6594447-1952_47_10.jpg
Digital In Arbeit

IM STREIFLICHT

Werbung
Werbung
Werbung

WIEN, 24. Oktober 1952. Sehr geehrter Herr! Wir beabsichtigen, anläßlich des „Völkerkongresses für den Frieden", eine Anthologie von Friedensgedichten herauszugeben, gut ausgestattet und mit einer sorgfältigen Auswahl der eindruckvollsten Dichtwerke. Von Ihnen möchten wir das Gedicht „Irgendeiner". Wir bitten Sie um gütige Mitteilung, daß Sie damit einverstanden sind. Da die Zeit drängt und weil wir annehmen, daß Sie gegen diese Publikation nichts einzuwenden haben, werden wir uns gestatten Ihre Einwilligung als gegeben zu betrachten, falls wir bis zum 1. November keine gegenteilige Nachricht haben"; folgt die übliche Verabschiedungsfloskel und der Name des Absenders: „österreichischer Friedensrat." — Dieser Brief erreichte eine Reihe von österreichschen Dichtern und Lyrikerinnen. Seine Formulierungen — in der Tat, es mangelt ihnen nicht an psychologischer Naivität; aber die Spekulation auf die mögliche Feigheit und Nachlässigkeit der Adressaten ist zu offensichtlich, als daß sie eines Kommentars bedürfte.

DIE „österreichische Furche hat in ihrer Nummer 44 vom 1. November 1952 die Vorgänge rund um die künstlerische Ausgestaltung des Wiener Westbahnhofes dargestellt und kritisiert; andere Zeitungen sind ihr gefolgt; die „Presse" zum Beispiel hat ihrem Bericht die Überschrift „Bürokratische Kunstfarce" gegeben; sogar Kabarettautoren haben den Anlaß interessant genug gefunden, um mit Satire und ironischer Kritik ebenfalls nicht hinter den Berg zu halten. Wir stellen somit fest, daß die projektierten Wandbilder an der Innenseite des Westbahnhofes zu einem Gesprächsthema der Öffentlichkeit geworden sind — bemerken aber, nicht ohne Erstaunen, daß die zuständigen und an den Vorgängen beteiligten Stellen sich in völliges Stillschweigen hüllen: keine von ihnen hat es für richtig und notwendig gehalten, auch nur ein Wort der Erwiderung oder Erklärung zu äußern. Den Schluß daraus zu ziehen, sei dem Leser überlassen.

AM Riesentor von St. Stephan ist eine kleine Skulpturengruppe zu sehen, eine rührend ungeschickte Arbeit eines ganz vergessenen Meisters, der irgendwann am Anfang des 13. Jahrhunderts seinen bescheidenen Beitrag zum Bau des großen Domes geliefert hat: einen Samson, der einem als solchen nicht ganz erkennbaren Löwen den Rachen aufreißt. Genau, ganz genau gegenüber, an der zerbröckelnden Fassade eines ausgebrannten Hauses, hängt ein Filmplakat, auf dem ebenfalls ein Samson und ein rachenaufsperrender Löwe zu erblicken ist — beide haben dort eine Größe von etwa drei bis vier Quadratmeter. Der Meister der einen ist ebenso wie der Maler der anderen Samsongruppe unbekannt. Beide Gruppen sind verwittert, die eine nach siebenhundert Jahren, die andere schon nach sieben Tagen. Die eine wirbt für einen Film, die andere für — nun ja, für irgend etwas anderes, nicht genau zu Benennendes. So, und jetzt sollte uns wohl etwas einfallen, eine Pointe, ein bitter-ironischer oder auch nur witziger Abschluß, wie er nun einmal zu einer Glosse gehört. Aber sie fällt uns nicht ein, die Pointe. Plakat und Skulptur, sie sind so unendlich weit voneinander entfernt, nicht nur siebenhundert Jahre, nein, es gibt da eigentlich gar keinen Vergleich. Keine Beziehung, keinen Zusammenprall, aus dem sich Funken schlagen ließen ...

DIE Minoritenkirche in Stein, in der bekanntlich die große Kremser-Schmidt- Ausstellung einen Anziehungspunkt sondergleichen für die Kunstfreudigen nicht nur der engeren Umgebung bildet, wird endgültig zur musealen Heimstätte für die Bilder des bedeutenden Barockmalers werden-, in der Krypta der Kirche hingegen wird dem zeitgenössischen Schaffen niederösterreichischer Künstler Platz für wechselnde Ausstellungen eingeräumt. — Das ist eine in jeder Hinsicht erfreuliche Nachricht; die österreichische Kunstpflege und -geschichte ist hier um eine Stätte des Wirkens und Forschens reicher geworden, und doch hat man über die berühmte Vergangenheit die Gegenwart nicht ganz vergessen ... ,

TROTZ der immensen Kinodichte in Österreich, die sogar die Deutschlands um das Doppelte übertrifft, wurden nach einer Meldung der „österreichischen Film- und Kinozeitung“ in der Saison 1951/52 in Österreich insgesamt 32 neue Lichtspieltheater gegründet. Die österreichische Kinodichte beträgt bekanntlich derzeit rund 6500 Personen pro Kinobetrieb. Demgegenüber betrug im Dezember 1951 die Kinodichte selbst in Westdeutschland, einem Land mit stark ausgeprägtem Kinowesen, nur 13 000 Einwohner pro Lichtspieltheater. In Wien wurden 4 große Häuser eröffnet, im Burgenland 2, in Niederösterreich 8, in Oberösterreich 4, in Salzburg 3, in Vorarlberg 1, in Kärnten 5 und in der Steiermark ebenfalls 5. Nichtsdestoweniger konnte sich der Kinobesuch im Vergleich zu den Vorjahren nicht erhöhen. Zahlreiche Kinos weisen sogar Rückgänge von 5 bis 10 Prozent auf. Mit Sorge muß man der weiteren Entwicklung entgegensehen, zumal ja doch heute oder morgefį mit einem Einbruch des Fernsehens zu-rechnen ist.

UifliiiĮd PS Friedens inner- b l by (kr Volksgemeinschaft, ate®Mich innerhalb der Völkergemeinschaft wäre ein solches Ziel. Ist es nicht Aufgabe der Caritas, dafür zu sorgen, daß im politischen Leben bessere seelische Beziehungen hergestellt werden, daß ein Forum geschaffen wird,

wo Vertreter gegnerischer Auffassung menschlichen Kontakt miteinander finden und so die ganze politische Atmosphäre entgiftet wird? Nur damit legen wir die Grundlage zu einer wirklichen Demokratie und erfüllen das Liebesgebot Christi, das für die Caritas Grundgesetz ihres Wirkens ist.

Handhabung; der Zwang zu ungebrochener einfacher Farbigkeit aber — den sie nicht allzu streng ausübt — ist ihm höchstens willkommen,. Von Toulouse-Lautrec bis Picasso haben alle Großen.der Moderne ihre Kraft am' Steindruck erprobt; und es mag durchaus sein, daß er heute die Ölmalerei an Umfang und relativer Bedeutung im Lebenswerk des einen oder anderen Meisters schon überwiegt. Schade, daß in dieser prächtigen Ausstellung, in der ein wesentlicher Teil der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts illustriert wird, die österreichischen Namen — mit Ausnahme Kokoschkas — fehlen: aber es wäre nicht das erstemal, daß eine Ausstellung unmittelbar in das Kunstschaffen, eingreift, Vielleicht bringt das Beispiel dieser Lithographien Noldes, Munchs und Manessiers auch unsere Maler zur Beschäftigung mit einer Technik, die nun wahrhaftig auch schon ihre Tradition hat — ein Umstand, der ja auch unseren Modernen (wenigstens in der technischen Praxis) nicht ganz gleichgültig ist. -r- Und schließlich, im Schaufenster des Information Centers, eine kleine Kollektion von Arbeiten unseres besten Kunsthandwerkers Carl A u b ö c k : Hausrat, der so einfach wie edel, so sparsam wie kostbar ist. Eine Oase in den wüsten Niederungen heutiger Gebrauchskunst.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung