten einer farbigen Symphonie bereits zurückgedrängt. Die Entwicklung vom Gegenständlichen zum Abstrakten ist auch im Oeuvre von Arthur B. Carles (1882 bis 1952) zu verfolgen, angefangen tau dem noch ganz impressionistisch gemalten Blumenstrauß bis zur Komposition Nr. 6 von 1936, die an Braque oder Picasso denken läßt. Einige Aquarelle zeigen die transluzide Kunst des fuhrenden amerikanischen Expressionisten John Marin, der 1953 als Dreiundachtzigjähriger starb.

Von den Bildhauern sei William Rush (1756 bis 1833) mit seiner großen Brunnenfigur „Wassernixe“

genannt, die an zeitentsprechend ähnliehe Schöpfun-gen der Münchner Schwanthalersehule erinnert; ferner Alexander Stirling Calder (1870 bis 1945) mit guten Büsten und kleinen Bronzegruppen in der Art von Rodin. (Sein Sohn hat die bewegliche Plastik: Blätter, die an Drähten von der Decke herunterhängen usw., kreiert.) Auch Charles Grafly (1862 bis 1929) ist vom Einfluß der Kunst Rodins in seinen kleinen Bronzegruppen wie in seinen guten Büsten nicht losgekommen.

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