Neues Spiel, neue Träume, neue Nummern, neues Glück
Bettina Balàka zeichnet in ihrem jüngsten Roman „Die Tauben von Brünn“ den Weg eines skrupellosen Aufsteigers der frühindustriellen Ära nach.
Bettina Balàka zeichnet in ihrem jüngsten Roman „Die Tauben von Brünn“ den Weg eines skrupellosen Aufsteigers der frühindustriellen Ära nach.
Eine phänomenale Idee, fürwahr! Wer hätte Mitte des 19. Jahrhunderts wohl schneller sein können als ein berittener Kurier? Dass eine Brieftaube als heimliche Kommunikationsschiene fungieren und Lottogewinnern in die Hände spielen könnte, ist unglaublich, aber sogar denkbar. Bekanntlich bahnen sich betrügerische Unterfangen die seltsamsten Schleichwege durch das Dickicht des Möglichen.
In den letzten Jahren hat sich die österreichische Autorin Bettina Balàka neben ihrem Faible für Kriminalistisches besonders auch historischen Ereignissen und Stoff en zugewandt, wie beispielsweise in ihrer Essaysammlung „Kaiser, Krieger, Heldinnen“, in der sie auch der Rolle von Frauen besondere Beachtung schenkt. In ihrem neuen Roman „Die Tauben von Brünn“ kommt beides zum Tragen. Balàka greift einen auf einem Gerücht basierenden Betrugsfall auf, dessen Spur zurück ins 19. Jahrhundert zum Freiherrn von Sothen führt. Als einfacher Tabaktrafikant hat er es mit spekulativen Geschäften, Schwindel und Manipulation nach ganz oben geschaff t. Einst war sogar der Cobenzl mit dem Schloss in seinem Besitz. Sothens kometenhafter Aufstieg, der auf der Ausbeutung anderer beruhte, ist jedenfalls historisch verbürgt und zeigt, wie Gier den Kapitalismus auf Kosten der Armen befeuert hat.
Bereits 2017 hat sich Anna-Elisabeth Mayer in ihrem Roman „Am Himmel“ mit der Biographie des Emporkömmlings Sothen auseinandergesetzt und seine Erfolgsgeschichte und seinen Fall auf Basis geschichtlicher Quellen nachgezeichnet. Balàka nähert sich Johann Karl von Sothen über eine andere Facette, nämlich über die Beziehung zu einer Frau. In 14 Kapiteln fügt sie mittels Rückblenden und mit großem erzählerischem Raffinement unterschiedliche Puzzleteile zusammen, die in ihrer Gesamtheit ein eindringliches Bild von seinem Umfeld, aber vor allem auch von der vorindustriellen Zeit, ihrer Gesellschaft und Geisteshaltung entstehen lassen.
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